2024-05-02T16:12:49.858Z

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Comeback: Gegen den SV Waldhof Mannheim (rechts Jan Hendrik Marx) bestritt Paul Will am 14. Juni sein erstes Drittliga-Match für den FC Bayern München nach überstandener Fußverletzung.  	Foto: imago images/Jan Huebner
Comeback: Gegen den SV Waldhof Mannheim (rechts Jan Hendrik Marx) bestritt Paul Will am 14. Juni sein erstes Drittliga-Match für den FC Bayern München nach überstandener Fußverletzung. Foto: imago images/Jan Huebner

In Opa Gerds großen Fußstapfen

PORTRÄT: +++ Der 21-jährige Breidenbacher Paul Will greift mit der U23 des FC Bayern München in der 3. Liga nach dem Titel +++

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München. Von den „Bambini“ des FV Breidenbach zum großen FC Bayern in die „Weltstadt mit Herz“. Welch ein Quantensprung! Paul Will wandelt in den großen Fußstapfen seines Opas Gerd Becker, der vor über einem halben Jahrhundert in der Bundesliga kickte. Zu einem Erstliga-Einsatz im Team des deutschen Rekordmeisters und fünfmaligen Champions-League-Siegers hat es für den 21-jährigen Breidenbacher noch nicht gereicht, die Meisterschaft winkt ihm trotzdem: Mit den U23-Kickern des FC Bayern II steht er drei Spieltage vor Saisonende der 3. Liga auf Platz 1.

Paul Will ist der Fußball in die Wiege gelegt – sozusagen. Vater Michael war zu Landesligazeiten des SSV Endbach/Günterod eine feste Größe im Team der Kurortler. Sein Großvater ist schlichtweg eine Hinterländer Fußballlegende. Gerd Becker ging in den 1960er-Jahren für Hessen Kassel und Kickers Offenbach in der Regionalliga Süd auf Torejagd, wurde mit beiden Klubs Meister der damals zweithöchsten deutschen Spielklasse und schaffte mit dem OFC den Sprung in die Bundesliga. In der Saison 1968/69 bestritt er als Linksaußen 27 Spiele im Fußball-Oberhaus und erzielte vier Tore.

Paul Will scheint das Zeug zu einer ähnlichen Karriere zu haben. Die begann bei den „Bambini“ des FV Breidenbach, später durchlief er die mittelhessischen Talentschmieden des VfB Marburg und der TSG Wieseck. Im Sommer 2015 wechselte er als B-Jugendlicher an den Betzenberg ins Internat des damaligen Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern und spielte für die U19 der Pfälzer zwei Jahre in der A-Junioren-Bundesliga. Seither haben Mutter Petra und Vater Michael von Beginn an jedes Spiel ihres Sohnes verfolgt und viele tausende Kilometer abgespult.

Doch warum wagte Paul Will zur Saison 2018/19 ausgerechnet den Sprung zum FC Bayern München, wo in der Vergangenheit schon so mancher Nationalspieler gescheitert, und der Durchbruch auch für einen so so talentierten Nachwuchskicker am schwersten ist? „Von Kaiserslautern hatte ich ein Angebot für die 3. Liga, das ich aber abgelehnt habe. Denn schon beim ersten Gespräch mit den Bayern-Verantwortlichen Anfang Februar 2018 in Begleitung meiner Mutter haben die Trainer mir das Gefühl gegeben, junge Spieler zu fördern und weiterzuentwickeln. Dieses Gefühl hatte ich in Kaiserslautern nicht“.

Paul Will wohnt in Untergiesing, nur wenige Gehminuten vom altehrwürdigen, 15 000 Zuschauer fassenden Stadion an der Grünwalder Straße entfernt, in dem das Drittligateam der Bayern seine Heimspiele austrägt. Unter Coach Holger Seitz war er schon 2018/19 eine feste Größe im Regionalliga-Team des Bundesliga-Giganten. Mit dem „zweiten Anzug“ des Rekordmeisters wurde er Meister der Regionalliga Bayern. Über die Aufstiegsspiele gegen den VfL Wolfsburg II schafften die „kleinen Bayern“ den angestrebten Sprung in die 3. Liga. Und diese mischen sie derzeit ganz kräftig auf.

Mit dem Ziel „Klassenerhalt angetreten, hat der neue Trainer Sebastian Hoeneß aus dem Neuling ein Topteam geformt. Auf den Sohn der Torjäger-Legende Dieter Hoeneß hält der junge Hinterländer große Stücke: „Er musste erst in der 3. Liga ankommen und hat eine sehr positive Entwicklung genommen. Er ist mit Leib und Seele dabei“.

Der Start in die laufende Saison verlief für Paul Will optimal. Er war Stammspieler. Doch in der Winterpause erlitt er bei einem Zweikampf im Training einen Arterienriss im Fuß. Er laborierte länger an dieser Verletzung und verlor seinen Stammplatz im zentralen Mittelfeld. Doch beim 3:2-Sieg im Aufsteiger-Duell bei Waldhof Mannheim stand er am 14. Juni wieder in der Anfangsformation.

Vor der Corona-Zwangspause (Paul Will: „Ich habe diese als Sommer-Vorbereitung genutzt“) stand die Bayern-Reserve auf Platz 7. Seit dem Re-Start Ende Mai sind die Münchner einsame Klasse. Die Zahlen sprechen für sich: Sechs Siege und zwei Remis in acht Spielen, die meisten Siege in der Rückrunde, die größte Offensivpower mit 72 Treffern und nicht nur gefühlt das höchste Tempo auf dem Platz. Spitze! Einziger Wermutstropfen: Die „jungen Wilden“ von der Säbener Straße dürfen nicht aufsteigen.

„Für uns Spieler ist es auch Eigenwerbung. Wir wollen weiter frechen und wilden Fußball spielen“, sagt Paul Will zu seiner Motivation. Das taten sie bei der 5:1-Gala gegen den SV Meppen auch ohne den Breidenbacher („Wir wechseln ständig durch"). Am vergangenen Samstag in Magdeburg stand der wieder in der Startformation. Nach einem 0:2-Rückstand retteten die Bayern-Bubis durch zwei Tore in den letzten fünf Minuten noch ein Unentschieden. Seit dem 2:1-Derbysieg gegen 1860 München am letzten Mittwochabend ist auch das von Sebastian Hoeneß ausgegebene Ziel, die 59-Punkte-Marke zu knacken (so viele hatte Bayern II in der 3. Liga 2008/2009 unter Hermann Gerland geholt) erreicht.

Zu einem Pflichtspieleinsatz für die erste Bayern-Mannschaft ist der 21-jährige Rotschopf und ehemalige U20-Nationalspieler, der bei in München einen Vertrag bis Juni 2021 hat, noch nicht gekommen. Im ersten Bundesliga-Punktspiel der laufenden Saison gegen Hertha BSC Berlin stand er zumindest im Kader. Bei internationalen Testspielen durfte der Breidenbacher aber schon den Duft der großen Fußballwelt schnuppern. 2019 bestritt er beim Audi-Cup in der Allianz-Arena die erste Halbzeit des Finales gegen Tottenham Hotspur. Unvergessliche Erlebnisse waren für den in Biedenkopf geborenen Hinterländer Bub 2018 die Einsätze im „International Champions Cup“. Beim 3:1-Sieg gegen Paris Saint-Germain stand er in Klagenfurt volle 90 Minuten auf dem Platz. Danach ging es mit der Truppe von Nico Kovac auf Werbetour durch die USA. Gegen Juventus Turin (0:2-Niederlage) spielte Paul Will in Philadelphia 45 Minuten, gegen Pep Guardiolas Manchester City (2:3 nach einer 2:0-Führung) in Miami 75 – und das an der Seite der Superstars Arjen Robben und Frank Ribéry. „Wahnsinn, das kann man mit nichts vergleichen. Es war unglaublich. Als junger Spieler konnte man alles aufsaugen“, erinnert sich Will, für den Robben und Ribéry extreme Vorbilder sind. „Trotz ihrer großen Erfolge waren sie auch im Training noch immer heiß auf Siege“, schwärmt er von den beiden langjährigen Bayern-Erfolgsgaranten. Ein kurzes Hallo während der USA-Reise gab es dann auch mit den Bayern-Bossen Karl Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß.

Begeistert zeigt sich Paul Will auch von Kovacs Nachfolger, Meistercoach Hansi Flick: „Er ist ein super Typ, nett und sympathisch. Hansi hat extrem viel Ahnung vom Fußball und versteht die Spieler", sagt der junge Breidenbacher über den gebürtigen Heidelberger.

Bei all dem ist Paul Will bescheiden und bodenständig geblieben. Wenn es die Zeit zulässt, ist der wohlerzogene „Jungstar“ auf Heimatbesuch in Breidenbach, wo er schon mal beim Verbandsligisten FV 09 mittrainiert.

Wird der „Sechser“ die Tradition der Hinterländer Fußballerfamilie fortsetzen? Das ist die große Frage. Fakt ist: Paul Will aus dem Perftal sucht in der „Weltstadt mit Herz“ die nächste große Herausforderung. Aber er denkt in kleinen Schritten: „Es ist immer aufregend, im Kader in der Allianz-Arena zu sitzen. Ich hoffe, dass ich mit etwas Glück bald ein paar Minuten Einsatzzeit bekommen werde“. Was nach dem 30. Juni 2021 wird, darüber mag er noch nicht nachdenken. „Ich habe einen Dreijahresvertrag und will einfach nur so viele und so gute Spiele für den FC Bayern machen, wie möglich“.



Aufrufe: 026.6.2020, 20:00 Uhr
Herbert Lenz (Hinterländer Anzeiger)Autor