2024-06-14T14:12:32.331Z

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– Foto: Steffen Beyer

„In meiner Familie ging es den ganzen Tag um Fußball“

Benedetto Muzzicato im Interview

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In der zweiten Saison als Trainer des Fußball-Regionalligisten Viktoria Berlin schickt sich Benedetto Muzzicato an, den Aufstieg in die 3. Liga zu schaffen. Unter der Führung des gebürtigen Bremerhaveners haben die Berliner vor dem Lockdown alle elf Saisonspiele gewonnen. Über die Pläne von Viktoria, in der Hauptstadt die dritte Kraft hinter Hertha BSC und dem 1. FC Union zu werden, und über seinen ehemaligen Chef Florian Kohfeldt sprach der 42-jährige Familienvater mit Dietmar Rose.

Benedetto, Sie haben mit Viktoria Berlin die ersten elf Saisonspiele in der Regionalliga Nordost gewonnen, bevor der Lockdown den Siegeszug Ihrer Mannschaft gestoppt hat. Sind Sie jetzt als Psychologe gefordert, um Ihre Spieler bei Laune zu halten? Absolut. Psychologie ist der Schlüssel im Sport, gerade auch im Fußball. Man hat es mit Menschen zu tun und kann nicht verlangen, dass die Spieler jeden Tag bei 100 Prozent sind. Das ist nicht machbar. Klar gibt es Jungs, die sich schwertun mit der Situation. Es ist bei jedem anders. Da muss man viele, viele Gespräche führen.

Hilft es da, dass Sie auf die Erfahrungen aus dem Frühjahr zurückgreifen können, als Corona schon mal alles lahmgelegt hat? Ja, das hilft schon, sonst wären wir sicher noch enttäuschter nach so einer Serie. Wir haben seit Januar 2020 eine super Entwicklung gemacht und von allen Spielen – egal ob Test-, Pokal- oder Pflichtspiele – nur zwei verloren. Dementsprechend kommen die Jungs mit Spaß zum Training, weil sie an das Projekt glauben.

Noch ist unklar, nach welchem Modus die Regionalliga-Saison fortgesetzt werden soll. Was wünschen Sie sich? Mir geht es darum, dass es fair bleibt. Andere Vereine, die weit hinten dran sind, versuchen jetzt, irgendwelche Ideen auf den Tisch zu legen, die nicht akzeptabel sind. Ich bin dafür, dass man die Hinserie zu Ende spielt, das wären bei uns noch sieben Spiele. Und dass man dann die Top-8 im Modus „Jeder gegen jeden“ Playoffs spielen lässt. Aber die Punkte müssen natürlich bleiben. Man kann ja nicht bei Null anfangen. Am Ende sollte der aufsteigen, der über die längere Distanz die meisten Punkte geholt hat.

Viktoria hat sich das Ziel gesteckt, die dritte Kraft im Berliner Fußball hinter Hertha BSC und dem 1. FC Union zu werden. Sind die Voraussetzungen dafür vorhanden? Mich hat diese Aussicht so begeistert, dass ich nach zwei erfolgreichen Jahren in Rehden nach Berlin gegangen bin. Ich bin ja noch ein junger Trainer, es ist erst meine sechste Saison. Wenn man dann die Chance erhält, so ein Projekt voranzutreiben, sollte man zugreifen. Dazu kommt, dass Viktoria ja auch eine interessante Geschichte hat. Aber es ist nicht so leicht, wie es aussehen mag. Wir sind nicht der Club, der mit dem Geld um sich schmeißt. Es gibt Regionalligisten, die definitiv mehr zahlen als wir. Man muss die Jungs anders catchen. Klar, wir sind Vollprofis, aber man wird bei uns nicht reich. Es sind andere Dinge, die überzeugender sind. Die Stadt Berlin ist natürlich ein Pluspunkt, vor allem aber die Vision, die unsere Investoren haben – mit Stadionneubau und dem Aufstieg nach und nach. Es ist Druck da, aber es ist positiver Druck.

Wenn man sich Ihren Kader anschaut, fallen schon ein paar Namen auf. Cimo Röcker zum Beispiel, der bei Werder Bremen mal als kommender Linksverteidiger galt. Wie macht er sich bei Viktoria? Cimo ist ein unfassbar guter Fußballer, der bei uns in der Innenverteidigung oder auf der Sechs spielt. Das macht er sehr, sehr gut, weil er einfach stark am Ball ist und auch gut gegen den Ball arbeitet. Er hat eine super Entwicklung bei uns gemacht. Sein Problem war, dass er früher viele Verletzungen hatte. Bei uns ist er dagegen fast immer einsatzbereit. Wir haben ihn aber nicht physisch hinbekommen, sondern mental. Wenn man Spieler besser machen will, geschieht das nicht nur auf dem Platz.

Sie haben vorhin den Druck angesprochen. Lautet die Vorgabe der Investoren, den Brüdern Karajica aus Hamburg, schon in dieser Saison in die 3. Liga aufzusteigen? Wenn man schon sein Geld rein-steckt, will man natürlich so schnell wie möglich hoch. Beide sind sportbegeistert und ehrgeizig, aber sie wissen, dass man den Aufstieg nicht erzwingen kann. Es ist alles ganz menschlich, es macht einfach Spaß. Die Aufgabe ist, die Mannschaft noch mal zu verbessern und jüngere Spieler einzubauen, die man noch entwickeln kann.

Sie haben den direkten Vergleich zwischen den Regionalligen im Norden und im Nordosten. Fühlt sich das mit traditionsreichen Clubs wie dem Chemnitzer FC, Lok Leipzig, Energie Cottbus und Carl Zeiss Jena und regelmäßigen Berichten im Fernsehen wie eine andere Welt an? Absolut. Das ist eine ganz andere Nummer. Die Regionalliga Nord war für mich eine tolle Erfahrung. Man hat gegen viele U23-Mannschaften von Bundesligisten gespielt, die sehr gut geschult und technisch stark sind. Da musst du einen anderen Fußball spielen. Bei uns in der Liga haben wir nur Herthas U23. Daher ist es bei uns mehr Männerfußball, es geht physischer zu. Es erinnert schon mehr an die Dritte Liga.

Sie haben lange als Profi gespielt, ohne den ganz großen Durchbruch geschafft zu haben. Hat Sie das für Ihre Trainerkarriere geprägt? Ich war sehr talentiert, wusste aber nicht, wie man Konstanz reinbringt. Meine Agentur, mit der ich seit 16 Jahren zusammenarbeite, hat gesagt: Muzzi, du musst in diesem Business bleiben. Wir kennen keinen anderen, der Fußball so liebt wie du. Auch in meiner Familie war das Thema dominant. Es ging eigentlich den ganzen Tag um Fußball.

Ich weiß. Ihr Vater gehört zu den wenigen Stammlesern der „Gazetto dello Sport“ in Bremerhaven. (lacht) Das stimmt. Diese rosa Zeitung.

Ihre Trainerkarriere wirkt sorgfältig geplant. Sie haben im Jugendbereich angefangen und sich dann von der Landesliga mit dem FC Oberneuland über die Oberliga mit Uphusen bis in die Regionalliga hochgearbeitet. Wo sehen wir Sie in fünf Jahren? Der Eindruck ist nicht falsch, meine Agentur plant mit mir schon sehr genau meine nächsten Schritte. Es ist aber auch ein bisschen Glück dabei gewesen. So habe ich meinen ersten Job bekommen, weil meinem Bruder Fabrizio die U17-Regionalligatruppe von Oberneuland angeboten wurde. Er hat sich das aber allein nicht zugetraut, weil die in einer Halbserie vier Trainer verschlissen hatten. Nach zwei Tagen war mir klar, dass ich das machen möchte, und wir haben mit einer Mannschaft, die mit vier Punkten Tabellenletzter war, in der Rückrunde noch 25 Punkte geholt. Daraufhin bin ich Co-Trainer von Florian Kohfeldt bei Werder Bremens U15 geworden. Florian ist dann ja als Co-Trainer zu Viktor Skripnik gegangen, und dann haben sie es Markus Fila und mir in die Verantwortung gegeben. Für mich stand aber sehr schnell fest, dass ich mich im Jugendbereich nicht so wohlfühle. Deshalb habe ich Günter Herrmanns Angebot angenommen, nach Oberneuland zu gehen.

Florian Kohfeldt ist ein gutes Stichwort. Wird es für Ihre alte Liebe, den SV Werder, wieder eine Zittersaison? Ich hoffe nicht. Ich halte viel von Florian. Auch wenn wir nur drei Monate zusammengearbeitet haben, habe ich viel von ihm gelernt. Er ist vom Wissen her sehr stark und kommt gut rüber. Ich würde es Werder wünschen, dass sie es leichter haben. Nicht nur für den Club, sondern auch für die Stadt. Das Potenzial ist da, ich finde den Kader gut.

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Aufrufe: 031.12.2020, 11:00 Uhr
/ Nordsee-Zeitung / Dirk RoseAutor