2024-05-02T16:12:49.858Z

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Oft sieht man Heinz Hungerbühler (links) um die Mittagszeit entspannt zusammen mit UTSG-Edelfan Günter Hofmann in einem Usinger Café.	Foto: Stalter
Oft sieht man Heinz Hungerbühler (links) um die Mittagszeit entspannt zusammen mit UTSG-Edelfan Günter Hofmann in einem Usinger Café. Foto: Stalter

In geheimer Mission für die UTSG unterwegs

+++ Heinz Hungerbühler prägte durch sein Engagement hinter den Kulissen einen wichtigen Abschnitt der Geschichte der Usinger Fußball-Abteilung +++

Usingen. Er selbst hat nie Fußball gespielt. Auch war Heinz Hungerbühler bei der Usinger TSG nie offiziell ehrenamtlich tätig. Dennoch hat der heute 90-Jährige den Aufschwung des Usinger Fußballs zu Beginn der 70er-Jahre bis weit in die 90er-Jahre mit geprägt. Wie ist denn das zu verstehen?

Nach dem Aufstieg der Usinger TSG im Jahr 1971 in die Bezirksklasse – heutige Gruppenliga – begann auch in der Buchfinkenstadt in Sachen Amateurfußball eine neue Zeitrechnung. Erstmals wurde von der Usinger TSG ein Spieler mit einem finanziellen Begehren nach Usingen geholt. Walter Jung hieß der Akteur, der beim TuS Altweilnau ein erfolgreicher Torjäger war. Sponsoren oder Werbepartner gab es zu dieser Zeit für die Usinger Fußballer noch nicht. Heinz Hungerbühler, der studierte Diplom-Betriebswirt, angestellt bei der Oberfinanzdirektion als Prüfer der Deutschen Bank, nahm sich im Hintergrund dieser neuen Problemstellung an.

Er erinnert sich: „Nach dem Aufstieg aus der damaligen A-Klasse in die Bezirksklasse betraten wir in Sachen Fußball und Geld Neuland. Da waren unsere künftigen Gegner aus Frankfurt schon einen Schritt weiter. Die damalige Usinger Mannschaft musste nach dem Aufstieg personell mit fußballerischer Qualität verbessert werden. Gutes Zureden reichte da nicht mehr, um einen interes-santen Spieler nach Usingen zu locken. Gönner mussten gefunden und überzeugt werden, um in bescheidener Weise auch sportlich konkurrenzfähig zu sein. Diese Aufgabe habe ich dann für gut 25 Jahre im Hintergrund übernommen. Jung von Altweilnau war der erste Transfer, den ich zusammen mit dem damaligen UTSG-Abteilungsleiter Dieter Dörr eingeleitet und auch noch selbst aus eigner Tasche unterstützt habe.“ Schon zwei Jahre, später – im Jahr 1973 – gelang der Usinger TSG der Aufstieg in die Verbandsliga, damals die vierthöchste Spielklasse beim Deutschen Fußballbund. Das bedeutete aber auch, dass die finanziellen Aufwendungen noch größer wurden und gute Spieler aus dem weiteren Umfeld angesprochen werden mussten. Auch diese Aufgaben übernahm wieder Hungerbühler.

Dörr sagt: „An einem Samstagnachmittag kam der Heinz zu mir. Ich saß gerade in der Badewanne. Das hielt ihn aber nicht davon ab, mir im Bad mit bestimmender Wichtigkeit von einem Spieler zu erzählen, den man unbedingt ansprechen und für die Verbandsliga-Mannschaft verpflichten müsste. Der Spieler würde in Gambach wohnen und er könnte das sofort übernehmen. Ich sagte Heinz, dass er sich auf die Socken ma-chen soll und sehen soll, was sich machen lässt. Der Heinz saß dann tatsächlich am Sonntagmorgen bei Günter Emrich in der Wohnung.“

Emrich erinnert sich: „Das war mit dem Heinz ein tolles Gespräch. Da hat gleich die Chemie gestimmt. Ich war von diesem Menschen enorm beeindruckt und fühlte mich schon vor dem Wechsel nach Usingen gut aufgehoben.“ Die „Emma“ (wir porträtierten ihn in einer vergangenen Folge dieser Serie) wurde verpflichtet und stellte sich als „Königstransfer“ heraus, das heißt, er war in jeder Hinsicht ein Gewinn für die Aufstiegsmannschaft, sowohl in sportlicher wie auch in menschlicher Hinsicht.

Da Emrich nach nur einer Spielzeit zum Hessenligisten VfB 1900 Gießen wechselte, konnten die getätigten finanziellen Aufwendungen in vollem Umfang ausgeglichen werden.

An einen weiteren, aber auch etwas lustigen Transfer erinnert sich der spätere Abteilungsleiter und Spielausschussvorsitzende Karl-Hans Engel: „Klaus Rauch, damals beim Hessenligisten FC Hochstadt aktiv, wurde von Heinz angesprochen. Der Spieler zeigte Interesse und akzeptierte die Vereinbarungen, die in der Gaststätte ,Zur goldenen Sonne’ mit Unterschrift zum Vereinswechsel auch dokumentiert wurden.“ Doch Rauch unterschrieb zunächst ohne Wissen der UTSG-Verantwortlichen wenig später auch beim damaligen Bayernligisten VfB Coburg, der jetzt von der UTSG die Freigabeerklärung verlangte. Das war ein Fall für Hungerbühler, der den Spieler nach Usingen lotste. Rauch musste eine Abstandszahlung von 1000 DM leisten und beim Treffen die Rechnung in der Gaststätte auch noch übernehmen.

In den folgenden Jahren sorgte Heinz Hungerbühler weiter immer wieder für die wirtschaftliche Balance, die im gehobenen Amateurbereich auch schon damals notwendig war. Er setzte aber auch auf anderen Spielfeldern rund um den Usinger Fußball Duftmarken. Die „graue Eminenz“ war für die UTSG auch Bindeglied zum Deutschen Fußballbund, zum Kreisfußballwart sowie zum Rechtsausschuss und drehte bei Bedarf dank seiner guten Beziehungen auch an der einen oder anderen Stellschraube. Selbst die Formalitäten bei Spielerpassangelegenheiten anlässlich von Vereinswechseln erledigte er über zwei Jahrzehnte im Sinne der Usinger TSG.

Bei der Passstelle des Hessischen Fußballverbandes in Frankfurt hatte der Name Hungerbühler noch viele Jahre nach seinem Ausscheiden Gewicht. Er war auch aktiv bei der Trainersuche, unter anderem lotste er mit Engel zusammen den ehemaligen Bundesligaspieler Walter Bechtold als Spielertrainer nach Usingen. Zwischen Team und Trainer schaffte er auch oft ausgleichende Momente.

Selbst als Zuschauer war er umtriebig. Im Jahr 1984 spielte die Usinger TSG vor eigenem Publikum in der Gruppenliga gegen den SV Nieder-Florstadt. Beim Spielstand von 3:3 wurde der UTSG in der Nachspielzeit noch ein Eckball zugesprochen. Doch der Unparteiische wollte gemäß seiner Körpersprache diesen Eckball eigentlich nicht mehr ausführen lassen, auch weil der Spielball weit hinter dem gegnerischen Tor lag. Doch Hungerbühler intervenierte beim Linienrichter und holte mit schnellen Schritten den Ball und übergab das Spielgerät an Michael Pippinger, der den Eckball sofort hoch vor das Tor der Gäste spielte. Michael Schütrümpf, später lange Jahre Spielausschussvorsitzender der UTSG, erinnert sich: „Das war wirklich der Wahnsinn. Der Ball kam hoch herein und ich erzielte mit dem Kopf in buchstäblich letzter Sekunde den 4:3-Siegtreffer, auch dank der Lauffreudigkeit von Hungerbühler.“

Heinz Hungerbühler wurde während „seiner Amtszeit“ von den Verantwortlichen und der UTSG-Fangemeinde auch liebevoll „Columbo“ genannt, denn er erinnerte oft in seinem Auftreten mit seinem Mantel an den unkonventionellen Polizisten von der Mordkommission Los Angeles – Schauspieler Peter Falk –, der mit seinem zerknautschten Trenchcoat in der gleichnamigen Fernsehserie die noch so schwierigsten Fälle auf eine etwas andere Weise löste und dabei immer von seinem Gegenüber unterschätzt wurde. Dieser Beiname für Heinz sollte seinen eigentlichen Namen an Witz übertreffen und damit seine „Schlitzohrigkeit“, Scharfsinnigkeit und geistige Beweglichkeit auch etwas humorvoll zum Ausdruck bringen.

Und was macht „Columbo“ heute? Hungernühler, der am 18. Mai bei bester Gesundheit seinen 90. Geburtstag feierte, ist natürlich Rentner. Mit Ehefrau Brigitte ist er mehr als 50 Jahre verheiratet, zur Familie gehören zwei Kinder und fünf Enkel. Er selbst interessiert sich für Literatur, Geschichte und Musik. Manchmal spielt er Klavier, gerne besucht er auch seine Kinder und Enkel in Stuttgart oder der Schweiz. Zu Spielen der UTSG geht er nicht mehr regelmäßig, da ihn das zu sehr aufregt. Oft sieht man Hungerbühler um die Mittagszeit zusammen mit UTSG-Edelfan Günter Hofmann, der seit Jahrzehnten jedes Meisterschaftsspiel der UTSG auch in der Fremde besucht, im Usinger Kaffeehaus „Keth“. Hofmann zur Person Hungerbühler: „Während meiner Ausbildung zum Schlossermeister im Jahr 1964 hat mir der Heinz an der Berufsschule in Usingen das Steuerwesen gelehrt. Heute sehen wir uns fast täglich. Er ist ein angenehmer Zeitgenosse und weiß immer gute Geschichten aus der Vergangenheit zu erzählen. Ich kann mich erinnern, dass er für die UTSG immer in geheimer Mission unterwegs war. Er hat auch heute noch einen wachen Geist, unterschätzen darf man ihn immer noch nicht.“

Gemäß den Aussagen vieler Zeitgenossen war Heinz Hungerbühler im Rahmen seiner Tätigkeit immer zuverlässig, verschwiegen und manchmal auch in der „Grauzone“ zu Schandtaten bereit. Tatsache ist, dass er in einer bestimmten Weise durch seine Person auch einen Zeitabschnitt bei der UTSG geprägt hat, der heute so nicht mehr vorstellbar ist. Für die Belange der UTSG war er ein Mann mit „Power“, hartnäckig, dabei in seiner Art eher bescheiden und auch charmant, aber immer mit zielführenden Gedanken.



Aufrufe: 01.6.2019, 14:00 Uhr
Wolfgang Stalter (Usinger Anzeiger)Autor