2024-06-14T06:55:53.576Z

Allgemeines
Peter Nagel, Trainer der Fußballer des FC Burgsolms und Betreiber eines Gesundheitsstudios, beutelt die Corona-Krise gleich in mehrfacher Hinsicht. 	Foto: Martin Weis
Peter Nagel, Trainer der Fußballer des FC Burgsolms und Betreiber eines Gesundheitsstudios, beutelt die Corona-Krise gleich in mehrfacher Hinsicht. Foto: Martin Weis
VR Bank Bodensee-Oberschwaben

»Ich vermisse mein Trainerdasein«

TRAINER :+++ Die Corona-Krise bereitet Peter Nagel sowohl im Job als auch im Sport Sorgen +++

Solms-Burgsolms. Durch die Corona-Krise hat Peter Nagel eine für sich selbst auferlegte Regel gebrochen: Erstmals in seiner Laufbahn ist der Fußball-Trainer des FC Burgsolms einer WhatsApp-Gruppe seiner Mannschaft beigetreten.

Das hat der Diplom-Sportwissenschaftler aber aus gutem Grund getan. Denn jeden Freitagmorgen fragt er im gemeinsamen Chatverlauf nach, wie es seinen Spielern geht. „Das ist mir sehr wichtig. Die Jungs sollen wissen, dass der Verein und ich für sie da sind“, betont er.

Dabei hat Nagel im Moment auch eigene Sorgen. Der teuflische Virus hat dafür gesorgt, dass der 56-Jährige sein Gesundheitsstudio in Biskirchen, den Quellenhof, für seine Kunden schließen muss. Kein Wunder also, dass er von der „bisher schwersten beruflichen Zeit“ seiner Karriere spricht. „Ich habe mir hier nach meinem Studium vor 29 Jahren etwas aufgebaut. Habe einen Stamm an Kunden. Natürlich ist es jetzt nicht einfach, weil wir vor einer ungewissen Zukunft stehen.“

Vier Festangestellte beschäftigt der Reha-Trainer in seinem Studio im Leuner Ortsteil. Für den Monat März hat er ihnen noch das volle Gehalt zahlen können, ab April meldet er jedoch Kurzarbeit für sie an. „Das tut mir persönlich weh. Denn wir sind eine eingeschworene Truppe, die seit Jahren so zusammenarbeitet.“ Aber auch in schweren Zeiten kann er sich auf seine Mitarbeiter, die Nagels Entscheidung mittragen, verlassen. Ohnehin: Dass die Regierung solche Maßnahmen getroffen hat, akzeptiert der 56-Jährige anstandslos. „Wir müssen verantwortungsbewusst handeln. Es ist der einzig richtige Entschluss.“

Zudem sieht es so aus, als hiellten Patienten und Kunden ihm die Treue. Denn immer wieder führen Nagel und sein Personal Telefongespräche mit ihnen. Das Ergebnis: Noch niemand hat seine Mitgliedschaft gekündigt. Im Gegenteil: Per Fax trudelte sogar eine Verlängerung bei Nagel ein. Nur: Neue Kunden zu gewinnen, ist aktuell unmöglich.

Zudem bricht dem Diplom-Sportwissenschaftler eine weitere Einnahmequelle weg. Bei den Zweitliga-Handballern des TV Hüttenberg arbeitet er als Reha-Coach. Doch da der Trainingsbetrieb beim TVH ruht, wird Nagel im Moment nicht gebraucht. „Die Verantwortlichen dort haben aktuell aber ganz andere Sorgen. Ich bin nun im 13. Jahr dort. Wir werden schon eine Lösung finden“, betont der Tiefenbacher.

Das gilt auch für seinen Job als Übungsleiter des Fußball-Gruppenligisten FC Burgsolms. Seine Mannschaft, die ohnehin nur eine minimale Aufwandsentschädigung erhält, hat bereits angekündigt, für April kein Geld haben zu wollen. Auch A-Lizenz-Inhaber Nagel, der beim FCB diverse Jugendteams betreute und seit sieben Jahren erfolgreich für den Club arbeitet, zeigt sich gesprächsbereit. Er sagt aber auch: „Die Verantwortlichen wissen, was sie an mir haben. Aber in diesen schweren Zeiten brauche auch ich Sicherheiten.“

Dem Trainer schwebt daher ein anderes Modell vor. Denn gerne sei er bereit, zu einem späteren Zeitpunkt auf ein Teil seines Gehaltes zu verzichten beziehungsweise sich mit einer krisenbedingten Teilzahlung zu begnügen. „Da bin ich der Letzte, der Nein sagt“, so Nagel, der um Verständnis bittet: „Ich denke, jeder Club sollte das individuell mit seinem Trainer besprechen. Es ist doch klar, dass ein Coach, der zum Beispiel Lehrer ist, auch mal auf sein Gehalt als Übungsleiter verzichten kann – und andere dagegen nicht.“

Verzichten muss der 56-Jährige aktuell auf etliche Kunden. Immerhin: Profisportler mit einem Sportunfall kann er noch per Einzeltraining im Quellenhof und natürlich nur unter den vorgegebenen Richtlinien betreuen. Die Berufsgenossenschaft übernimmt die Kosten. Häufig geht er mit seinem Schützling aber auch in den Wald zum Laufen. Den Spielern des FC Burgsolms hat er ebenfalls einen Plan zukommen lassen, damit diese fit bleiben, wenn die Saison weitergeht.

Aber geht sie überhaupt weiter? Daran glaubt Nagel nicht. „Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.“ Sein Wunsch: Die aktuelle Tabelle solle Gültigkeit haben. Absteiger dürfe es nicht geben. Wer einen Aufstiegsrang belegt, solle auch die Möglichkeit haben, eine Klasse nach oben zu dürfen.

Eine Prognose für eine mögliche Öffnung seines Gesundheitsstudios möchte er dagegen nicht abgeben: „Die Corona-Krise ist eine langfristige Geschichte. Wir brauchen Sebstdisziplin, schnellere Tests und einen Impfstoff. Doch ich habe Vertrauen in unsere Wissenschaftler. Wir haben hier in Deutschland kluge Köpfe“, so Nagel, der aber auch nachdenklich hinterher schiebt: „Ich als Selbstständiger als auch die Vereine fangen alle bei null an. Nichts wird mehr sein, wie es mal wahr.“

Und so bleibt dem Reha-Trainer nichts anderes übrig, als die tägliche Büroarbeit zu verrichten und als willkommene Abwechslung das Einzeltraining fortzusetzen. „Das holt mich wenigstens ein Stück weit in den Alltag zurück. Ich vermisse mein Trainerdasein extrem“, sagt Peter Nagel, der wohl sicherlich nichts dagegen hätte, so früh wie möglich wieder aus der WhatsApp-Gruppe austreten zu können.



Aufrufe: 029.3.2020, 18:30 Uhr
Tim Straßheim (WNZ)Autor