2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
– Foto: www.paulmedia.lu (Archiv)

Holtz: „will mir nicht in meine eigene Tasche lügen“

Das große FuPa-Interview mit Nationaltrainer Luc Holtz +++ Teil 2 heute: die Sportlobby in Luxemburg und die Ziele in der WM-Qualifikation

Vergangene Woche führte FuPa Luxemburg ein ausführliches Telefoninterview mit Nationaltrainer Luc Holtz.

Die erwähnten Leistungsunterschiede geben Ihnen in einer gewissen Hinsicht Recht, vermehrt auf die Auslandsprofis zu setzen. Es gibt ja auch Stimmen, die darauf verweisen, dass die BGL Ligue in den vergangenen Jahren besser geworden ist. Damit geht aber oft die Kritik einher, Sie müssten mehr Spieler aus der heimischen Liga in die Nationalelf berufen.

Ich will mir nicht in meine eigene Tasche lügen! Das stellt nämlich nicht die Realität dar! Wir können uns auf der einen Seite doch nicht professioneller aufstellen und uns weiterentwickeln wollen und auf der anderen Seite haben wir dabei nur die wirtschaftliche Situation und das Drumherum im Blick und nicht das, was auf dem Spielfeld passiert. Professionell bedeutet doch, dass wenn es auch wirtschaftlich schwieriger ist, alles daran zu setzen, um weiterspielen zu können. Je länger z.B. auch unsere Nachwuchsspieler keinen Sport betreiben können, desto langsamer geht auch ihre Entwicklung voran. Und wenn man eine solche langsame Entwicklung in Kontrast mit den Spielern im Ausland setzt, kann man sich vorstellen, wie es in den kommenden Monaten oder gar Jahren aussehen wird!


Diese Einschränkungen wurden ja von der Regierung beschlossen. Um solchen Problemen entgegen zu wirken, muss der Sport allgemein eine andere Lobby bekommen. Es ist ja nicht nur der Fußball davon betroffen.

Da sind wir jetzt bei einer anderen Diskussion, zu der ich in der Vergangenheit auch schon meine Meinung geäußert hatte. Für mich reicht eine Stunde Sport in den Schulen bei Weitem nicht aus und Sport ist für die kognitiven Fähigkeiten sehr wichtig. Und wenn man die aktuelle sanitäre Situation betrachtet, könnte man die Krankenkassen z.B. entlasten, da Sport die Gesundheit fördert. Das liegt nicht nur auf der Hand, sondern ist mittlerweile auch wissenschaftlich nachgewiesen. Im Moment könnte man den Sport viel mehr fördern und die Menschen auffordern, sportlich aktiv zu werden. Viele Sportler, die Covid positiv waren, hatten einen leichteren Verlauf und waren resistenter. Deshalb wäre es für mich wichtig, den Sport gerade jetzt weiter zu fördern und die Menschen aufzufordern, Sport zu treiben, anstatt ihn zu verbieten.


Zurück zur WM-Quali: in einem weiteren Interview sprach FLF-Präsident Paul Philipp letztens davon, dass sechs bis acht Punkte ein realistisches Ziel seien. Was sagt der Trainer dazu? Was sind Ihre Zielsetzungen?

(lacht) Ich bin froh, dass unser Präsident so ambitiös ist, mittlerweile so viele Punkte als Ziel vorgeben zu können! Ich finde es durchaus wichtig, eine Zielsetzung zu haben. Meinen Spielern gebe ich aber sehr selten eine konkrete Zahl an Punkten vor, sondern die Zielsetzung an sich ist eher leistungsbezogen. Die Leistung ist für mich nämlich das Wesentliche. Viele sagen ja, der Fußball sei eine Art „Ergebnissportart“, das sehe ich aber anders. Für mich ist er auch ein Unterhaltungssport. Wir müssen den Menschen etwas bieten und sehr oft ist es ja dann so, dass gute Leistungen auch irgendwann mit positiven Resultaten belohnt werden. Unsere Gruppe ist natürlich sehr schwer, Serbien, Portugal und auch Irland müssten uns eigentlich überlegen sein, auch wenn die Iren „nur“ ein Lostopf über uns waren. Mit dem Aserbaidschan werden wir uns auf Augenhöhe bewegen, gegen den werden wir auch versuchen, unsere Punkte zu holen.

Eine Zielsetzung von vier bis sechs Punkten scheint mit realistisch zu sein. Und auch in der WM-Qualifikation wird es so sein, wie in der Nations League: sind wir komplett, werden die Ansprüche andere sein, als wenn uns fünf, acht oder noch mehr Spieler fehlen werden. Man muss von Spiel zu Spiel schauen. Wir werden natürlich versuchen, gegen jeden Gegner Punkte zu holen, aber damit der Würfel gegen einen der erwähnten drei starken Gegner mal zu unseren Gunsten fällt, muss Vieles passen: wir dürften keine Ausfälle haben, wir müssten einen guten Tag erwischen und der Gegner einen etwas schlechteren. Dann könnte es zu unseren Gunsten laufen! Leider sind wir aber nicht in einer Sechsergruppe...


… wenn man Katar nicht mit einrechnet, der der Gruppe A als fester Testspielgegner zugeordnet wurde. Was ist Ihre Meinung dazu?

Für mich ist das ja kein Qualifikationsspiel. Ich betrachte es als ein Freundschaftsspiel, man kann es jetzt aber nennen, wie man will. Entsprechend werden wir die Partien gegen Katar auch angehen. Man kann die eine oder andere Sache in diesen Partien testen.


Ähnlich wie zuvor die Begegnungen gegen Liechtenstein und Österreich während der Nations League?

Ja, genau. Ich denke, dass die Qualität Katars auch viel höher ist als wenn wir in einer Sechsergruppe einen Gegner aus dem sechsten Lostopf erhalten hätten. Aber eigentlich ist mir Katar jetzt nicht so wichtig. Ich befasse mich jetzt schon mit der Analyse der „richtigen“ Gegner, Irland z.B., das unser erster Gegner sein wird. Im heutigen Fußball liegt der Schwerpunkt ja auf der Intensität, sei dies in Zweikämpfen, in den Läufen, beim Pressing usw. Wir müssen uns auf ein Level bringen, dass wir in dem Bereich rivalisieren können. Man kann nicht mit nur achtzig oder neunzig Prozent agieren, sonst hat man nicht die geringste Chance. Die Iren haben viel Wucht in ihrem Spiel, die werden keine Minute nachlassen und marschieren von der ersten bis zur letzten Spielminute. Dazu agieren sie nicht mehr wie früher mit langen Bällen. Man versucht durchaus, Fußball zu spielen und dies mit den athletischen Voraussetzungen, über die sie verfügen und bei denen sie uns sicherlich überlegen sein werden. Um dem entgegen zu treten, müssen wir unsere Spielkultur beibehalten, wohlwissend, dass wir ebenfalls eine höhere Intensität an den Tag legen müssen.


Im Sommer verlässt Reinhold Breu die FLF, Manuel Cardoni wird sein Nachfolger. Wird diese wichtige Änderung im Nachwuchsbereich etwas an Ihrer Arbeit ändern?

Kurzfristig hat diese Änderung keine Auswirkungen auf meine Arbeit. Die Nachwuchsspieler, die z.Z. schon für die A-Auswahl in Frage kommen, sind ja schon im Profibereich unterwegs, auch wenn ich immer wieder versuche, Jugendspieler mit einzubinden. Dies wird ihnen meiner Meinung nach in der Weiterentwicklung helfen. Aber ob Manu (d.Red.: Manuel Cardoni) oder Reinhold jetzt Sportdirektor im Nachwuchsbereich ist, wird sich wohl erst mittelfristig auf meine Arbeit auswirken. Die Spieler, die nachkommen werden, werden ja irgendwann an die Tür zur A-Mannschaft anklopfen. Kurzfristig ändert sich aber wie gesagt kaum etwas für mich.


Herr Holtz, vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft und bleiben Sie gesund!



Aufrufe: 017.1.2021, 11:00 Uhr
Paul KrierAutor