2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
– Foto: www.paulmedia.lu (Archiv)

Holtz: „Kiki Martins nicht eins zu eins zu ersetzen“

Das große FuPa-Interview mit Nationaltrainer Luc Holtz +++ Teil 1 heute: was wurde aus der Nations League zurückbehalten?

Vergangene Woche führte FuPa Luxemburg ein ausführliches Telefoninterview mit Nationaltrainer Luc Holtz.

Herr Holtz, als erstes möchten wir Ihnen ein frohes neues Jahr wünschen! Sind Sie und Ihre Familie gesund durch das Corona-Jahr 2020 gekommen?

Danke für die Neujahrswünsche, diese gebe ich dann auch gleich zurück! Ich denke dass auch wir aufgrund der Situation etwas gelitten haben. Meine Kinder fragen mich des Öfteren, wie lange sie noch mit einer Maske zur Schule gehen müssen oder wie lange sie sie überhaupt noch tragen müssen. Das Beste war aber die Frage, ob sie die Maske auch noch zu ihrer Hochzeit tragen müssen! (Lachen) Aus der Hinsicht war es nicht so einfach, aber es gibt Menschen, die es mit Sicherheit schlimmer getroffen hat als uns! Bei uns in der Familie gab es noch keinen Infizierten. Auf der anderen Seite kann man die Bevölkerung natürlich ständig dazu auffordern, ausdauernd zu sein, man sei schließlich in einer Art Marathon. Doch irgendwann wird jeder einmal müde. Man kann Vieles von den Menschen verlangen, aber ab einem bestimmten Punkt reicht es dann.


Auf halben Weg zwischen Nations League und WM-Quali wollen wir erst zurück auf den erstgenannten Wettbewerb schauen. Was haben Sie zurückbehalten?

Die Nations League stellte eine gewisse Unbekannte dar, weil wir uns als Mannschaft fast ein Jahr lang nicht mehr gesehen hatten. Als es dann losging, wusste man absolut nicht, wo man stand! Global habe ich zurückbehalten, dass wir uns sehr gut präsentiert hatten, besonders im Vergleich mit anderen Nationen, die durchaus Schwierigkeiten hatten, die Nations League zu bestreiten. In unserer Gruppe hätte man sowohl Erster als auch Letzter werden können. Es bestätigte sich aber das, was ich bereits im Vorfeld der Nations League sagte, nämlich, dass Montenegro der große Favorit auf den Gruppensieg sei.

Dann habe ich zurückbehalten, dass die Leistungen in den beiden ersten Begegnungen im September, als wir fast komplett waren, die besten waren. Wenn man auf die Statistiken zurückschaut, waren wir für unsere Verhältnisse auf einem extrem hohen Niveau unterwegs. Bei der 0-1 Niederlage gegen Montenegro hatten wir z.B. rund zwanzig Mal auf das gegnerische Tore geschossen, der Gegner dagegen nur zweimal! Wir zeigten ein sehr hohes Niveau gegen den späteren Gruppensieger. Eine solche Leistung konnte man aber nicht über die Dauer einer ganzen Kampagne verlangen. Es werden immer Höhen und Tiefen kommen, sei dies während einem Spiel oder aber auch während einem Turnier. Im abschließenden Spiel gegen den Aserbaidschan fehlten uns z.B. zehn Spieler und das konnten wir nicht kompensieren.


Sie sprechen die Ausfälle an. Wie sehr hat z.B. Christopher Martins in den vier letzten Spielen gefehlt?

Im Herz des Spiels ist er unser Meisterstück! Er ist ein Profilspieler, den wir so nicht eins zu eins ersetzen können. „Kiki“ bringt sämtliche Qualitäten mit, er ist athletisch, groß gewachsen, dynamisch auf den ersten Metern und über die lange Distanz, er ist sehr ballsicher und ist beidfüßig. Er bringt auch noch eine Persönlichkeit mit, die uns als Mannschaft hilft. In schwierigen Momenten und Drucksituationen bleibt er ruhig, er behält den Ball in Situationen in denen ein anderer Spieler ihn vielleicht nicht behält. Es gibt eine Mannschaft mit „Kiki“ und eine ohne ihn!

Im Oktober holten wir gegen Zypern und Montengro insgesamt sechs Punkte ohne Christopher Martins! Rein leistungsbezogen taten wir uns in diesen Begegnungen aber schwerer, insbesondere während des Heimspiels gegen Zypern. Da hatten wir das nötige Quäntchen Glück auf unserer Seite. Die Partie in Montenegro war etwas speziell durch wetterbedingte Umstände und einen sehr schwer bespielbaren Platz. Taktisch lieferten wir dort aber eine Meisterleistung ab. Auf Zypern folgte dann zwar eine vernünftige Leistung, das Spiel wurde aber von Umständen begleitet, die ja hinlänglich bekannt sind. Leider hing der Gruppensieg davon ab! Wir mussten dort schon auf einige wichtige Spieler verzichten, genau wie bereits erwähnt beim Abschluss gegen den Aserbaidschan. Mit einer kompletten Mannschaft kann man eine gewisse Erwartungshaltung haben, wenn wir nicht komplett sind, sind die Ansprüche und Erwartungen dagegen andere. Wenn verschiedene Leistungsträger fehlen, macht dies einen großen Unterschied aus!


Im März beginnt die WM-Qualifikation. Sie sind wahrscheinlich heilfroh, dass eine Vielzahl Ihrer Spieler im Ausland tätig ist und somit Spielpraxis bekommt im Gegensatz zu den Nationalspielern, die bei Clubs aus der BGL Ligue tätig sind.

Das ist ein Punkt, der unbedingt angesprochen werden muss! Ich muss mich ja auf das stützen, was auf dem Platz geschieht. Bei einem BGL-Ligue-Spieler kann ja z.Z. keine Entwicklung stattfinden, so wie die Umstände sind. Da gibt es eine Stagnation, wenn nicht sogar eine Rückentwicklung. Wie viele Spiele hat die BGL Ligue in den vergangen zehn Monaten absolviert?


In einem Interview sprach FLF-Präsident Paul Philipp vergangene Woche von einem Spiel pro Monat im Schnitt.

Wenn ich das nun z.B. mit Irland, unserem ersten Gegner in der WM-Qualifikation, vergleiche, wo die meisten Spieler in der englischen Premier League oder Championshop aktiv sind, dann haben diese dann in einem Monat so viele Partien absolviert wie Spieler aus der BGL Ligue in einem Jahr! Das ist eine riesige Diskrepanz! Ich spreche jetzt nur aus der sportlichen Sicht. Es liegt auf der Hand, dass ein Spieler, der nur eine Begegnung im Monat absolviert hat, sich nicht entwickeln kann. Je länger man ohne Spielpraxis ist, umso länger braucht man um auf sein vorheriges Spielniveau zurückzugelangen. Diese Schere klafft immer weiter auseinander.


Solche Spieler, wie z.B. Stefano Bensi, Ralph Schon und der zuletzt starke Edvin Muratovic, sitzen seit Monaten quasi auf dem Trockenen. Zwar soll die BGL Ligue Anfang Februar wieder anfangen, doch wie realistisch ist die Chance, dass solche Spieler mehr als nur Sparringspartner in Ihrem Team sein werden, wenn die Vorbereitung auf die WM-Qualifikation beginnt?

Der Leistungsunterschied wird wie gesagt immer größer. Je länger wir hier im Sparmodus leben, desto weiter wird sich die erwähnte Schere öffnen. Das ist für solche Spieler dann natürlich schwierig, um konkurrenzfähig mit unseren Auslandsprofis zu bleiben. Ich beobachte das im gebotenen Respekt zur sanitären und wirtschaftlichen Situation, die bei vielen luxemburgischen Vereinen schwieriger werden wird. Doch ich muss mich ja für das Geschehen auf dem Platz interessieren und das kann und muss ich beurteilen. Und in der Hinsicht muss ich festhalten, dass je länger eine Meisterschaft hier unterbrochen ist, desto schwieriger wird es für solche Spieler, in kommenden Begegnungen im Kader zu sein. Dies ist dann durch die immer größer werden Leistungsunterschiede zu erklären.

Aufrufe: 016.1.2021, 10:00 Uhr
Paul KrierAutor