Der 1. SC Feucht gewinnt mit 2:0 gegen die JFG Franken Jura. Gia Corley hat ein paar gute Szenen, die von ihr ausgeführten Eckstöße fliegen präzise und scharf in den Strafraum. Vor dem Tor fehlt ihr zweimal ungefähr ein halber Meter zum persönlichen Erfolgserlebnis. Gegen die überwiegend größeren Jungs.
Erst in dieser Saison hat Gia Corley das erste Mal offiziell gegen Mädchen Fußball gespielt. Bayern München hat sich das Zweitspielrecht gesichert und die Nürnbergerin hin und wieder in der U17-Bayernliga eingesetzt. „Im ersten Spiel hat sie gleich ein Tor geschossen“, erzählt Mutter Cornelia stolz, selbst in der U15-Nationalmannschaft läuft es wie geschmiert für Gia: „Sechs Länderspiele, zwei Tore.“ Als Gia Corley gegen die JFG Franken Jura ausgewechselt wird, klatschen die meisten der etwa 50 Zuschauer hinter der Haupttribüne, „gut gemacht, Mausi“ ruft ein weiblicher Fan quer über den Platz. Es könnte im vorletzten Saisonspiel bereits der letzte Auftritt von Pia Corley im Trikot des 1. SC Feucht gewesen sein.
„Irgendwas ist“, glaubt sich Trainer Stefan Hampl später zu erinnern. Er meint nächsten Samstag, den letzten Spieltag. Wobei eigentlich immer irgendwas ist im Leben von Gia Corley. Irgendwas mit Fußball. Künftig siebenmal Training pro Woche, allein dreimal vormittags in der Brecht-Schule. Außerdem am Stützpunkt. Beim SC Feucht. Auf Sichtungen und Lehrgängen der DFB- und Bayern-Auswahl. Plus regelmäßig zwei Spiele am Wochenende.
2016/2017 wird Gia Corley für die U17-Bundesligaelf des FC Bayern auflaufen. Im Mai ist sie 14 geworden. Ihr Wechsel zu den Jungs der JFG Wendelstein steht ebenfalls schon länger fest, Bayernliga Nord, „und wenn die absteigen, spielen wir halt noch ein Jahr Bezirksoberliga, das wäre auch okay“, sagt Cornelia Corley, so etwas wie die Karriereplanerin der begabten Filia. Leistungstests beim DFB hätten ergeben, dass Gia auf den ersten Metern die Schnellste ist in der deutschen Auswahl. Bei einem Sichtungsturnier vor einem Jahr in Duisburg haben sie Gia Corley zur besten Spielerin des Turniers gewählt, aus 22 Ländermannschaften. Hoffenheim und Jena wollten sie. Aber Gia möchte eigentlich gar nicht weg.
Wie gut sie tatsächlich ist und vielleicht noch werden kann, lässt sich gerade schwer sagen. Körperlich stößt sie gegen gleichaltrige oder häufig sogar ältere Jungs allmählich an ihre Grenzen. Früher war das alles anders. Daheim in Regensburg, erzählt die Mutter, sei Gia „immer wieder auf eigene Faust“ rüber zu den Plätzen der Fortuna, wo die Buben bolzten. Mit ihren damals noch ganz kurzen Haaren hielt sie niemand für ein Mädchen. Erst recht nicht, wer sie spielen sah. Mittlerweile lebt sie für den Fußball. Playstation? „Gia“, sagt ihre Mutter, „geht lieber mit dem Ball raus“.
Beim 1. FC Nürnberg, in der weiblichen U13, fühlte sich Gia nicht besonders wohl. Bei einem Hallenturnier erzielte sie ein spektakuläres Tor, mit elf, seitdem ist sie die jüngste Gewinnern in der Geschichte des „Bayern-Treffers“. Die Club-Trainer bescheinigten ihr Talent, den Durchbruch schaffte sie aber erst in der nächsten Saison, beim SC Feucht. Unter Jungs.
Zur Welt gekommen ist Gia Corley in Tacoma, Bundesstaat Washington, sie könnte eines Tages die US-amerikanische Staatsbürgerschaft beantragen. Im Land ihres Vaters hat der Frauenfußball einen ganz anderen Stellenwert, auch Mutter Cornelia weiß das. Aber sie weiß selbstverständlich nicht, was die Zukunft bringt.
Das nächste Etappenziel auf dem Weg nach oben wird die kommenden Wochen dominieren. Vom 29. Juni bis 1. Juli sichtet der DFB für die nächste U15-Nationalmannschaft, Gia ist eingeladen, natürlich. „Sie muss sich trotzdem immer aufs Neue beweisen“, sagt Mutter Cornelia. Egal wo und wann und gegen wen.