2024-04-29T14:34:45.518Z

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Fußball-Welt trauert um den "Langen": Hans-Jörg Criens ist tot

Beim VfR Neuss begann seine Karriere, bei Borussia Mönchengladbach wurde er zur Legende, jetzt starb er wenige Tage nach seinem 59. Geburtstag.

Neuss hat, verglichen mit dem bescheidenen Niveau seiner Vereine, eine ganze Reihe guter Fußballer hervorgebracht. Hans-Jörg Criens gehörte zweifelsohne zu den Besten. Für ihn wurde der Begriff „Joker“ in die Fußballsprache aufgenommen, auch wenn die, die ihn kannten, immer nur den „Langen“ nannten.

Am zweiten Weihnachtstag ist Hans-Jörg Criens völlig überraschend an einem Herzinfarkt verstorben, nur eine Woche, nachdem er am 18. Dezember 59 Jahre alt geworden war. Sein Tod hat Bestürzung ausgelöst, vor allem bei den Fans. Denn obwohl Hans-Jörg Criens nie ein schillernder Star war und er auch nie einer sein wollte, haben sie ihn geliebt. Oder vielleicht gerade deswegen. Aufgewachsen auf der Furth, Haus an Haus mit den Funkels, jener anderen legendären Neusser Fußballfamilie. Die Väter spielten zusammen beim VfR 06, die Laufbahn der Söhne begann ebenfalls am Derendorfweg – dort, wo sein jüngerer Bruder Ralf 17 Jahre lang als Platzwart nach dem Rechten schaute, bis die Neusser Politik ein Stück Stadtgeschichte vor sechs Jahren zum Abriss freigab.

Mit dem sechs Jahre älteren Friedhelm Funkel hat Hans-Jörg Criens nie zusammen gespielt (höchstens in der Straßenmannschaft), doch Wolfgang Funkel (61) und er trugen von 1978 bis 1981 gemeinsam das grün-weiße Trikot. Dann entdeckte die Mönchengladbacher Borussia das Stürmertalent in der Verbandsliga – für sie hat er zwischen 1981 und 1993 290 Bundesligaspiele bestritten und dabei 92 Tore erzielt. Mehr Bundesliga-Treffer haben in der Vereinsgeschichte bislang nur Jupp Heynckes (195) und Herbert Laumen (97) auf ihrem Konto.

Berühmt machte ihn aber kein Bundesliga-Tor, sondern zwei Treffer im Halbfinale des DFB-Pokals, das Borussia am 1. Mai 1984 gegen Werder Bremen mit 5:4 nach Verlängerung gewann. Criens traf, in der 82. Minute für Ewald Lienen eingewechselt, in der Nachspielzeit zum 4:4. Und in der Verlängerung (107.) gelang ihm der Siegtreffer, als er eine Flanke von Uli Borowka mit gestrecktem Bein aus der Luft annahm, den Ball vom Kopf abtropfen ließ und ihn per Dropkick an Werder-Torhüter Dieter Burdenski vorbei in die Maschen setzte – später zum „Tor de Monats“ in der Sportschau geadelt.

Vier Tage später war Hans-Jörg Criens als „Mann der Woche“ zu Gast im Aktuellen Sportstudio des ZDF. Dort empfing ihn Moderator Carl Senne mit einer riesigen Spielkarte, auf der ein Joker abgebildet worden war – ein Mythos war geboren. Trotz seines Torinstinkts hat es Criens nie in die Nationalmannschaft geschafft, 1987 bestritt er in Tel Aviv ein Länderspiel für die Olympia-Auswahl des DFB.

Mit Borussia Mönchengladbach stand er zwei Mal (1984 und 1992) im Pokalfinale und verlor beide Male (gegen Bayern München und Hannover 96) im Elfmeterschießen, wobei Criens seine Strafstöße jeweils sicher verwandelte. Aus dem „Joker“ war da längst der Mannschaftskapitän geworden. 1993 wechselte er zum 1. FC Nürnberg, wo er zwei Jahre später seine Profi-Laufbahn beendete.

Der Fußball aber ließ Hans-Jörg Criens nicht los. Bis 2002 trug er die Trikots verschiedener Klubs im Amateurbereich, zeitweise auch als Spielertrainer, und kickte in Borussias Traditionsmannschaft, der Weisweiler-Elf. Bis 2012 arbeitete er als Trainer und verdiente sich ein Zubrot als Fahrer eines Behindertentaxis. „Das macht mir Spaß und erweitert meinen Horizont“, hat er mal gesagt. Der „Lange“ war eben ein Fußballer, der in kein Klischee zu pressen war.

Aufrufe: 027.12.2019, 18:03 Uhr
RP / Volker KochAutor