2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
– Foto: Hartmann

„Für mich gab es kein anderes Ziel und ich hatte auch keinen Plan B“

Clemens Schoppenhauer im Interview

Mit gerade einmal 29 Jahren hat sich Clemens Schoppenhauer dazu entschlossen, seine Fußballschuhe endgültig an den Nagel zu hängen. Der gebürtige Loxstedter, der zuletzt für den Regionalligisten FC Oberneuland spielte, braucht seine Zeit für seinen beruflichen Neustart in der Immobilienbranche und die wachsende Familie. Doch die Abkehr vom Fußball soll für den Ex-Profi nach Stationen bei Clubs wie den Würzburger Kickers, dem FC St. Pauli und dem Chemnitzer FC nicht endgültig sein. Schoppenhauer blickt im Interview mit Dietmar Rose auf seine Karriere zurück, erinnert sich an Höhepunkte und Tiefschläge und verrät, warum er für den Fußball in Bremerhaven Potenzial sieht.

Clemens, als Außenstehender geht man immer davon aus, dass ein Fußballer sehr mit der Entscheidung ringen muss, die Karriere zu beenden. War das bei Ihnen auch der Fall? Ich habe ja schon mit meinem Wechsel zum FC Oberneuland einen riesengroßen Schritt in diese Richtung gemacht. Dieser Übergang war einfach gut, dass ich weiterkicken konnte. Es war noch mal super und ich denke, dass ich dem Verein helfen konnte, den Klassenerhalt in der Regionalliga Nord zu schaffen. Aber der Aufwand ist für mich einfach zu groß geworden. Der berufliche Einstieg ist für mich super gelaufen. Es macht mir super viel Spaß, dieses ganze Team bei Florian Wellmann (Bremer Immobilienunternehmer, Anmerkung der Redaktion) zieht mich mit und fängt mich auf. Deswegen war das für mich jetzt der letzte logische Schritt.

Welche Rolle hat die Familie gespielt, Sie werden demnächst zum zweiten Mal Vater?
Als Familienvater habe ich natürlich eine andere Perspektive als als Junggeselle. Früher sah eine perfekte Woche für mich so aus: Montag habe ich 2. Liga geguckt, Dienstag und Mittwoch war Champions League dran, Donnerstag dann die Europa League und am Freitag ist es mit der Bundesliga weitergegangen. Am Wochenende habe ich dann selbst gespielt. Als wir dann unser erstes Kind bekommen haben, ist es mit dem Fußballgucken deutlich weniger geworden. Man gewinnt dann doch Abstand, weil man die Zeit dann doch lieber mit der Familie verbringt.

Die Anrufe, um Sie zum Comeback zu bewegen, können sich die Vereine aus der Region also sparen? Ja, das heißt aber nicht, dass ich mit dem Fußball abgeschlossen habe. Wir planen in naher Zukunft, noch mehr in die Heimat zu kommen. Wie und wo sich das umsetzen lässt, müssen wir mal schauen. Aber wenn wir richtig sesshaft geworden sind und die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, kann ich mir schon vorstellen, im Fußball wieder etwas mitzugestalten. Ich würde meine Erfahrungen, die ich gesammelt habe, gerne weitergeben. Ich hätte schon Lust, im Jugendbereich zu arbeiten.

Gibt es da schon etwas Konkretes? Nein, ich will mich, wie gesagt, zunächst beruflich weiter etablieren. Ich möchte erst mal ankommen. Aber der eine oder andere hat mich schon angehauen, nachdem das mit meinem Karriere-Ende bekannt geworden ist. Gerade Bremerhaven hat großes Potenzial, die Stadt hat ein riesiges Einzugsgebiet. Die Leute sind sportaffin, das zeigen ja auch die Erfolge der Fischtown Pinguins und früher der Eisbären-Basketballer. Man merkt an diesen Beispielen: Wenn Leute am Werk sind, die ihr Fach verstehen, kommt es nicht immer auf das dicke Geld an. Da könnte auch im Fußball etwas möglich sein – zumindest in der Regionalliga vertreten zu sein. Ich hätte schon Interesse, mich da zu gegebener Zeit und wenn die Konstellation passt, einzubringen. Mal sehen, was sich daraus ergeben könnte.

Sie waren schon als junger Spieler im Nachwuchs von Werder Bremen sehr reflektiert. Dass es ein Leben nach dem Fußball geben wird, war für Sie sicher kein Horrorszenario, oder? Das liegt auch daran, dass ich mich immer viel mit Mindset-Geschichten beschäftigt und lieber Bücher gelesen habe, als auf dem Handy rumzudaddeln. Persönlichkeitsentwicklung ist ein Thema, das ich unheimlich spannend finde. Wie kann der Mensch das Beste aus sich herausholen, was treibt ihn an? Viele Leute wissen gar nicht: Was will ich überhaupt? Ein Buch, das mich gefesselt hat, ist „Frage immer erst: Warum“ von Simon Sinek. Darin hat er ein schönes Beispiel gebracht. Zwei Männer bauen vor Jahrhunderten an einer Kirche eine Mauer. Der eine sagt, dass das ein guter Job ist und er damit seine Familie ernähren kann. Der andere schwärmt, dass er Teil von etwas Größerem sein kann: Hier wird eine Kathedrale gebaut, und ich leiste einen Beitrag dazu.

Hat Ihnen die Einstellung, die Dinge zu durchdenken, im Profi-Geschäft auch geschadet? Definitiv. Manchmal ist es gar nicht so schlecht, wenn man im Fußball nicht zu viel nachdenkt, sondern einfach macht. Das hat es für mich nicht leichter gemacht, dass ich ein Kopfmensch bin. Für mich stand der Verein immer über allem, dafür habe ich mein letztes Hemd gegeben. Wenn es nicht lief, habe ich mich immer gefragt: Was hätte ich besser machen können?

Sie gehen sehr ehrlich mit Ihrer Karriere um. Sind Sie stolz darauf, was Sie erreicht haben? Absolut. Ich denke, das kann ich auch sein. In den vergangenen Jahren haben es – abgesehen von Gerrit Holtmann und André Hahn – nicht so viele aus unserer Region zu den Profis geschafft. Das haben mir viele nicht zugetraut. Ich war talentiert, aber es gab in meinem Jahrgang andere, die konnten wesentlich besser mit dem Ball umgehen. Ich hatte einfach diesen Biss. Wenn ich bei uns zu Hause im Keller gekickt habe, habe ich mir immer vorgestellt, dass ich Profi werde. Für mich gab es kein anderes Ziel und es gab auch keinen Plan B. Ich denke oft mit meiner Frau zurück, wir hatten eine richtig schöne Zeit. Aber es hat auch alles seine Zeit.

Wie nah waren Sie in Ihren ersten Jahren bei Werder dran an einem Erstliga-Einsatz? Trainer Thomas Schaaf hatte ja durchaus ein Auge auf Sie geworfen. Vom Typ her hat er mich, glaube ich, gemocht, weil ich so ein Kämpfertyp war. Aber letztendlich habe ich nicht konstant die Leistung gebracht. Und für ihn haben mir auf dieser Position wohl auch fünf bis zehn Zentimeter an Größe plus mehr Masse gefehlt.

Der gute Draht zum Coach: Welche Rolle spielt das für den Erfolg eines Profis? Es gibt schon eine Menge Geklüngel. Bei einer meiner Stationen habe ich erlebt, dass ein neuer Innenverteidiger geholt wurde, weil der Berater ein Freund des Trainers war. Das hat dann schon einen Beigeschmack. Aber letztlich trägt der Trainer die Verantwortung für die Aufstellung. Wenn er bei einem Spieler ein besseres Gefühl hat, dann ist das nichts Verwerfliches. Es darf halt nur nicht allein um die eigenen Empfindlichkeiten gehen.

Ihre erfolgreichste Zeit hatten Sie unter Bernd Hollerbach bei den Würzburger Kickers, mit denen Sie den Durchmarsch von der Regionalliga Bayern in die 2. Liga geschafft haben. Denken Sie manchmal, dass es besser gewesen wäre, trotz des Abstiegs in die 3. Liga dortzubleiben? Diesen Gedanken hatten meine Frau und ich einige Male. Trotzdem war es der logische Schritt, zum FC St. Pauli zu gehen. Ein cooler Verein, in Hamburg wieder näher an die Heimat ran, auch finanziell war es eine andere Nummer. Wir wissen ja auch nicht, wie es in Würzburg geworden wäre.

Hollerbach, der knorrige Franke, ist das Gegenteil der modernen Laptop-Trainer. Was ist Ihre schönste Anekdote aus der Würzburger Zeit? Aus der Hollerbach-Zeit sind mir einige Sachen in Erinnerung geblieben. Seine Sprüche hatten schon was. „Zum Ball schnell, am Ball ruhig“ war so einer. Oder „Jungs, wenn die Frau an der Bar den Blickkontakt nicht aufnimmt, brauchst du sie nicht ansprechen. Wenn sie Blickkontakt aufnimmt, dann kannst du es mal versuchen. Genau so ist es mit den Mitspielern. Wenn der Spieler dich nicht anguckt, brauchst du ihn nicht anzuspielen – dann will er den Ball nicht“. Er hat es versucht, einfach zu halten, in vielen Dingen aber recht behalten. Einer fällt mir noch ein: „Druck, Druck? Unter Druck entstehen Diamanten.“

Als Sie beim FC St. Pauli nur Ergänzungsspieler waren, gab es Kontakte zu Clubs in den Niederlanden. Das Ausland reizt doch jeden Fußballer. Warum hat das nicht geklappt? Wir hätten das sehr gerne gemacht. Erste holländische Liga – das wäre mega gewesen. Einmal war es kurz vor Ende des Wintertransferfensters Sparta Rotterdam, aber das hat wegen der bevorstehenden Geburt unserer Tochter einfach nicht gepasst. Im Sommer darauf war es noch mal der FC Emmen. Ich habe sogar in einem Testspiel gegen Twente Enschede mitgespielt, das war erste Sahne. Aber das hat sich finanziell nicht darstellen lassen. Die wollten am liebsten, dass ich noch Geld mitbringe.

Ihr Geld verdienen Sie jetzt als Quereinsteiger in der Immobilienbranche. Was reizt Sie an Ihrem neuen Job? Angefangen habe ich als Kundenbetreuer. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass mir angeboten wurde, mehr Aufgaben zu übernehmen und in Richtung Immobilienmakler zu gehen. Man lernt dadurch viele Menschen kennen, wie die ticken. Das Spannende an diesem Job ist, dass es diesen reibungslosen Ablauf eigentlich nicht gibt. Viele denken: Immobilienmakler machen nichts und kassieren eine dicke Provision. Aber so einfach ist es nicht. Da ploppen manchmal Felder auf, die hat man vorher gar nicht im Blick gehabt. Dafür dann eine Lösung zu finden, ist eine Herausforderung.

Bei aller Begeisterung für die neue Aufgabe: Wo fehlt Ihnen der Fußball? Beim Teamgefühl zum Glück nicht, das haben wir auch bei uns im Büro. Aber was mir schon manchmal fehlt, ist so dieses Hochgefühl, wenn man einen Zweikampf gewonnen hat. Oder dass man als Mannschaft etwas im Training erarbeitet und das dann im Spiel umsetzt.

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Aufrufe: 030.5.2021, 09:45 Uhr
Nordsee-Zeitung/ dirAutor