2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
– Foto: Tatjana Vecsey

„Es stellen sich Fragen nach der Wertigkeit“

Deckenpfronns Spielertrainer Daniel Supper im Interview zur aktuellen Situation

Die Amateurfußballer sind aufgrund der Corona-Pandemie zu einer Zwangspause verdammt, sie müssen die Füße stillhalten. Das ist für Sportler keine einfache Situation. Daniel Supper, Spielertrainer des Bezirksligisten SV Deckenpfronn, erzählt im Interview, was ihn persönlich in dieser Zeit bewegt.

Herr Supper, wie gehen Sie mit dieser erneuten Zwangspause aufgrund der bestehenden Corona-Verordnung um?

Daniel Supper: „Das Thema Corona und die beiden Lockdowns im Frühjahr und aktuell haben mich in der letzten Zeit tatsächlich sehr beschäftigt. Ich habe die vergangenen Monate reflektiert und dabei festgestellt, dass wir im Grunde nach dem ersten Lockdown, der für uns alle ja völlig überraschend kam, und der Wiederaufnahme des Trainings ab Mitte Mai bis einschließlich Oktober fast ununterbrochen trainiert oder gespielt haben. Diese Zeit war brutal intensiv, wir haben praktisch während der Vorbereitung zur jetzt unterbrochenen Runde den Bezirkspokal zu Ende gespielt und auch gewonnen, wir haben im WFV-Pokal drei Runden gespielt, die uns jeweils enorm viel Kraft kosteten, dazu kamen die Punktspiele. Wir hatten sage und schreibe 18 Pflichtspiele in einem Zeitraum von nicht einmal dreieinhalb Monaten. Das war für mich die intensivste Zeit, die ich bisher als Trainer, aber auch als Spieler erlebt habe. Dann hatten wir zu einem frühen Zeitpunkt in der Sommervorbereitung einen Corona-Fall im Team, damit mussten wir uns intensiv beschäftigen. Wir führten einige Telefonate mit dem Gesundheitsamt. Ich war mental an einer Grenze angelangt, ich fiel in ein Loch. So bizarr es klingt, der zweite Lockdown kam für mich zur richtigen Zeit. Selbstverständlich hätte ich auf Corona und die dadurch ergriffenen, drastischen Maßnahmen gerne verzichtet.“

Wie haben Sie diese freie Zeit genutzt?

„Ich habe in den ersten sechs Wochen körperlich fast nichts gemacht. Vor gut drei Wochen habe ich wieder angefangen, joggen zu gehen, zudem fahre ich viel Fahrrad. Ich habe die Zeit genutzt, um neue Kraft zu schöpfen, neue Energie zu tanken. Der Fußball fiel Ende Oktober weg, da hat man plötzlich viel Zeit, über sich selbst nachzudenken. Ich bin jetzt seit zwölfeinhalb Jahren im Aktivenbereich zugange. Davon zehn Jahre als Spieler in der Verbands- und Landesliga und zweieinhalb Jahre als Spielertrainer in der Bezirksliga, da ist man schon in einem gewissen Hamsterrad. Die Vorbereitung, dann die Hinrunde, Hallenturniere in der Winterpause, die nächste Vorbereitung, die Rückrunde. Eine kurze Pause, und dann kommt die nächste Vorbereitung. Dazu kommt, dass ich mich für eine Sache zu 100 Prozent einsetze, wenn ich mich dafür entschieden habe. Jetzt fällt der Fußball seit vielen Wochen weg, und er wird noch weitere Wochen fehlen. Dinge treten in den Vordergrund, die sonst aufgrund des Fußballs eher in den Hintergrund traten. Ich verbringe mehr und eine intensivere Zeit mit meinem Sohn, der jetzt dreieinhalb Jahre alt ist. Ich habe generell mehr Zeit für die Familie. Seit März bin ich im Homeoffice, auch das war eine Umstellung. Mein Sohn sorgt da wenigstens für Abwechslung. Ich merke aber auch, wie mir der Fußball als Ausgleich zum Beruf und zur Familie fehlt, ich war das ja über zehn Jahre gewohnt.“

Welche neuen Seiten haben Sie denn an sich entdeckt?

„Ich denke, ich habe gelernt, dass ich mehr auf meinen Körper achten muss. Ich habe ihm jahrelang keine Pause gegönnt und habe teilweise auch etwas Raubbau an meinem Körper betrieben. Ich bin nicht nur in ein mentales Loch gefallen vor dem Lockdown im Oktober, ich war auch in einem körperlichen Tief.“

Der Fußball ist zeitintensiv, Familie und Freunde kommen zu kurz. Haben Sie das zuletzt nachgeholt?

„Man kann in ein paar Wochen nicht etwas nachholen, was man aufgrund des Fußballs jahrelang hinten angestellt hat. Es geht eher darum, zu erkennen, was einem wichtig ist und was womöglich weniger wichtig ist. Nun war und ist die Zeit da, genau das zu reflektieren. Ich habe es genossen, spontan an einem Samstag oder Sonntag mit der Familie und mit Freunden wegfahren zu können. Ich habe es genossen, mit meinem Sohn und meiner Frau etwas zu unternehmen. Diese Spontaneität ist während einer Saison nicht möglich. Es stellen sich dadurch die Fragen nach der Wertigkeit. Will ich auch künftig so intensiv mit dem Fußball verbunden sein? Ist es den Aufwand wert, wenn dabei andere Dinge, die einem lieb und wichtig sind, ein Stück weit auf der Strecke bleiben? Um das allerdings klar zu sagen, ich liebe es, Fußball zu spielen und ich habe viel Freude an der Position als Spielertrainer. Durch den Fußball habe ich viele Menschen kennengelernt, daraus sind Freundschaften entstanden. Ich möchte das nicht missen, die Frage ist aber, welchen Stellenwert soll er künftig noch haben? Mein Sohn ist in einem Alter, in dem er noch die körperliche Nähe sucht. Er merkt jetzt aber auch schon, wenn ich nicht da bin. Wenn er dann sagt, ob der Papa denn jetzt schon wieder auf den Sportplatz müsse, dann hinterlässt das Spuren, dann fällt es einem schwerer, dennoch zu gehen. Dadurch kommen einem ganz andere Gedankengänge in den Sinn.“

Haben Sie vor diesem Hintergrund und aufgrund der Ungewissheit, wann und wie es weitergeht, darüber nachgedacht, mit dem Fußball aufzuhören?

„Dieser Gedanke war schon da, das sage ich ganz offen, darüber habe ich auch mit meinem Co-Trainer Dustin Kappus gesprochen. Zudem erwarten meine Frau und ich im Februar nochmals Nachwuchs. Meine Frau würde mich aber weiterhin unterstützen, sie kennt mich eben nur als Fußballer. Letztlich muss aber ich so entscheiden, dass es sich für mich gut und richtig anfühlt. Ich kann mir nicht vorstellen, von hundert auf null herunterzufahren. Der Fußball bedeutet für mich nicht nur Sport, ich habe durch ihn viele soziale Kontakte, ich kann mich mit vielen Menschen über ganz unterschiedliche Themen austauschen, wir erleben gemeinsam Erfolge und auch Misserfolge. Jetzt gilt das Augenmerk aber meiner Mannschaft, sobald wir wieder trainieren dürfen.“

Sie sind als Spielertrainer in der Pflicht, die Mannschaft wieder ins Rollen zu bringen. Wie soll das nach einer monatelangen Pause gelingen?

„Das wird keine einfache Aufgabe. Mir haben Spieler schon geschrieben, dass sie den Fußball vermissen. Wir haben eine junge Truppe, die Jungs sind heiß darauf, wieder zu trainieren, dessen bin ich mir sicher. Wir haben nach dem ersten Lockdown im Frühjahr gute Erfahrungen mit dem Gruppentraining gemacht. Ich denke, auch nach dem aktuellen Lockdown wird nicht sofort ein komplettes Mannschaftstraining erlaubt sein, es wird eher stückweise hochgefahren. Meines Erachtens muss der Spaß ganz weit oben stehen. Es ergibt keinen Sinn, die Spieler durch den Wald zu jagen. Wir werden viel mit dem Ball arbeiten, sobald es wieder erlaubt ist. Wir müssen als Trainerteam wieder das Feuer in der Mannschaft entfachen, das Wir-Gefühl muss sich wieder einstellen. Das alles natürlich vor dem Hintergrund der dann geltenden Regeln, die wir korrekt einhalten werden.“

Aufrufe: 04.1.2021, 15:28 Uhr
Thomas Oberdorfer, GäuboteAutor