2024-06-19T10:33:50.932Z

Interview
– Foto: Peter Zylajew

"Es ist wie im richtigen Leben, dir wird nichts geschenkt."

Nico Pellatz beendete im Sommer nach 16 Jahren seine Profi-Karriere. Er kehrte zurück nach Berlin und eröffnete eine Fußballschule für Torhüter. Auch wenn er das Geschäft als schnelllebig bezeichnet und nicht ganz zufrieden ist, ist er froh, Teil der Community gewesen zu sein.

Verlinkte Inhalte

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Nico Pellatz

Nico, im März hast du mir gesagt „es ist noch lange nicht Schluss“. Im Sommer hast du die Schuhe dann doch an den Nagel gehangen, wie kam es zu diesem schnellen Umdenken?
Es gab einige Gründe, weshalb ich mich umorientiert habe. Ich war nun 16 Jahre Fußballprofi und habe mir selber immer gesagt: ich möchte mit 33 oder 34 nicht in der Regionalliga rumgurken, wenn es nicht mein Heimatverein Hertha BSC ist.

Das hat in diesem Sommer aber nicht geklappt?
Nein, die Möglichkeit hat sich leider nicht ergeben. In Wolfsburg wurde mir zum Glück frühzeitig mitgeteilt, dass es sportlich nicht weitergeht wie bisher. Ich bin dem Verein für die offene und faire Kommunikation sehr dankbar. Irgendwann ist dann aber einfach mal gut mit dem Fußballspielen. Vor allem, wenn auf dem Niveau Aufwand und Finanzen nicht auf einem Nenner sind.

Gab es denn keinen sportlich interessanten Verein, dem du dich in der Sommerpause hättest anschließen können?
Einen neuen Verein, der mich gereizt und bei dem ich auch gespielt hätte, gab es nicht. Dazu kommt, dass ich nach 16 Jahren Profi-Fußball meiner Familie eine Menge schuldig bin. Jetzt kann ich wieder bei ihr in Berlin sein. Ich möchte dem Regionalliga-Fußball nicht zu nahetreten, aber das ist kein Niveau und kein Level, auf dem ich mich nochmal selber spielen sehe.

In Wolfsburg hast du es dennoch gemacht, warum jetzt nicht mehr?
Die letzten beiden Jahre in Wolfsburg waren unglaublich schön, aber auch sehr intensiv. Sie waren auch für mich und meine Familie nicht einfach. Es war für mich das Beste, keinen Fußball mehr zu spielen und die Zeit mit meinen Kindern zu genießen, denn diese Zeit gibt dir keiner mehr zurück.

Rückblickend: zufrieden mit der Karriere?
Zu 100 % zufrieden bin ich natürlich nicht. Ich bin ein Mensch, der immer nach dem Perfekten strebt. Die eine oder andere Entscheidung hätte ich jetzt im Nachhinein nicht noch einmal getroffen. Mit ein wenig mehr Glück hätte ich wahrscheinlich mehr Spiele in der Bundesliga gemacht, aber im Fußball wird nun mal viel geredet und versprochen. Gutgläubig wie ich war, habe ich an das Gute im Menschen gedacht, aber am Ende denkt jeder nur an sich selbst und erinnert sich natürlich nicht mehr an die Worte und Versprechungen die gegeben wurden. Wie gesagt, im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber ich hatte eine tolle Karriere, mit wirklich tollen Vereinen. Wenn ich mir meinen Lebenslauf und meine Vita anschaue , dann bin ich stolz darauf für diese großartigen Vereine gespielt zu haben.

Wie hat sich das „Fußball-Business“ in den letzten Jahren verändert?
Das Geschäft ist viel schnelllebiger geworden. Ich meine, es war eigentlich schon immer so, aber das ist jetzt noch mal extremer geworden. Dazu kommt, dass das Finanzielle nochmal deutlich besser ist als damals. Heutzutage verdienen Jugendspieler schon sehr viel Geld. Aber die Gesellschaft und die Zeit geben es auch her, deswegen sollte man sich darüber nicht beschweren, sondern einfach mit der Zeit gehen. Wir als Fußballer haben uns das nicht ausgesucht. Auch das Training ist viel intensiver und viel professioneller geworden, jetzt gibt es für jeden Bereich verschiedene Trainer und verschiedene Spezialisten, das Spiel ist dadurch viel schneller geworden. Natürlich ist auch der Druck auf die Spieler gestiegen, vor allem durch die sozialen Medien. Am Ende bin ich recht froh, Teil des Geschäfts gewesen zu sein.

Wo wir gerade bei Veränderungen sind, welche Veränderungen hast du im Torhüter-Spiel in diesen Jahren miterlebt?
Ich denke, dass der Fußball und dadurch auch das Torhüter-Spiel viel athletischer geworden sind. Das schöne ist und war, dass immer wieder junge, gute Torhüter nachkommen. Sie haben keine Angst vor den „Älteren“ und der Erfahrung und stellen sich einfach der Konkurrenz. Sie genießen das Fußballspielen. Momentan sehe ich in der Entwicklung einen kleinen Bruch, ich hoffe aber, dass die nächste Welle der jungen Generation einschlägt.

Mittlerweile betreibst du in Berlin eine Fußballschule für Torhüter. Erzähl uns etwas darüber?
Ich habe im Juli meine Torwartschule in Berlin gegründet, bei der ich versuche meine Erfahrungen und mein Wissen an die Jungs weiter zu geben und ihnen dabei helfen, ein besserer Torwart und auch eine große Persönlichkeit zu werden. Die Arbeit macht mir wirklich Spaß, die Jungs ziehen gut mit. Sie wollen mit mir zusammenarbeiten und kommen immer motiviert zum Training. So macht die Arbeit einfach auch mehr Spaß.

Auf welche Grundlagen achtest du bei deiner Ausbildung?
Ich lege dabei großen Wert auf eine saubere Technik, eine gute Beinarbeit und ein gutes Stellungsspiel mit viel Positionswechsel, denn für mich ist das ein sehr wichtiger Bestandteil eines guten Torhüters.

Gibt es bestimmte Auswahlkriterien?
Nein, bei mir ist jeder herzlich willkommen, egal in welchem Alter. Ich biete Einzel-, aber auch Gruppentraining an. Ich freue mich über jeden neuen Torwart der sich gerne verbessern möchte und Teil der Hashtag One Familie sein will.

Kannst du Talente auch vermitteln?
Dadurch, dass ich viele Torhüter trainieren, auch aus den verschiedenen Altersklassen, rufen mich immer wieder Vereine an und erkundigen sich nach Torhüter aus den verschiedenen Jahrgängen. An dieser Stelle bin ich natürlich immer bereit den Vereinen und den Keepern zu helfen.

Ist ein Vorsatz, dass die Torhüter deine Handschuhe tragen?
Ich habe einige Spieler, die meine Handschuhe nicht tragen, für mich ist es kein Vorsatz um bei mir mittrainieren zu dürfen. Ich kann niemanden zwingen meine Handschuhe zu tragen. Außerdem gibt es viele tolle Marken auf dem Markt, die ebenfalls gute Handschuhe produzieren. Das wichtigste ist, dass der Torwart sich wohl fühlt und mit der Marke identifiziert. Oftmals ist es natürlich so, dass wenn die Jungs meine Handschuhe sehen, diese auch anprobieren und anschließend gar nicht mehr ausziehen wollen. Ich freue mich aber auch darüber, wenn junge Torhüter die Größe haben, zu sagen was sie wollen, lernen auch mal nein zu sagen und ihre Meinung durchsetzen. Es sagt für mich eine Menge über die Persönlichkeit aus.

Wie läuft es mit dem Business, werden die Handschuhe generell gut angenommen?
Das Geschäft läuft gut, das Jahr 2019 war noch mal besser als das Jahr 2018. Ich bin sehr zufrieden und freue mich darüber, dass unsere Handschuhe und die Marke in Deutschland angekommen ist und auch angenommen wird. Unsere Community wächst und wächst, auch international kommen täglich neue Kunden dazu. Der Markt ist natürlich sehr groß und heiß umkämpft. Für das Jahr 2020 habe ich mir andere Strategien überlegt und ausgearbeitet. Ich bin gespannt, ob sich diese auch so umsetzen lassen. Ich bin den Leuten, die sich mir und meiner Marke verbunden fühlen, wirklich sehr dankbar.

Was kannst du den Talenten mit auf den Weg geben?
Die Jungs müssen hart für ihre Ziele arbeiten. Es ist wie im richtigen Leben, dir wird nichts geschenkt. Gerade im Fußball wird es immer schwieriger, Profi zu werden. Die Nachwuchsleistungszentren bilden sehr gut und sehr viele Spieler aus, sodass schon Kleinigkeiten den Unterschied ausmachen können. Natürlich gehört auch etwas Glück dazu, aber am Ende macht sich die harte Arbeit bezahlt.

Aufrufe: 07.1.2020, 12:11 Uhr
Marcel PetersAutor