2024-06-14T14:12:32.331Z

FuPa Portrait
Eine Bank im Tor der Morbacher: Yannick Görgen.
Eine Bank im Tor der Morbacher: Yannick Görgen. – Foto: Alfred Weinandy

Ein Vize-Europameister packt in Morbach zu

Fußball-Rheinlandliga: Torwart Yannick Görgen zeigt Herz und Leidenschaft für den Sport und den Wein. Im Fupa-Porträt spricht der Nationalspieler über Vorurteile, sein Vorbild, eine Begegnung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und ein ganz spezielles Lebensmotto.

Yannick Görgen ist zwar erst 27 Jahre alt, aber bereits ein erfahrener Rheinlandliga-Torwart. Seit 2013 steht er für Morbach zwischen den Pfosten. Dabei zählt der Neumagener als Leistungsträger zu den besten Schlussmännern der Liga und trug in den vergangenen Jahren mit konstant guten Leistungen zur Hunsrücker Defensivstärke bei. Seinem Vorbild Oliver Kahn nacheifernd, kommuniziert der zusammen mit seiner Freundin in Lieser wohnende Keeper viel mit seinen Vorderleuten. „Damit es erst gar nicht zu gegnerischen Chancen kommt, stehe ich mit unserer Abwehr in regem Austausch, um die Stürmer zu stellen. Ich bin sehr gesellig, ehrgeizig und motiviere meine Mitspieler gerne“, sagt der Mann mit der Trikotnummer 23.

Anfangs wurde Görgen von Fans und Gegnern unterschätzt, da er mit 1,77 Metern Körperlänge der kleinste Torhüter der Rheinlandliga ist. Heiko Weber (FSV Tarforst) zieht als langjähriger Teamkollege vor dem begeisterten Winzer den Hut: „Er hat sich als Stammtorhüter in seinem ersten Morbacher Jahr durchgesetzt und ist ein sehr angenehmer Weggefährte. Seine Stärken sind das Eins-gegen-Eins und die Absprachen mit der Abwehr. Einziger Nachteil ist seine Körpergröße, die womöglich verhindert hat, dass er einige Ligen höher spielt.“

Gleichwohl: Dass es auf die Größe nicht ankommt, hat Görgen allen gezeigt. Er hat es mit seinen Fähigkeiten bis in die sechste Liga geschafft. Nach 195 Rheinlandligaspielen denkt er schmunzelnd an einen besonderen Teamabend zurück. In seiner ersten Saison in Morbach habe der SVM auswärts in Eisbachtal dank eines späten Tores von Jan Brandscheid mit 1:0 gewonnen. Der Sieg sei abends gebührend beim Oktoberfest auf dem Flughafen Hahn gefeiert worden. „Ich war neu im Team und kannte noch nicht jeden SVM-Fan. Während des Oktoberfests kam ein Morbacher Zuschauer auf mich zu, gratulierte mir zu meiner guten Leistung und sagte: ,Hör mal, Kleiner. Nach deiner Verpflichtung habe ich mich gewundert und gefragt, was die erste Mannschaft mit einem so kleinen Torwart wolle. Aber nach ein paar Spielen kann ich den Verantwortlichen nur zu einem sehr guten Fang gratulieren, denn ich will keinen anderen mehr.’“

Görgen freuen solche Momente – despektierliche Äußerungen kommen bei ihm nicht mehr an oder werden als Ansporn gesehen. Durch Ehrgeiz habe er sich alles erarbeitet, was ihn stolz mache.

Fußball ist eine große Leidenschaft des bekennenden Anhängers des 1. FC Kaiserslautern und liegt in der Familie. Vater Ralf hütete ebenfalls das Tor und triumphierte vor 30 Jahren als Neumagener Torwart in einem Spiel gegen Trittenheim auf spektakuläre Weise. „Meinem Vater gelang ein Abschlagstor. Daraus resultiert mein Spitzname, denn ich werde manchmal Zenga gerufen (in Anlehnung an den dreimaligen italienischen Welttorhüter Walter Zenga, dem in seiner Karriere auch mal ein Abschlagstor gelang, Anm. d. Red.).“

Dabei waren Görgens erste Gehversuche auf dem grünen Rasen nicht von Dauer. Im Alter von vier Jahren habe er bei seinem Onkel vorbeigeschaut, der die Bambini trainierte. Görgen: „Nach kurzer Zeit wollte ich wieder zurück in den Sandkasten.“ Ein Jahr später entdeckte er dann doch seine Begeisterung für das runde Leder und wurde Teil der Neumagener Bambini. Bis zur D-Jugend blieb er seinem Heimatverein treu, wechselte dann ab der C-Jugend nach Mehring, bevor er sich 2009 Salmrohr anschloss. Beim FSV spielte er vier Jahre in der B-Jugend- und A-Jugend-Regionalliga und blickt stolz auf Duelle mit dem FCK, Eintracht Trier oder Saarbrücken zurück.

„Ich bin dem ehemaligen Mehringer Trainer Elmar Schröder dankbar, der mich motivierte, öfters laufen zu gehen, da ich ein paar Kilos zu viel auf den Rippen hatte“, berichtet Görgen. 2013 folgte dann der nächste Sprung, und der damals 19-Jährige schloss sich Morbach an. Dort bildet er mit Torwarttrainer Thomas Gutweiler ein eingespieltes Team. Blickt man auf die Aufstellungen der vergangenen Jahre, fällt auf, dass „Zenga“ kaum ein Spiel verpasste. Einzige langwierige Verletzung war ein Adduktorenabriss im Winter 2015, der eine viermonatige Zwangspause nach sich zog.

Der im Mannschaftsrat engagierte Görgen fühlt sich sehr wohl bei der FV Hunsrückhöhe. Er verlängerte kürzlich seinen Vertrag um eine weitere Saison und verrät: „Von vielen Spielern aus der Mannschaft weiß ich, dass sie zum Ziel haben, mal Oberliga zu spielen.“ Nah dran waren sie in Görgens Premierensaison 2013/14, als man Zweiter wurde und den Aufstieg knapp verpasste.

In der kommenden Saison wolle man unter die ersten fünf Mannschaften und mittelfristig wieder unter die besten drei Teams kommen. Aktuell werde mittwochs via Zoom mit Kevin Heinz (Linksverteidiger von Eintracht Trier und Athletikcoach) trainiert, hinzu kämen eine wöchentliche individuelle Laufeinheit sowie freitags ein Onlinetraining mit FVH-Trainer Thorsten Haubst.

Görgen liegt nicht nur Fußball am Herzen, sondern auch der Wein. Zwischen 2015 und 2019 studierte er in Geisenheim am Rhein Weinbau – in dieser Zeit pendelte er zwei Mal wöchentlich zum Training nach Morbach. Görgen erkennt Gemeinsamkeiten getreu dem Leitspruch: „Say no to racism, say yes to Riesling“ (übersetzt: „Sag nein zum Rassismus, sag ja zum Riesling.“).

Im elterlichen Weingut („Danke an meine Eltern, die mich immer unterstützen und mir trotz der vielen Arbeit viel Fußballzeit ermöglichen“) in Neumagen geht der gesellige Rebenfan seinem Traumjob nach: „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, schätze die Verbindung von Wein und Fußball und erinnere mich an einige schöne Mannschaftsabende im Weingut.“ Die Arbeit in den Steillagen halte ihn fit, und während der Pandemie sei durch die Arbeit keine Langeweile aufgekommen, auch wenn er die Teamkollegen und den Austausch vermisse.

Görgen blickt nicht nur auf ein dreimonatiges Auslandspraktikum in einem Südtiroler Weingut zurück, sondern ist stolz auf seine Nationalmannschaftskarriere. Seit 2018 ist er Mitglied der Deutschen Fußballnationalmannschaft der Winzer, die vom ehemaligen Bundesligatrainer Erich Rutemöller (1. FC Köln, Hansa Rostock) gecoacht wird. Gleich im ersten Jahr stand für Görgen ein Höhepunkt an, als er 2018 als Stammtorwart der Weinelf bei der EM in Slowenien mitwirkte und Vize-Europameister wurde: „Wir haben Silber gewonnen und auf dem Weg ins Finale Italien mit 4:0 geschlagen. Es ist interessant, mit Winzern aus anderen Ländern zusammenzukommen und zu sehen, dass wir uns trotz verschiedener Kulturen sehr ähnlich sind.“

Mit der Weinelf war Görgen auch schon auf politischem Parkett unterwegs: „Wir wurden von der Bundeskanzlerin nach Berlin eingeladen und durften 2017 Frau Merkel im Bundestag treffen. Sie nahm sich 15 Minuten Zeit für uns und erzählte, dass sie fußballbegeistert sei.“ Die nächste Wein-Europameisterschaft wurde coronabedingt auf Mai 2022 verschoben und wird in Tschechien stattfinden – Görgen freut sich aber jetzt schon darauf.

Georg Schuh, Sportlicher Leiter der Morbacher Rheinlandligamannschaft, schätzt Görgens Zuverlässigkeit und Souveränität. Er bezeichnet ihn als „ganz wichtige Stütze der Mannschaft“. Zudem habe er eine sehr große Präsenz auf dem Platz und überzeuge mit seiner Ansprache und Körpersprache, was zu einem hohen Standing innerhalb der Mannschaft führe.

FVH-Kapitän Andre Petry ergänzt: „Yannick gibt immer 100 Prozent und will immer gewinnen. Er mag es nicht, wenn man ihn lupft und ist nicht nur Fußballkollege, sondern neben dem Platz ein richtig guter Freund geworden.“

Aufrufe: 08.5.2021, 12:05 Uhr
Vinzenz AntonAutor