2024-05-02T16:12:49.858Z

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Trainer Christian Vaubel schaut sich das Spiel seiner Bundesliga-Mädels an.	Foto: Chuc
Trainer Christian Vaubel schaut sich das Spiel seiner Bundesliga-Mädels an. Foto: Chuc

Ein Bundesliga-Trainer aus Büdingen

FRAUEN: +++ Christian Vaubel coacht B-Juniorinnen des SC Dortelweil / In der kommenden Fußball-Runde neue Aufgabe bei den Verbandsliga-Frauen +++

Büdingen. Wenn Christian Vaubel von den vergangenen Monaten erzählt, glänzen seine Augen. Der 47-jährige Büdinger erlebte mit den B-Juniorinnen des SC Dortelweil eine ganz besondere Fußball-Zeit. „Mir werden so viele Momente in Erinnerung bleiben“, sagt Vaubel, der die Mädels als Trainer in die Nachwuchs-Bundesliga führte und dort mit dem Bad Vilbeler Stadtteilklub nach dem offiziell bestätigten Saisonabbruch Platz acht in der Abschlusstabelle belegt. Der Coach teilt diese unvergesslichen Momente mit mehreren ehemaligen Akteurinnen, die er schon bei der MSG Düdelsheim/Oberau betreute.

Der frühere Gruppenligaspieler des SC Viktoria Nidda kam eher zufällig zum Mädchenfußball. „Als das Düdelsheimer Team meiner Tochter 2012 auf Trainersuche war, erklärte ich mich interimsweise für drei, vier Monate bereit. Jetzt bin ich schon achteinhalb Jahre dabei.“ Der Grund dafür ist einfach: „Es macht mir riesigen Spaß.“ Der Vater zweier Töchter arbeitet unheimlich gerne mit den Mädels zusammen. „Da gibt es nicht so viel pubertäres Gehabe wie bei männlichen Nachwuchsmannschaften.“ Insgesamt schneide der Mädchen- und Frauenfußball im Geschlechtervergleich besser ab. „Es gibt deutlich weniger Gemecker und Eitelkeiten. Das ist herrlich angenehm“, betont Vaubel, der deshalb kein Juniorenteam und keine Männermannschaft auf Kreisebene trainieren würde.

Der kaufmännische Angestellte, der das Fußballspielen bei der SG Büdingen lernte und die SG einmal für „sechs oder sieben Partien interimsweise“ betreute, coacht lieber weibliche Mannschaften. Und das mit Erfolg. Während seiner Zeit bei der MSG Düdelsheim/Oberau spielten die C-Juniorinnen zwei Jahre in der Hessenliga, gewannen den Regionalpokal und standen im Hessenpokalfinale.

Im Sommer 2018 endete diese Ära aus personellen Gründen. „Wir hatten immer einen kleinen Kader mit 13 Spielerinnen und zwei Akteurinnen für den Notfall. Es war klar: Sobald jemand vom FFC Frankfurt oder einem anderen Klub abgeworben wird und somit der erste Dominostein fällt, geht es ganz schnell“, erklärt Vaubel, warum ihm vor knapp zwei Jahren nur noch neun Spielerinnen zur Verfügung standen. Die Teilnahme an der Kleinfeldrunde stand für die zuvor auf hohem Niveau spielenden Mädels nicht zur Diskussion.

Und so kam plötzlich der große Rivale MSG Bad Vilbel ins Spiel. „Der Sportliche Leiter für Frauen- und Mädchenfußball, Rüdiger Köhler, bot mir den Trainerjob und den Mädels eine Spielmöglichkeit an.“ Das neu zusammengestellte Team startete in die Hessenliga-Saison 2018/2019, wurde hinter dem nicht aufstiegsberechtigten Ligaprimus 1. FFC Frankfurt U16 Vizemeister und schloss die Runde schließlich mit einem historischen Coup ab. Bad Vilbel qualifizierte sich nach zwei packenden Aufstiegsspielen für die B-Juniorinnen-Bundesliga und verewigte sich als erster Wetterauer Verein auf der Landkarte für Fußball-Erstligisten. „Geplant war das so nicht. Am Ende wollten wir es aber unbedingt“, gesteht der 47-Jährige. In den Aufstiegsspielen gegen den FV Löchgau (1:1) und den TSV Schwaben Augsburg (1:1) reichten schließlich zwei Unentschieden, um die Sektkorken knallen lassen zu können.

Nach dem sportlichen Kraftakt fing für Rüdiger Köhler und Dirk Münkel, Jugendleiter des SC Dorteilweil, die Arbeit erst richtig an. Für die Bundesliga erforderlich waren unter anderem Rasen- und Kunstrasenplatz mit bestimmten Abmessungen, ärztliche Atteste der Spielerinnen, ein Sanitätsdienst, Umsetzungen von Werberichtlinien und Ballkinder. Zudem wurde aus der MSG Bad Vilbel, einem Zusammenschluss des SC Dortelweil, SSV Heilsberg, FC Hessen Massenheim und SV Gronau, der SC Dortelweil, weil in der Bundesliga keine Spielgemeinschaften erlaubt sind.

„Was Rüdiger und Dirk geleistet haben, ist sensationell“, lobt der Coach, der in den vergangenen Monaten ebenfalls mehr als hundert Prozent gab. Vaubel „kennt keine Kompromiss-Lösungen“. Schon während seiner aktiven Karriere wollte der Defensivspezialist „immer so gut sein, wie es nur geht“. Deshalb investierte er in den vergangenen Monaten inklusive Trainingsvorbereitung geschätzt 20 Stunden pro Woche ins Team – lange Auswärtsfahrten nicht berücksichtigt.

Kyra Koulouris, die seit 2012 von Vaubel trainiert wird, bezeichnet ihren Coach als „zuverlässig“ und sehr „zielstrebig“. Zudem sei er immer da, wenn man ein Problem habe. „Seit er mich trainiert, habe ich mich enorm entwickelt. Christian bringt uns in der kurzen Trainingszeit sehr viel bei, hat immer ein kompaktes Programm“, kann sich Koulouris „keinen anderen Trainer mehr vorstellen“.

Wobei Vaubel die gute Balance zwischen sportlichem Anspruch auf der einen sowie Spaß und Harmonie auf der anderen Seite sehr wichtig ist. „Das gilt für das Training und das Umfeld. Die Mädels und alle Beteiligten sollen sich wohlfühlen und mit Freude bei der Sache sein – und das bei maximalem sportlichen Ehrgeiz.“

Dieses Erfolgsrezept brachte zum Zeitpunkt des Saisonabbruchs zwölf Punkte aus zwölf Partien und Nichtabstiegsplatz acht in der Süd-Staffel. „Es ist toll, dass wir auf dem besten Weg waren, den Klassenerhalt sportlich zu schaffen. Trotzdem fühlt es sich durch den Saisonabbruch irgendwie merkwürdig an“, gesteht er.

Dafür bleiben ganz viele Eindrücke aus dem Bundesliga-Jahr hängen. „Es lief alles professioneller ab. Das fing schon bei der Rundenbesprechung im Gebäude des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt an“, sagt der 47-Jährige. Der Höhepunkt sei das Auftaktspiel gegen den FC Bayern München gewesen. „450 Zuschauer kamen zu unserem Heimspiel. Wir hatten Einlaufkinder, gingen bei der 1:4-Niederlage sogar in 1:0-Führung.“ Es folgten weitere schöne Momente wie der erste Bundesligasieg (3:0) gegen den FV Löchgau, das Rückspiel in München mit Übernachtung und die Kräftevergleiche mit Vizemeister SC Freiburg, der TSG Hoffenheim oder dem 1. FFC Frankfurt. Vaubel, der bei den weiteren Heimpartien immerhin 150 Zuschauer im Schnitt zählte, genoss jeden Moment in vollen Zügen. „Ich wusste: Das erlebt man nur einmal.“

Mit der Entwicklung der Spielerinnen ist der Trainer ebenfalls zufrieden. „Es ist absolut beachtlich, was die Mädels an Geschwindigkeit, Körperlichkeit und Technik zugelegt haben.“ Darüber hinaus lobt er den absoluten Willen. „Jede einzelne Spielerin wollte unbedingt.“ Eine Akteurin reiste sogar aus Alsfeld zu jedem Training an.

„Insgesamt“, bedauert Vaubel, „hat der Boom im Mädchenfußball nachgelassen. Es gibt nicht mehr so viele, die kicken wollen.“ Zudem bereitet ihm Sorgen, „dass wieder mehr in Richtung Körperlichkeit und Dynamik trainiert wird, weil sich viele dem Männerfußball angleichen wollen“. Dadurch bleibe die Technik auf die Strecke.

Obwohl die Saison seit Montag seitens des Deutschen Fußball-Bundes offiziell für beendet erklärt wurde, bietet der Dortelweiler Trainer bis Ende Juni zweimal wöchentlich Training an, „weil die Mädels nach neun Wochen Corona-Pause selbst unter strengen Auflagen so gerne kicken wollen“. Zusätzlich steht einmal wöchentlich eine Online-Athletik-Einheit auf dem Programm.

In der kommenden Saison wechselt der zweifache Familienvater mit einem Großteil „seiner Mädels“ in den Frauenbereich, trainiert dann das in der Verbandsliga spielende A-Team des SC Dortelweil. Und die Ansprüche sind ähnlich ambitioniert. „Nach drei Aufstiegen in Folge drehen die Frauen erstmals wieder eine Ehrenrunde und gehen die zweite Saison in Folge in der Verbandsliga an den Start. Wir wollen in der kommenden Runde oben mitspielen.“ Langfristig sei die Regionalliga das Ziel.

Der Büdinger freut sich auf sein neues Betätigungsfeld. „Wobei wir ein Durchschnittsalter von knapp über 18 Jahren haben und man eigentlich nicht von einem Frauenteam sprechen kann“, schmunzelt er.

Die neue Runde kann auf jeden Fall kommen, wann immer sie beginnen mag. Coach Vaubel und seine Spielerinnen sind bereit, ein weiteres Kapitel der Dortelweiler Fußballgeschichte zu schreiben.

Foto: Chuc



Aufrufe: 02.6.2020, 08:00 Uhr
Torben Frieborg (Kreis-Anzeiger)Autor