2024-05-02T16:12:49.858Z

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Vermisst die Gemeinschaft: Als Jugendkoordinator beim SV Gimbsheim bleibt Sebastian Schulz nur das Internet für den Kontakt mit den Kindern.	Archivfoto: pa/Schmitz
Vermisst die Gemeinschaft: Als Jugendkoordinator beim SV Gimbsheim bleibt Sebastian Schulz nur das Internet für den Kontakt mit den Kindern. Archivfoto: pa/Schmitz

Digital ist nicht der Anspruch

Bei Anpfiff ins Leben hofft Sebastian Schulz, dass die jungen Fußballer schnell wieder ihren Bewegungsdrang ausleben können

Gimbsheim. Fünf Jugendmannschaften gab es beim SV Gimbsheim, als Sebastian Schulz 2018 als Jugendkoordinator einstieg. Vor mittlerweile sieben Jahren war der Fußballklub der erste Standort des „Anpfiff ins Leben“-Programms in der Region Rhein und Hessen. Inzwischen sind es 160 Kinder und Jugendliche, die sich auf zehn Mannschaften verteilen. D-, E- und F-Junioren sind mit Talenten aus der direkten Umgebung doppelt besetzt, die A-Jugend schaffte in ihrer Debüt-Saison 2018/19 direkt den Aufstieg in die Landesliga. Doch aktuell sind alle 160 Kicker zum Nichtstun verdonnert.

Zumindest, was die fußballerische Komponente angeht. „Anpfiff ins Leben“ ist mehr als das, es geht um ganzheitliche Jugendförderung. Schulz spricht von vier Komponenten. „Der Sport fällt aus, Training ist nicht möglich“, klar. Mit der zum Corona-Schutz politisch verordneten Kontaktvermeidung sind auch die sozialen Projekte am Vereinsheim oder in den Einrichtungen vor Ort auf Eis gelegt. Die Berufsorientierung geht zumindest in abgeschwächter Form digital weiter. Und das Nachhilfe-Angebot ebenfalls. Die Hälfte der rund ein Dutzend Kinder und Jugendlichen nutzen die Unterstützung der Lernbegleiter via Internet.

Doch der ganzheitliche Ansatz, die Verbindung aus sportlichem Gemeinschaftserlebnis und schulisch-sozialer Entwicklungsförderung, ist derzeit nicht umsetzbar. Die Spieler aus dem Leistungsbereich von A- bis C-Jugend haben individuelle Trainingspläne für daheim mitbekommen „Bei den Kleinen haben wir Technikübungen vorgeschlagen, die lassen wir nicht durch den Wald laufen“, sagt Schulz. Es gibt Videos vom Verband und dem Verein „Anpfiff ins Leben“, die Basis ist eine freiwillige. Inwieweit die Kids in der kalten Jahreszeit daheim aktiv sind, lässt sich nicht ermitteln. Die Befürchtung ist, dass sie es nicht sind.

Zumindest war das die Beobachtung, als im Frühjahr nach dem ersten Lockdown wieder Kleingruppen-Training möglich wurde. „Viele hatten wenig oder gar nichts gemacht“, erinnert sich Schulz, „das wöchentliche Training hat ihnen gefehlt“. Auffällig war aber auch, mit wie viel Bewegungsdrang und Enthusiasmus die Kinder und Jugendlichen wieder in die Übungseinheiten gingen, erst recht, als auch Wett- und Zweikampfformate erlaubt waren. Sich mit anderen messen, sich auspowern, dieser Impuls schoss förmlich aus den Jungfußballern heraus. Dass nun neuerlich die Vollbremse gezogen wurde, werde Auswirkungen haben, da ist sich Schulz sicher. Wie weit diese reichen, will er nicht orakeln. „Ich kann in keinen Acht- oder Zwölfjährigen reingucken“, sagt der 28-Jährige, „ich selbst wollte in dem Alter einfach nur Fußball spielen. Das nicht zu dürfen, ist eine Katastrophe“.

Das Gute: Beim SV Gimbsheim sind noch keine Abmeldungen eingegangen. Und der Klub ist gerüstet für den Wiederbeginn, wann auch immer er erlaubt sein wird. Zurzeit führt der Jugendkoordinator die Gespräche mit den Trainern über die kommende Saison, was sonst erst im Frühjahr anstehen würde. „Als wir im Mai wieder in Kleingruppen trainieren durften, hatten wir in Gimbsheim den Vorteil, optimal aufgestellt zu sein“, blickt er zurück. Platzkapazitäten, mindestens zwei Trainer pro Team, die Rahmenbedingungen setzen keine Limits. Inzwischen gibt es auch eine eigene, interne Mediathek mit Handreichungen für die Trainingsgestaltung.

Mit dem quantitativen Aufschwung soll ein qualitativer einher gehen. „Das braucht Zeit, muss wachsen“, sagt Schulz, der auch selbst auf eine Fortsetzung der Spielzeit hofft. Der Mittelfeldspieler ist mit den Gimbsheimer Aktiven Landesliga-Zweiter, der Aufstieg erscheint möglich. Alle paar Jahre brauche er einen neuen Reiz, sagte Sebastian Schulz im Mai 2018. Einstweilen ist dieses Bedürfnis zum Erliegen gekommen. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt er. Erst recht, wenn endlich wieder Fußball gespielt oder zumindest trainiert werden darf. Dann nämlich soll der Gimbsheimer Aufschwung mit dem „Anpfiff ins Leben“-Programm fortgesetzt werden.

Aufrufe: 012.12.2020, 10:00 Uhr
Torben SchröderAutor