2024-06-04T08:56:08.599Z

Interview der Woche

„Die Situation wäre auch für Pep Guardiola schwer“

Imke Wübbenhorst schreibt als Trainerin von BV Cloppenburg deutsche Sportgeschichte und kämpft um den Klassenerhalt

Seit die frühere Bundesliga-Spielerin im Dezember den BV Cloppenburg als Trainerin übernommen hat, kennt ganz Fußball-Deutschland den Namen Imke Wübbenhorst. Denn mit ihrem Engagement beim Tabellenletzten der Oberliga hat die 30-Jährige Fußballgeschichte geschrieben. Es ist das erste Mal, dass eine Frau in einer der ersten fünf Ligen ein Männerteam betreut.Ob „NDR“,„Welt am Sonntag“ oder „Bild“ –Wübbenhorst war in den vergangenen Wochen omnipräsent. Heute Abend tritt sie mit Cloppenburg beim FC Hagen/Uthlede an (20 Uhr). Vor dem Spiel sprach Christian Heinig mit Wübbenhorst über den Medienrummel um Ihre Person, die Mission Klassenerhalt, die Stärken der Hagener und ihre Karrierepläne als Trainerin.

Haben Sie mitgezählt, wie viele Interviews Sie seit Ihrem Amtsantritt schon gegeben haben?
Oh, das ist schwer. Ich war nie sonderlich gut in Mathe. Da kann ich gar keine genaue Zahl nennen. Aber es waren schon etliche.

Macht es noch Spaß oder hätten Sie gern mehr Ruhe? Mich nervt nur, wenn es immer um das Gleiche geht. Ich rede einfach gern über Fußball. Aber oft geht es immer nur um das Thema Mann/Frau. ‚Wie ist es denn als Frau?‘, werde ich gefragt. Oder: ‚Wie kommt man mit den Jungs zurecht?‘ Für mich und meine Mannschaft ist das gar kein Thema. Also, wenn es um Fußball geht, macht mir das mehr Spaß. Aber ich beantworte auch andere Fragen. (lacht)

Es hieß, dass es auch Anfragen von CNN und der BBC gab? Stimmt das?
Ja, die gab es. Aber das habe ich ignoriert.

Wie ist das Team mit dem Rummel um Ihre Person umgegangen. Hat die Spieler das tangiert?
Intern hat das überhaupt keine Rolle gespielt. Beim Training war ja auch nur einmal ein Kamerateam vom Sportinformationsdienst da, die ihr Material dann an den NDR und RTL gegeben haben. Ansonsten habe ich die Medientermine in meiner Freizeit gemacht. Nur beim ersten Spiel war viel los, aber das ist wieder abgeflaut. Wobei ich das Gefühl habe, dass die Jungs das auch motiviert hat. Die freuen sich, wenn sie mal im Fokus stehen.

Die Mission, auf der Sie mit Cloppenburg sind, ist heikel. Sie haben das Team von Olaf Blancke, den es nach Delmenhorst gezogen hat, auf dem letzten Tabellenplatz übernommen, wo der BV nach wie vor steht. Ist das nicht ein Himmelfahrtskommando?
Jeder, der Ahnung hat, sieht, dass es absolut schwer wird. Der Verein hat finanziell keine Mittel, es gab im Winter weitere Abgänge, dafür haben wir mehrere A-Junioren hochgezogen. Und wir haben jetzt in der Liga richtige Bretter vor uns mit Hagen, Spelle, Delmenhorst, Northeim. Die Situation wäre auch für Pep Guardiola schwer. Oder für Jürgen Klopp. Der könnte da auch nicht 1000 Sachen rausholen. Mir geht es darum, die Jungs zu entwickeln und voranzubringen, sie gut einzustellen. Wenn das zu Erfolgen führt – super. Aber die Ergebnisse sind nicht allein der Maßstab, an dem ich mich messen lasse. Es ist wahnsinnig schwer, die Liga zu halten. Aber wir geben uns nicht auf. Das ist auch meine Aufgabe, die Jungs dahin zu bekommen, dass sie Hundert Prozent geben, dass sie in jedem Spiel an den Sieg glauben.

Am Mittwoch erst ist bekannt geworden, dass Eintracht Braunschweig sein U23-Team nach der Saison abmeldet. Das bedeutet, dass es statt vier nur drei Absteiger geben wird. Motiviert das zusätzlich?
Klar, macht es Hoffnung, aber sekundär. Primär wollen wir von Spiel zu Spiel denken und jeden Gegner vor eine Herausforderung stellen.

Können Sie denn den Fußball spielen lassen, den Sie als Trainerin bevorzugen?
Das geht nicht. Ich würde gern richtig Attacke spielen. Ein starkes Pressing, um den Ball schon im ersten Abwehrdrittel des Gegners zu erobern. Es ist ja erwiesen, dass die meisten Tore so erzielt werden – nicht, wenn du hinten gekonnt raus spielst. Mit meinem Team jetzt komme ich aber nicht in die Räume für solche Balleroberungen. Wir haben auch keine prädestinierten Konter-Spieler. Was wir machen wollen, ist: hinten tief und kompakt zu stehen. Und wir arbeiten daran, nach Balleroberung auch mal im Ballbesitz zu bleiben, um die Möglichkeit zu haben, als Mannschaftsverbund vorrücken zu können und nicht nur hinterher zu laufen. Hagen macht es gegen spielstarke Gegner oft ähnlich. Die stehen hinten sehr kompakt, gern mit zwei Viererketten. Vorn haben sie aber mehrere schnelle Pfeile, wie den 5er, Justin Dähnenkamp. Und nach Balleroberung geht es ab. Aber vielleicht spielen sie gegen uns auch mit offensiverer Ausrichtung. Das werden wir sehen.

Auch, wenn die Saison noch läuft – machen Sie sich schon Gedanken über Ihre Zukunft?
Mein Fokus liegt gerade voll auf Cloppenburg . Ich will die Jungs gut vorbereiten und entwickeln. Aber auch persönlich habe ich einiges vor. Ich habe mich zum Fußballlehrer beworben. Mitte April muss ich nach Hennef, um die Eignungsprüfung zu machen. Ich habe schon seit sieben Jahren die A-Lizenz und auch schon zwei Jahre in der 2. Frauen-Bundesliga trainiert. Aber taktisch ist das was anderes als in der Männer-Oberliga.

Inwiefern?
Dort arbeitst du fast ausschließlich mit ehemaligen Jugend-Nationalspielerinnen. Aus Neuseeland, Griechenland, Polen, Holland und Deutschland. Das ist taktisch ein anderes Niveau. Im Gegensatz dazu ist in der Oberliga das Tempo höher. Ich will mich einfach persönlich weiterentwickeln, um auch als Trainerin den nächsten Schritt zu machen. Kein Männerverein der Welt, der in der 4. Liga ist – also bei uns in der Regionalliga – würde mich als Frau holen, wenn ich mich nicht auch durch eine höhere Qualifikation von anderen Trainern abgrenze. Dazu muss ich den Fußballlehrer haben. Das wird auch bald die Voraussetzung sein, um in der 1. Frauen-Bundesliga als Trainerin zu arbeiten.

Was würde Sie als Trainer-Job denn mehr reizen: Ein Jugendnationalteam beim DFB oder Regionalliga Männer?
Ein Regionalligist. (lacht)

Weil?
Insgesamt bin ich lieber Vereinstrainerin. Ich hätte mich jetzt auch bewerben können als Verbandssportlehrerin, weil ich auch ein Sportstudium habe. Aber ich mag das tägliche Arbeiten mit einem Team. Jedes Wochenende ein Spiel. Sieg oder Niederlage. Die Emotionen. Ich liebe das. Und es ist etwas anderes, wenn du als Verbandstrainerin dir Spielerinnen raussuchst, sie entwickelst und dann wieder abgibst.

Sie sitzen also lieber auf einem heißen Stuhl im Verein als auf einem etwas ruhigeren im Verband?
Ja schon. Und ich würde auch gern weiter Männerteams betreuen.

Hauptberuflich sind Sie Lehrerin. Harmoniert das zeitlich eigentlich gut mit dem Trainerjob?
Es geht. Vor allem, wenn man es mit der Zeit davor vergleicht. In der 2. Bundesliga mussten wir auch mal nach Hoffenheim oder München zu den Auswärtsspielen, da ging viel Freizeit verloren. Jetzt fahren wir nach Oythe oder eben Hagen. Das ist fast um die Ecke. Also gibt es jetzt sogar fast eine Zeitersparnis.

Dafür ist die sportliche Situation jetzt prekärer.
Das stimmt. Aber das ist eine Herausforderung auf vielen Ebenen für mich.



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Aufrufe: 022.3.2019, 11:30 Uhr
Nordsee-Zeitung / Christian HeinigAutor