2024-06-06T14:35:26.441Z

Interview
Physio Michael Seidel mit Johannes Ludwig, dem zweifachen Goldmedaillen-Gewinner von Peking.
Physio Michael Seidel mit Johannes Ludwig, dem zweifachen Goldmedaillen-Gewinner von Peking. – Foto: privat

Die goldene Reise des Jahn-Physios

Mitch Seidel durfte mit seinen goldenen Händen dazu beitragen, dass die Deutschen Rodler vier Gold- und zwei Silbermedaillen bei Olympia mit nach Hause bringen konnten.

Michael „Mitch“ Seidel ist seit ein paar Tagen wieder als Physio der U21 des SSV Jahn unterwegs. Bis letzte Woche war er allerdings bei Olympia im Einsatz. Seit November war er mit den Deutschen Rennrodlern unterwegs. Zuerst im Weltcup, dann bei den Olympischen Spielen in Peking. Der Jahn-Physio stand uns nun Rede und Antwort. Noch immer freut er sich unwahrscheinlich über die vier Gold- und zwei Silbermedaillen der Deutschen Rodler.

Herr Seidel, der Erfolg der Deutschen Rodler war durchschlagend. Konnte man im Vorfeld damit rechnen?

Mitch Seidel: Im Weltcup wurde deutlich, dass unser Team D sicherlich um die Medaillen mitfahren würde. Insbesondere die Österreicher haben es unseren Athleten zwar äußerst schwer gemacht, dennoch konnte Deutschland alle Wettbewerbe für sich entscheiden, was natürlich überragend war. Durch die Erfolge der Rodler führte Deutschland nach Abschluss der Rodelwettbewerbe sogar den Gesamt-Medaillenspiegel an.

Einige Athleten haben Geschichte geschrieben…

Seidel: Ja, das stimmt. Natalie Geisenberger löste die fünfmalige Olympiasiegern Claudia Pechstein als Deutschlands erfolgreichste olympische Athletin ab. Natalie machte ihre Sache überragend, holte sich ihre Goldmedaillen fünf und sechs. Ebenfalls sechs Mal Gold hat nun unser Doppelsitzer mit Tobias Wendl und Tobias Arlt. Ein besonderer Moment war es auch, als Johannes Ludwig mit 35 Jahren sein erstes Olympiagold im Einzel geholt hat. Das i-Tüpfelchen war, als das Team D in der abschließenden Team-Staffel, mit einem Wimpernschlag vor Österreich Gold gewinnen können. Am Start waren die jeweils erfolgreichsten Athleten aller Nationen. Für uns gingen Natalie Geisenberger, Johannes Ludwig sowie Tobias Wendl und Tobias Arlt an den Start. Den Wettbewerb gibt es seit 2014. Bisher gab es noch keinen anderen Sieger als Deutschland.

Zurück im Alltag: Seit ein paar Tagen ist Mitch Seidel wieder als Physio der Jahn-U-21 unterwegs.
Zurück im Alltag: Seit ein paar Tagen ist Mitch Seidel wieder als Physio der Jahn-U-21 unterwegs. – Foto: Markus Schmautz

Der Rodelweltcup ist vorbei, ebenso Olympia. Wie geht es mit Ihnen nun weiter?

Seidel: Ich bin seit November mit den deutschen Rennrodlern unterwegs. An Weihnachten war ich das letzte Mal ein paar Tage zu Hause in Mintraching. Seit Silvester sind wir ununterbrochen unterwegs. Seit Montag letzter Woche stehe ich wieder bei Eden Reha an der Behandlungsbank. Sportlich rückte wieder der Fußball in den Fokus. Gleichzeitig bin ich ja auch der Physio der U23 des SSV Jahn Regensburg.

Wie steht es um Ihre Zukunft bei den Rodlern?

Seidel: Für mich war es eine großartige Erfahrung, diese herausragenden und vollkommen auf Olympia fokussierten Sportler bei ihren Missionen begleiten zu dürfen. Natürlich waren die Tage lang, bei Olympia war ich der einzige Physio bei den Rennrodlern. Nun gilt es alles Revue passieren zu lassen. In naher Zukunft werden sicherlich Gespräche bezüglich einer weiteren Zusammenarbeit anstehen. Im Normalfall werde ich einen Teil der Mannschaft im August ins Sommertrainingslager in den Olympiastützpunkt nach Kienberg begleiten. Es war unbeschreiblich, ein Teil dieses unglaublichen Teams sein zu dürfen. Man fiebert in allen Belangen mit, freut sich über jeden einzelnen Erfolg als wäre man selbst auf dem Schlitten gesessen, leidet aber auch mit, beispielsweise bei dem Sturz von Julia Taubitz, die wenige Tage zuvor noch den Gesamtweltcup gewonnen hat.

Immer live an der Bobbahn dabei. Hier jubelt Seidel an der Seite von Felix Loch (l.).
Immer live an der Bobbahn dabei. Hier jubelt Seidel an der Seite von Felix Loch (l.). – Foto: Philipp Reinhard

In Deutschland liest man viel über die Olympischen Dörfer. Einiges ist dort wohl nicht so optimal, oder?

Seidel: Es gibt ja drei Olympische Dörfer. Wir waren in Yanqing, zwei Stunden von Peking entfernt untergebracht. Hier wohnen alle Athleten und Teammitglieder, die mit der Eisbahn oder den alpinen Wettbewerben zu tun haben. Alles war in einem Top-Zustand. Vor Ort merkte man nichts von angeblich verstopften Wasserleitungen oder Toiletten. Unsere Athleten können aus eigener Erfahrung Vergleiche zu den vorherigen Winterspielen ziehen. Es war hier wirklich alles in Ordnung. Man darf halt nicht alles glauben, was man in der Presse liest (Seidel lacht herzhaft). Mit Shuttlebussen waren wir innerhalb von zehn Minuten an der Wettkampfstätte. Die chinesischen Bediensteten waren allesamt freundlich und zuvorkommend. Wir konnten uns wirklich nicht beschweren. Und die Bobbahn, ein komplett überdachtes Prestigeprojekt mit einem extrem großen Starthaus, war in einem herausragenden Zustand. Noch wesentlich besser als das im November beim Testlauf der Fall war.

Konnten Sie auch andere Wettkämpfe besuchen?

Seidel: Auch meine Tage waren lang und arbeitsreich. Vor Ort war ich allerdings beim Abfahrtslauf der Männer. Im Dorf und an den Wettkampfstätten waren wir in einer Blase, wo wir uns allerdings frei bewegen durften. Seit dem Zeitpunkt der Einreise mussten wir täglich einen PCR-Test machen. Schade war natürlich, dass bei den Wettkämpfen keine Zuschauer mit dabei sein durften. Dafür machten die chinesischen Volunteers gehörig Stimmung. Die chinesische Bevölkerung erwies sich als ein hervorragender Gastgeber.

Gab es ein Erlebnis, das Sie nie vergessen werden?

Seidel: Da gab es viele. Gänsehaut pur war es für mich, als ich mit Team D bei der Eröffnungszeremonie ins Stadion einlaufen durfte. Das waren wirklich unbeschreibliche Momente.


Das Interview führte Markus Schmautz.

Aufrufe: 025.2.2022, 13:21 Uhr
Markus SchmautzAutor