2024-06-19T10:33:50.932Z

Allgemeines
Inan Naki (rechts) und Ayhan Gündogdu vom SV Kurdistan.
Inan Naki (rechts) und Ayhan Gündogdu vom SV Kurdistan.
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Die Ein-Mann-Torfabrik aus Düren

33 Treffer und 24 Vorlagen in 26 Spielen: Das ist Inan Nakis Quote. In der Fußball-Kreisliga wird er regelrecht vergöttert.

Inan Naki ist kein Freund großer Worte. „Ich gebe eigentlich nie Interviews“, sagt der 21-Jährige. „Für mich ist wichtig, was auf dem Platz passiert.“ Inan Naki ist Fußballer, genauer gesagt zentraler Mittelfeldspieler beim SV Kurdistan. Den Aufstieg in die Bezirksliga hat Nakis Club schon vor zwei Wochen perfekt gemacht, wenn der SV Kurdistan morgen (siehe Themeninfo) gewinnt, holt die Mannschaft auch die Meisterschaft – am drittletzten Spieltag.

Naki, der in Düren geboren und aufgewachsen ist, ist an diesem Erfolg nicht ganz unbeteiligt. Genau genommen ist er sogar einer seiner Väter. Er hatte an 57 (von bisher 76) Toren seiner Mannschaft Anteil. 33 hat er selbst geschossen, 24 vorbereitet – und das in 26 Spielen. Zum Vergleich ohne Berücksichtigung des sportlichen Niveaus: Robert Lewandowski vom FC Bayern München, Torschützenkönig der Fußball-Bundesliga, hat in der vergangenen Saison 22 Tore gemacht. „Ich kann schwer erklären, warum ich so viele Tore schieße“, sagt Naki. „Ich glaube, ich habe einfach einen Instinkt. Ich spüre, wann es Sinn macht, aufs Tor zu schießen. Und ich habe einen guten Blick für den besser positionierten Mitspieler. Dann spiele ich ab. Egoismus bringt beim Fußball nichts.“

Die entscheidenden Treffer

Naki macht nicht nur viele Tore, er macht auch häufig die entscheidenden Treffer. Zum Beispiel Ende März beim Spitzenspiel und Lokalderby der Liga vor mehr als 1000 Zuschauern gegen den Türkischen SV. „Wir haben 0:2 zurückgelegen, eine rote Karte kassiert und am Ende doch noch gewonnen“, sagt Inan Naki. „Das sind wirklich ganz besondere Momente. Und das sind die Augenblicke, für die ich Fußball spiele.“

Dabei hätte der Bruder von Fußballprofi Deniz Naki (29), der zuletzt in die Schlagzeilen geraten war, weil er behauptet hat, dass auf ihn auf der A4 ein Anschlag mit Schusswaffen verübt worden sei, eigentlich seine Fußballschuhe schon längst an den Nagel gehängt. „Ich habe beim SV Rott in der U 19 gespielt“, sagt er. „Und danach wollte ich aufhören. Ich war insgesamt enttäuscht vom Fußball. Aber dann habe ich vom SV Kurdistan gehört. Dieses Projekt wollte ich unterstützen.“

Das war vor drei Jahren, damals spielte der neue Verein seine zweite Saison. „Ja“, ergänzt Naki, „ich bin in Düren groß geworden. Und natürlich ist das auch meine Heimat. Aber meine Wurzeln sind eben Kurdistan.“ Der Verein habe sich gegründet, um den Kurden, die in Düren und Umgebung leben, einen Raum zu geben, wo sie sich regelmäßig treffen. „Es geht auch um Gemeinschaft“, sagt Naki. „Und zu diesem Gefühl wollte ich beitragen. Identität, Gemeinschaft – das ist in unserer Kultur sehr wichtig.“ Ein Indiz dafür, dass das wirklich so ist, ist die Tatsache, dass zu den Heimspielen des SV Kurdistan an der Westkampfbahn regelmäßig um die 300 Fans kommen. „Das ist wie ein Familienfest. Und das ist einfach sehr schön.“

Dass der SV Kurdistan damals „nur“ in der Kreisliga B gespielt hat, hat für den Mann mit der Rückennummer 62 keine Rolle gespielt. „Die Liga war mir total egal“, sagt er. „Ich wollte zu einem Verein gehören, der meine Farben repräsentiert. Aber natürlich ist es toll, dass wir so schnell aufgestiegen sind.“

Ähnlich wie seinem berühmten Bruder, der immer wieder das Selbstbestimmungsrecht der Kurden in der Türkei öffentlich unterstützt hat und im März 2018 vor dem UN-Gebäude aus Protest gegen die Militäroffensive der Türkei gegen die Kurden in Syrien in Hungerstreik getreten war, liegt auch Inan Naki das Schicksal seines Volkes besonders am Herzen. Deniz Naki wurde aufgrund seiner politischen Überzeugungen von der Türkischen Fußballföderation lebenslang gesperrt. „Und ich bin deswegen beim SV Kurdistan, auch wenn ich durchaus bei höherklassigen Vereinen spielen könnte,“ betont Bruder Inan Naki. Grundsätzlich spricht der Mittelfeldspieler nicht viel über seinen Bruder. „Natürlich werde ich oft auf ihn angesprochen. Schon allein, weil wir uns so ähnlich sehen. Und das ist auch okay, schließlich ist es mein Bruder. Aber ich möchte das, was er tut, und seine politische Einstellung nicht kommentieren. Was ich schön finde ist, dass er mir Tipps in Sachen Fußball gibt. Aber nur, wenn ich ihn danach frage.“

Die Naki-Brüder sind sich nicht nur ähnlich, sie haben auch eine ähnliche Spielweise. Das bestätigt auch Ayhan Gündogdu, sportlicher Direktor beim SV Kurdistan. „Inan Naki ist wie sein Bruder ein überragender Fußballer. Er könnte locker zwei, drei Klassen höher mithalten. Dass er trotzdem beim SV Kurdistan bleibt, rechnen ihm die Menschen hoch an.“ Inan Naki, ergänzt Gündogdu, sei ein absoluter Publikumsliebling. „Die Menschen vergöttern ihn regelrecht. Es gibt mittlerweile schon Kinder, die sich Trikots mit seinem Namen bedrucken lassen. Darüber hinaus hat er auch in der Mannschaft einen guten Stand.“ In der Halbzeitpause beim Spiel gegen den Türkischen SV war es Naki, der trotz des Rückstandes in der Kabine eine klare Ansage gemacht hat. Gündogdu: „Und er hat das Spiel gedreht. Es ist nicht nur seine fußballerische Klasse, sondern auch Wille sowie Kampf- und Mannschaftsgeist, die aus Inan einen wirklich besonderen Fußballer machen.“ So viel Lob ist dem 21-Jährigen, der sich im Augenblick voll und ganz auf den Fußball konzentriert, fast schon zu viel. „Ich bin vielleicht gut“, sagt er. „Aber es geht immer noch besser. Das ist auch etwas, das ich von meinem Bruder gelernt habt. Man muss immer an sich arbeiten und versuchen, sich zu verbessern.“

Respekt und Anerkennung

In der kommenden Saison will Naki weiter beim SV Kurdistan spielen. „Im Augenblick kann ich mir keinen anderen Verein vorstellen, der mir so viel Respekt und Anerkennung entgegenbringt, und bei dem Fußball mit so viel Emotionen verbunden ist.“ Ganz ausschließen, irgendwann doch in einer höheren Liga zu spielen, will Inan Naki nicht. „Und wir würden ihm auch keine Steine in den Weg legen“, sagt Gündogdu. „Er ist einer von uns, und wir sind sehr stolz.“ So oder so muss Naki sich zunächst in der Bezirksliga beweisen. Mal sehen, ob er dann immer noch so torgefährlich ist.


Ein Sieg reicht für die Meisterschaft

Am morgigen Sonntag, 2. Juni, kann der SV Kurdistan nach dem Aufstieg mit einem Sieg gegen den SC Jülich auch die Meisterschaft in der Kreisliga A klarmachen. Kurdistan als Tabellenerster ist klarer Favorit gegen den Tabellensechsten.

Anpfiff an der Westkampfbahn in Düren ist um 14.15 Uhr. Holt die Mannschaft von Trainer Maik Wengorz drei Punkte und wird Meister, wird es eine große Feier und auch einen Autokorso durch Düren geben.

Aufrufe: 01.6.2019, 11:00 Uhr
Sandra Kinkel AZ/ANAutor