2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
– Foto: Heiko van der Velden

Deut­sche Wel­le in den Nie­der­lan­den

Mit Ro­ger Schmidt, Frank Wormuth und Tho­mas Letsch mi­schen in der lau­fen­den Sai­son drei deut­sche Trai­ner den Fuß­ball im Nach­bar­land auf. Mit ih­ren Pres­sing­kon­zep­ten sor­gen sie im Land des Ball­be­sit­zes für Fu­ro­re.

Als Tho­mas Letsch vor we­ni­gen Wo­chen ge­fragt wur­de, ob sei­ne Fa­mi­lie be­reits nach Arn­heim ge­zo­gen sei, ant­wor­te­te er ziem­lich di­plo­ma­tisch: „In mei­nem Be­ruf macht es kei­nen Sinn, mit der gan­zen Fa­mi­lie um­zu­zie­hen, weil nie­mand weiß, was in der Zu­kunft pas­siert.“ Der 52-jäh­ri­ge Deut­sche ist seit Be­ginn der lau­fen­den Sai­son Chef­trai­ner beim nie­der­län­di­schen Erst­li­gis­ten Vi­tes­se Arn­heim. Wie weit­sich­tig die Ant­wort von Tho­mas Letsch war, be­weist ein kur­zer Blick auf die jün­ge­re His­to­rie sei­nes neu­en Ar­beits­plat­zes. Al­lein seit 2016 nah­men sechs Trai­ner auf dem Schleu­der­sitz Platz.

Doch bis­lang macht es den An­schein, als sei Letsch, der zu­vor bei Aus­tria Wien, Erz­ge­bir­ge Aue und Red Bull Salz­burg ak­tiv war, ge­kom­men, um zu blei­ben. Vi­tes­se Arn­heim steht nach 14 Spiel­ta­gen auf Ta­bel­len­platz vier, Spit­zen­rei­ter Ajax Ams­ter­dam hat nur fünf Punk­te mehr auf dem Kon­to. Die Rol­le des Ti­tel­aspi­ran­ten ist da­bei völ­lig neu für den nie­der­län­di­schen Tra­di­ti­ons­ver­ein.

In sei­ner 128-jäh­ri­gen Ge­schich­te war Vi­tes­se Arn­heim am Sai­son­en­de nie bes­ser als auf Rang drei. Da­für aber träum­ten sie in den 2010er-Jah­ren um­so grö­ßer. Gleich mehr­fach wech­sel­te der Ver­ein den Be­sit­zer, auf den ge­or­gi­schen Ge­schäfts­mann Me­r­ab Jor­da­nia folg­te der rus­si­sche Mil­li­ar­där Alex­an­der Tschi­girin­ski. Mitt­ler­wei­le ist der Olig­arch Va­le­ry Oyf Groß­ak­tio­när. Sie al­le ver­spra­chen das gro­ße Geld und Ti­tel. Ge­recht wur­den sie den An­sprü­chen nicht. Statt­des­sen avan­cier­te Vi­tes­se Arn­heim zu­letzt eher zur grau­en Maus der Li­ga, die Zu­schau­er­zah­len im Sta­di­on Gel­re­Do­me san­ken ste­tig.

Doch seit der lau­fen­den Sai­son herrscht fri­scher Wind beim Fuß­ball­klub aus der 160.000-Ein­woh­ner-Stadt. Die Ge­sich­ter des Auf­schwungs kom­men aus Deutsch­land. Es sind Tho­mas Letsch und Jo­han­nes Spors, die für ei­ne klei­ne Fuß­ball­re­vo­lu­ti­on am Rhein sor­gen. Es war die ers­te Amts­hand­lung des neu­en Sport­di­rek­tors Spors, der zu­vor bei RB Leip­zig das Scou­ting und beim HSV die Ka­der­pla­nung ver­ant­wor­te­te, Tho­mas Letsch als Trai­ner ein­zu­stel­len. Die Deut­schen ken­nen sich aus ge­mein­sa­men Red-Bull-Zei­ten – und ste­hen für at­trak­ti­ven Of­fen­siv­fuß­ball. Bei sei­ner Vor­stel­lung im März sag­te Spors über den Tra­di­ti­ons­klub, dass er „aus sei­nen struk­tu­rel­len Mög­lich­kei­ten her­aus den eu­ro­päi­schen Fuß­ball er­rei­chen kann – und nicht mit dem Porte­mon­naie ei­nes Spon­sors“.

Bis­lang geht die Rech­nung auf. Nach 14 Spiel­ta­gen steht man auf Platz vier. Mit ho­hem Pres­sing und di­rek­tem Spiel nach vor­ne hat Vi­tes­se im Land des Ball­be­sitz­fuß­balls und des tra­di­tio­nel­len 4-3-3-Sys­tems für Auf­merk­sam­keit ge­sorgt. Auf dem Weg zum Tor brau­chen die Gelb-Schwar­zen meist nur we­ni­ge Kon­tak­te. „Was ich so mit­be­kom­men ha­be, war, dass die Leu­te zu Be­ginn schon recht skep­tisch wa­ren: ,Was ma­chen die da?’. Jetzt merkt man aber, dass die Leu­te recht be­geis­tert sind“, sag­te Tho­mas Letsch jüngst. Da­bei wur­de sein Team aus be­schei­de­nen Mit­teln zu­sam­men­ge­stellt. Im Ka­der ste­hen nicht nur zahl­rei­che Leih­spie­ler, son­dern vor al­lem Ak­teu­re, die an­ders­wo in ei­ne Kar­rie­re-Sack­gas­se ge­ra­ten wa­ren.

Doch das En­ga­ge­ment von Letsch passt in ei­nen Trend. Die nie­der­län­di­sche Er­e­di­vi­sie er­reich­te zu­letzt näm­lich ei­ne deut­sche Wel­le. Mit Ro­ger Schmidt bei PSV Eind­ho­ven und Frank Wormuth bei Her­a­cles Al­me­lo sind zwei wei­te­re deut­sche Trai­ner er­folg­reich in der höchs­ten Spiel­klas­se des Nach­bar­lan­des ak­tiv. Hin­zu kom­men 31 Spie­ler ver­teilt auf 14 Ver­ei­ne. Die nam­haf­tes­ten sind Ma­rio Göt­ze, Phil­ipp Max und Ti­mo Baum­gartl, die un­ter Ro­ger Schmidt auf­lau­fen. Auch die Ex-Bun­des­li­ga-Ak­teu­re Se­bas­ti­an Pol­ter (For­tu­na Sit­tard), Lars Un­ner­stall (PSV Eind­ho­ven) und Lenn­art Thy (Spar­ta Rot­ter­dam) ha­ben ih­rer Kar­rie­re in den Nie­der­lan­den neu­es Le­ben ein­ge­haucht. Den Grund da­für, dass die Le­gio­nä­re in der Er­e­di­vi­sie ein­schla­gen, brach­te jüngst Ma­xi­mi­li­an Wit­tek im Ge­spräch mit dem Fuß­ball­ma­ga­zin „Voet­bal In­ter­na­tio­nal“ auf den Punkt. Der Links­ver­tei­di­ger, einst deut­scher U20-Na­tio­nal­spie­ler und bis zum Som­mer beim Zweit­li­gis­ten Greu­ther Fürth un­ter Ver­trag, ist mitt­ler­wei­le Stamm­spie­ler un­ter Tho­mas Letsch bei Vi­tes­se Arn­heim. „Ich brin­ge ein biss­chen deut­sche DNA mit: im­mer mehr ge­ben zu wol­len“, sag­te der 25-Jäh­ri­ge.

In­fo: Der deut­sche Boom in der Er­e­di­vi­sie

Trend Ak­tu­ell sind 31 Fuß­ball­pro­fis in der nie­der­län­di­schen Er­e­di­vi­sie ak­tiv. Zum Ver­gleich: Im Jahr 2000 wa­ren es nur zwei, 2015 acht Spie­ler.

Per­so­na­lie Für die Diens­te des 27-jäh­ri­gen Links­ver­tei­di­gers Phil­ipp Max über­wies PSV Eind­ho­ven im Som­mer gar acht Mil­lio­nen Eu­ro Ab­lö­se an den FC Augs­burg.

Star Nam­haf­tes­ter deut­scher „Le­gio­när“ ist WM-Sieg­tor­schüt­ze Ma­rio Göt­ze, der vor der Sai­son zur PSV Eind­ho­ven wech­sel­te.

Aufrufe: 01.1.2021, 12:00 Uhr
Sascha KöppenAutor