2024-06-17T07:46:28.129Z

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Bis mindestens 2026 kommt der Bundesliga-Ball von Derbystar.
Bis mindestens 2026 kommt der Bundesliga-Ball von Derbystar. – Foto: Timo Babic

"Der­by­star-Bäl­le ha­ben auch Le­ben"

Die Go­cher Fir­ma stell­te schon vor ei­nem hal­ben Jahr­hun­dert das run­de Le­der aus dem wit­te­rungs­un­ab­hän­gi­gen Kunst­stoff Po­lyuthe­r­an her. Seit der Sai­son 2018 spie­len nicht nur die deut­schen Pro­fi­li­gen mit dem Go­cher Spiel­ge­rät.

Fuß­ball-Ve­te­ra­nen mit ei­nem gut ent­wi­ckel­ten Lang­zeit­ge­dächt­nis wer­den sich er­in­nern. Wer in den 1960er oder frü­hen 1970er Jah­ren über die häu­fig tie­fen Plät­ze am Nie­der­rhein dem Ball hin­ter­her­lief, der weiß noch heu­te, wie es sich an­fühl­te, wenn die einst so leich­te Le­der­ku­gel sich im Lau­fe ei­nes Trai­nings oder Spiels mit Was­ser voll­sog. Wenn sie beim Kopf­ball tie­fe Ab­drü­cke auf der Stirn hin­ter­ließ, wenn sie nur noch von Schwer­ath­le­ten wei­ter als 20 Me­ter be­wegt wer­den konn­te. Wenn ei­nem doch mal der Spaß ver­ging.

Ei­nem Go­cher Un­ter­neh­men ist zu ver­dan­ken, dass der Spaß bald wit­te­rungs­un­ab­hän­gig wur­de. Der­by­star ge­hör­te En­de der 1970er Jah­re zu den ers­ten Fir­men, die ih­re Bäl­le aus dem Kunst­stoff Po­lyuthe­r­an fer­tig­ten. Das Was­ser perl­te ab, der Ball flog auch noch, als die Spie­ler längst droh­ten, im tie­fen Bo­den zu ver­sin­ken. Es be­gann die Zeit, in der vie­le zwar im­mer noch vom „run­den Le­der“ fa­bu­lier­ten, längst aber schon ei­ne Kunst­stoff­ku­gel im Ein­satz sa­hen. Das „run­de Po­lyuthe­r­an“ hört sich ein­fach nicht so gut an.

Hennes Weisweiler wusste Derbystar zu schätzen

Der­by­star hat­te da­mit sei­nem be­reits po­pu­lä­ren Pro­dukt ei­nen wei­te­ren Vor­teil auf dem schon da­mals um­kämpf­ten Markt ver­schafft. Denn vie­le Klubs, be­son­ders im Wes­ten, schwo­ren be­reits vor 50 Jah­ren auf den Ball aus Goch. Bo­rus­sia Mön­chen­glad­bachs Meis­ter­trai­ner Hen­nes Weis­wei­ler sag­te zum Bei­spiel: „Der­by­star-Bäl­le sind nicht nur rund, sie ha­ben auch Le­ben.“ Sie hat­ten im­mer et­was Be­son­de­res, das sie von den Pro­duk­ten der Kon­kur­renz un­ter­schied. Die­sen Ein­druck kön­nen an­fangs er­wähn­te Fuß­ball-Ve­te­ra­nen (nicht nur die Lo­kal­pa­trio­ten aus Goch) eben­so be­stä­ti­gen wie ak­tu­el­le Stars der Bun­des­li­ga. Der Mön­chen­glad­ba­cher Tor­wart Yann Som­mer er­klär­te vor zwei Jah­ren: „Das ist ein gu­ter, ehr­li­cher Ball.“ Ehr­lich sa­gen die Fuß­bal­ler, wenn sie dem Spiel­ge­rät be­stä­ti­gen, we­nig zu flat­tern, gu­te Flug­ei­gen­schaf­ten zu ha­ben und ge­ne­rell da­hin zu flie­gen, wo ihn Tor­hü­ter von der Flug­bahn her er­war­ten und wo­hin Feld­spie­ler ge­zielt ha­ben – vor­aus­ge­setzt, sie hat­ten die rich­ti­ge Fu­ßhal­tung. Tech­ni­sche Feh­ler ver­zeiht na­tür­lich auch der Der­by­star-Ball nicht.

Dass Som­mer die Ei­gen­schaf­ten des Pro­dukts aus der klei­nen Stadt am Nie­der­rhein aus­gie­big prei­sen kann, hat sei­nen tie­fe­ren Grund in ei­ner mitt­le­ren Sen­sa­ti­on auf dem Sport­ar­ti­kel-Markt. Denn seit 2018 ist der Der­by­star der of­fi­zi­el­le Spiel­ball der ers­ten und zwei­ten Pro­fi­li­ga. Vor elf Jah­ren hat­te die Deut­sche Fuß­ball Li­ga (DFL) ent­schie­den, die Mar­ken­viel­falt auf den Fuß­ball­fel­dern der ers­ten bei­den Pro­fi­li­gen zu be­en­den. Den Zu­schlag be­kam zu Be­ginn der Bran­chen­rie­se Adi­das. Das hat­ten vie­le er­war­tet, weil der Dax-Kon­zern un­ter an­de­rem seit Ur­zei­ten mit dem Deut­schen Fuß­ball-Bund ver­bän­delt war.

Der­by­star aber lös­te den Gi­gan­ten ab. Nicht nur der Go­cher Bür­ger­meis­ter Ul­rich Knick­rehm staun­te. „Wenn sich ein mit­tel­stän­di­sches Un­ter­neh­men ge­gen ei­nen Glo­bal Play­er durch­setzt, ist das et­was Be­son­de­res“, sag­te er. Zah­len un­ter­strei­chen, dass in die­sem Wett­be­werb Da­vid ge­gen Go­li­ath an­ge­tre­ten ist. Adi­das setzt im Jahr rund 22 Mil­li­ar­den Eu­ro um, Der­by­star et­wa 18 Mil­lio­nen (vor Co­ro­na). Es muss wohl et­was mit der Qua­li­tät des Bal­les zu tun ha­ben, dass die DFL sich ge­gen den Rie­sen aus Her­zo­gen­au­rach ent­schie­den hat. Die Go­cher drü­cken es an­ders aus. Sie sa­gen: Die DFL hat sich nicht ge­gen Adi­das, son­dern für Der­by­star ent­schie­den. Und sie be­ru­fen sich auf die Ge­schäfts­ma­xi­me ih­res Grün­ders Jo­sef Moll-This­sen. „Ent­schei­dend ist im­mer die Qua­li­tät des An­ge­bots“, hat­te der ge­sagt.

Er war in den frü­hen 1960er Jah­ren In­ha­ber ei­ner klei­nen Le­der­fa­brik in Goch, die zu­erst Reit­sät­tel und Ga­ma­schen für den Pfer­de­sport und bald auch Bäl­le her­stell­te. Moll über­nahm die Pro­duk­ti­on ei­nes an­de­ren Her­stel­lers, ließ aber wie die­ser die Bäl­le zu­nächst in der Kle­ver Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt zu­sam­men­nä­hen. 1968 wur­de die Ball­spar­te un­ter ih­rem noch heu­te gül­ti­gen Na­men Der­by­star selbst­stän­dig. Der Grün­der zog En­de der 1960er in die Schweiz, und sei­ne Nach­fol­ger über­zeug­ten mit ih­ren Pro­duk­ten Klubs wie Mön­chen­glad­bach, MSV Duis­burg und Wer­der Bre­men. Ama­teur­spie­ler über­zeug­te der Ball eben­falls. Und das führ­te da­zu, dass die Fir­ma in der Zeit, in der sie in der Bun­des­li­ga nicht ver­tre­ten war, nach ei­ge­nen An­ga­ben ih­ren Um­satz ver­dop­peln konn­te. Die Ba­sis trägt Der­by­star im­mer noch.

Trotz­dem si­chert der Pro­fi­fuß­ball selbst­ver­ständ­lich das gro­ße in­ter­na­tio­na­le An­se­hen. Nicht nur die Bun­des­li­ga spielt mit dem Ball aus Goch, auch die nie­der­län­di­sche Er­e­di­vi­sie oder die Li­gen in Nor­we­gen, Spa­ni­en, Dä­ne­mark und Ka­na­da. In die­sem Schau­fens­ter füh­len sich die Nie­der­rhei­ner wohl. Und sie kön­nen sich selbst für ih­re Schöp­fung be­geis­tern. „Der Ball ist ein Wahn­sinn“, sag­te An­dre­as Fi­li­po­vic, ne­ben Joa­chim Böh­mer ei­ner von zwei Ge­schäfts­lei­tern, vor der Sai­son, „ein Ball muss ehr­lich sein, er muss die per­fek­te Run­dung ha­ben, er muss op­ti­ma­le Flug- und Sprung­ei­gen­schaf­ten ha­ben, er darf die Spiel­ei­gen­schaf­ten nicht ver­än­dern.“ Man darf un­ter­stel­len, dass Fi­li­po­vic all die­se Qua­li­täts­merk­ma­le beim Bun­des­li­ga-Spiel­ball sieht. Der be­steht im­mer noch aus 20 Sechs­ecken und zwölf Fünf­ecken. Zu­sam­men­ge­näht wird er seit lan­gem in Si­al­kot (Pa­ki­stan) – wie 90 Pro­zent al­ler Bäl­le auf der Welt. Auf die un­ver­meid­li­che Fra­ge nach den Ar­beits­be­din­gun­gen ant­wor­tet das Un­ter­neh­men: „Wir sind uns un­se­rer Ver­ant­wor­tung be­wusst.“

Bundesliga-Ball bleibt ein Derbystar

Das Ge­heim­nis des er­folg­rei­chen Spiel­ge­räts liegt in der Ober­flä­che und im In­nen­le­ben glei­cher­ma­ßen. Dar­über wird na­tür­lich nichts ver­ra­ten. Nur so viel: Ge­tes­tet wird bei den Klubs un­ter Aus­schluss neu­gie­ri­ger Be­ob­ach­ter und im Wind­ka­nal. High­tech eben. 1,5 Mil­lio­nen Bäl­le brin­gen die Go­cher pro Jahr auf den Markt, ir­gend­wann (nach Co­ro­na) sol­len es mal zwei Mil­lio­nen sein. Zwei Mil­lio­nen Ar­gu­men­te für die Zu­sam­men­ar­beit mit der DFL, die of­fen­bar sehr über­zeugt von Gochs Ex­port­ar­ti­kel Num­mer eins ist. Schon im Früh­jahr 2021 be­kam Der­by­star den Zu­schlag für wei­te­re vier Jah­re ab 2022. Goch bleibt da­mit erst­klas­sig. Und wie­der war der Da­vid von der hol­län­di­schen Gren­ze ge­gen all die Go­li­aths auf dem Welt­markt an­ge­tre­ten.

Aufrufe: 010.5.2021, 16:00 Uhr
RP / Robert PetersAutor