2024-05-02T16:12:49.858Z

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Archivfoto: Peter Henrich
Archivfoto: Peter Henrich

Der verlängerte Arm des Trainers

Verbandsliga Süd: Ex-Profi Youssef Mokhtari spielt mit 38 Jahren bei Verbandsligist Viktoria Urberach und verantwortet die Jugendarbeit

Youssef Mokhtari hat in seiner langen Karriere als Fußball-Profi einiges erlebt. Er spielte in den fünf höchsten Ligen Deutschlands, in Katar, in Frankreich und in Luxemburg – zwölf Stationen, zehn Klubs. Der in Beni Sidel geborene und in Raunheim aufgewachsene Marokkaner war Torschützenkönig beim Afrika-Cup 2004, führte den MSV Duisburg 2006/07 mit zwölf Toren und zehn Vorlagen in die Erste Liga und war als Spielmacher von Wacker Burghausen in der Saison 2011/12 laut dem „Kicker“ mit 33 Jahren der herausragende Spieler der Dritten Liga – gemeinsam mit dem heutigen Leipziger Kevin Kampl (damals VfL Osnabrück).

Seit Anfang der Saison schnürt der 38 Jahre alte Mokhtari die Fußballschuhe für den Verbandsligisten Viktoria Urberach. Dort sollte er in erster Linie als Jugendkoordinator und C-Jugend-Trainer wirken und nur im Notfall spielen. Doch obwohl er aufgrund einer Adduktorenverletzung keine Vorbereitung und nur fünf Trainingseinheiten in zweieinhalb Monaten bestreiten konnte, verzeichnet er bereits sechs Einsätze und ein Tor. „Ich bin der verlängerte Arm des Trainers Jochen Dewitz auf dem Platz“, sagt Mokhtari. „Wir haben nach dem Umbruch eine ganz junge Mannschaft, die braucht jede Unterstützung, die sie kriegen kann.“

Nach den Anfängen bei der SSV Raunheim erfuhr „Moki“ als junger Spieler viel Unterstützung beim FSV Frankfurt. Von 1998 bis 2000 schoss er in 64 Regionalligaspielen zwölf Tore. Nach zwei Jahren beim Ligakonkurrenten Jahn Regensburg wechselte der Spielmacher 2002 zu Zweitliga-Aufsteiger Wacker Burghausen, wo er unter Trainer und Förderer Rudi Bommer seinen Durchbruch mit zehn Toren und neun Vorlagen in 58 Liga-Spielen feierte. Als er nach dem Afrika-Cup (1:2 im Finale gegen Tunesien) im Frühjahr 2004 Angebote aus Bremen und La Coruna ausschlug und einen Vertrag bei Energie Cottbus unterschrieb, ging er davon aus, wenige Monate später in der Ersten Liga zu spielen. Doch die Lausitzer verspielten ihren Vorsprung auf den Rivalen Mainz 05 noch und verpassten den Aufstieg aufgrund des schlechteren Torverhältnisses.

Nach einer starken Zweitliga-Saison in Cottbus („Ich war als Ausländer Kapitän, und die Fans haben mich abgöttisch geliebt“) lag Mokhtari ein unterschriftsreifer Drei-Jahres-Vertrag von Erstliga-Aufsteiger Eintracht Frankfurt vor. „Ich hatte die mündliche Zusage, für eine halbe Million Euro Ablöse wechseln zu dürfen“, erinnert sich der Marokkaner. „Doch plötzlich wollte Cottbus das Dreifache. Die haben mir meinen Traum, einmal das Eintracht-Trikot zu tragen, kaputtgemacht.“ Der Sprung ins Oberhaus gelang dennoch, denn der 1. FC Köln verpflichtete ihn auf Leihbasis. Doch dieses Kapitel endete unrühmlich (mehr dazu in der Infobox).

Eineinhalb starken Jahren in Duisburg folgten 2008 fünf gut dotierte Monate beim Al-Rayyan Sport-Club in Katar. Dort schoss er in neun Spielen sieben Tore und war Kapitän, „doch ich bin Fußballer mit Leidenschaft und wollte nicht auf Regionalliga-Niveau vor 200, 300 Leuten kicken.“ FSV Frankfurt, Spvgg. Greuther Fürth, FC Metz, Wacker Burghausen und F91 Düdelingen (Luxemburg) hießen die weiteren Profistationen, ehe Mokhtari nach einem kurzen Intermezzo bei Viktoria Aschaffenburg mit dem Hessenligisten SC Hessen Dreieich erst den Klassenerhalt und in der Saison 2016/17 dank neun Toren und ebenso vielen Vorlagen die Meisterschaft feierte. „Dass wir dann aus politischen Gründen wegen des Stadionumbaus nicht aufgestiegen sind, war eine Riesenenttäuschung. Nachdem ich mich ein Jahr lang mit vier-, fünfmal Training pro Woche für das große Ziel gequält hatte, war die Luft raus, und ich habe nicht verlängert.“

Nun soll Mokhtari, der in Sprendlingen wohnt und mit seinem Bruder und Ex-Profi Qualid in Raunheim Talente in einer Fußballakademie fördert, als Zugpferd die Jugendarbeit von Viktoria Urberach in Schwung bringen. „Das ist eine Herkulesaufgabe, weil einige Teams abgewandert sind.“ Der Vater von vier Kindern, der 24 Trainer im Aktivenbereich hatte, will nach und nach die erforderlichen Trainerscheine machen, um höherklassig als Coach hauptamtlich arbeiten zu können. Da der Fußball heute „sehr athletisch und taktikgeprägt“ sei, legt er Wert auf Laufbereitschaft, Disziplin und Respekt.

Vertrag gilt für ein Jahr

Mit diesen Tugenden sowie mit Ballgefühl, Übersicht und guten Standards möchte der Ex-Nationalspieler zum Klassenerhalt des Vorletzten Urberach beitragen, auch wenn die Knochen „immer weher tun“ und er zwei, drei Tage brauche, um nach dem Spiel zu regenerieren. „Die Mannschaft muss sich noch finden, aber sie steht sechs, sieben Plätze zu weit unten. Wir könnten sieben, acht Punkte mehr haben, wenn wir taktisch disziplinierter gespielt hätten.“ Mokhtari hat einen Einjahresvertrag unterschrieben, wie es danach weitergeht, ist offen. Fest steht für ihn aber: „Ich will nicht mehr so viel umziehen. Irgendwann ist man vom vielen Reisen auch müde.“

Mokhtari in Köln: „Die Medien haben mich platt gemacht“

Das Kapitel Erste Liga begann für Youssef Mokhtari beim 1. FC Köln in der Saison 2005/06 mit vier Torvorlagen und sechs Einsätzen über 90 Minuten vielversprechend. Doch dann kam der 19. November, das Spiel gegen Schalke 04: Mokhtari übersah beim Stand von 2:1 bei einem Konter die frei vor dem leeren Tor stehenden Mitspieler Lukas Podolski und Matthias Scherz und schoss – statt abzugeben – den Ball am herauseilenden Keeper Christofer Heimeroth und am Tor vorbei. Die Konsequenz: Trainer Uwe Rapolder („Das war ein Lehrstück zum Kapitel Teamgeist, Altruismus, Sozialkompetenz“) wechselte ihn sofort aus, Schalke gelang noch das 2:2, und Mokhtari war der Sündenbock.

Fortan war ich als Egoist verschrien, und die Medien haben mich platt gemacht“, erinnert sich Mokhtari. „Andere wären daran zerbrochen, mich hat es nur noch stärker gemacht.“ Nach der Hinrunde spielte Mokhtari unter dem neuen Trainer Hanspeter Latour keine Rolle mehr beim FC und durfte mit anderen aussortierten Spielern (der sogenannte „Bautrupp“) nicht mehr mit der ersten Mannschaft trainieren. In der Folgesaison dann die Genugtuung: Youssef Mokhtari führte Zweitligist MSV Duisburg zu einem 3:1-Sieg in Köln. „50 000 Zuschauer haben mich bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen, aber FC-Trainer Christoph Daum hat danach gesagt, ich sei ein toller Fußballer."

Aufrufe: 017.10.2017, 08:00 Uhr
Heiko WeissingerAutor