Der vorläufige Höhepunkt des Graineter Jugendwahns: Der Altersdurchschnitt beim 0:0-Testspiel-Derby gegen den TV Freyung betrug 22,82 Jahre. Zur ersten Elf gehörten mit Julian Sammer (17), Niklas Bösl (18), Jonas Blöchl (19) und Sebastian Seidl (21) vier Talente, die gerade erst dem Jugendalter entwachsen sind. Weil mit Christian Moser (30) und Stefan Grimbs (26) zwei der erfahreneren Kräfte verletzungsbedingt ausfielen, blieb mit Christoph Seidl (29), Hannes Stadler (27), Ersatz-Kapitän Christoph Seibold (25) und dem eingewechselten Rudi Brandl (28) nur ein Quartett älterer Spieler, die in anderen Vereinen getrost dem fußballerischen Mittelalter zugeordnet werden können, übrig.
Eine Entwicklung, die die Verantwortlichen natürlich freut - zumal die Nachwuchsspieler nicht nur fußballerisch zu überzeugen wissen, sondern auch menschlich. "Viele Vereine möchten mit uns tauschen, das ist uns schon bewusst", erzählt Spartenchef Wurm und berichtet von der neuen, alten Philosophie des aktuellen Bezirksligisten: Um auf Bezirksebene mithalten zu können, sei es für einen Dorfverein wie Grainet überlebensnotwenig, auf einen unbedingten Zusammenhalt zu setzen. Und das Miteinander kann nur funktionieren, wenn alle im Verein mitgenommen werden - egal, ob jung oder alt.
Und, so erklärt Wurm, gewachsene, gefestigte und erfolgreiche Strukturen seien viel einfacher auf den Weg zu bringen, wenn sich die Beteiligten seit Jahren kennen und schätzen. Das ist beim SV Grainet der Fall. Angeführt von Identifikationsfigur Christian Moser werden die Talente schnell und geräuschlos integriert. Generationenkonflikte und somit nervige Nebekriegsschauplätze bleiben aus, man kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. "Das liegt vor allem daran, dass man sich in einer kleinen Gemeinde einfach kennt - egal zu welcher Altersschicht man gehört. Rücken Jugendspieler in den Herrenbereich auf, treffen keine Fremde aufeinander, sondern Freunde. Das ist unser großer Vorteil", begründet Wurm.
Sinnbildlich für diese Aussage steht Julian Sammer. Der 17-Jährige ist eigentlich noch A-Jugendlicher, konnte sich aber in der aktuellen Vorbereitung in der Bezirksliga-Truppe von Jürgen Eder festspielen. In den bisherigen fünf Testspielen kam er jeweils mindestens eine Stunde zum Einsatz und konnte sogar drei Scorer-Punkte sammeln. Der Jungspund bestätigt die Worte von Florian Wurm: "Ich bin extrem gut aufgenommen worden. Ich habe ja die Spieler der Ersten bereits vorher gekannt. Ich denke, ich bin jetzt bereits fester Bestandteil des Ganzen, auch wenn ich der Jüngste bin. Ich fühle mich sehr wohl."
Sieben Jugendmannschaften von der F- bis zur A-Jugend stellt der SV Grainet - größtenteils in Spielgemeinschaften mit den Nachbardörfern Hinterschmiding und Herzogsreut. Jeder, der nur ansatzweise weiß, wie aufwendig es ist, eine derart große Zahl an Spielern - noch dazu während der Pubertät - bei Laune zu halten und vor allem zuverlässige Trainer zu finden, kann sich vorstellen, wie nervenaufreibend der Hobby-Alltag von Jugendleiter Kern ist. "Natürlich ist meine Aufgabe nicht immer die einfachste. Doch die schönen Momente sind sehr vereinnahmend und überwiegen." Die Highlights für den 44-Jährigen: Wenn eben Talente wie Jonas Blöchl, Niklas Bösl und Julian Sammer den Sprung in die Erste ohne Probleme schaffen.
Zum nachhaltigsten Weg, den es im Fußball überhaupt gibt, kommt der freudige Umstand beim SV Grainet hinzu, dass ab und an doch wieder auswärtige Spieler im blau-weißen Trikot auflaufen - aus eigenen Stücken, ohne Bezahlung. Der kleine, aber feinde Unterschied zur Situation im Sommer 2014: Dieses Mal handelt es sich nur um punktuelle Verstärkungen, und alle Neuzugänge haben eine Querverbindung zum Team. So ist beispielsweise Sebastian Kapfer der Bruder der Frau von Abteilungsleiter Wurm und Stefan Grimbs Schwager "in Spe" von Kapitän Moser. "Das alles führt dazu, dass die Mannschaft sehr homogen ist und Neue ohne größere Probleme dazuwachsen", resümiert Grainets Fußballchef.
"Es ist super, so viele junge und zudem sehr willige Spieler zu haben - zumal die Tendenz eigentlich in die andere Richtung geht", unterstreicht Trainer Jürgen Eder, selbst ein Kind des SVG. Der 38-Jährige entkräftet somit sogleich etwaige Meinungen, seine Mannschaft könnte vielleicht zu jung, zu unerfahren sein. Erfahrung sei keine Frage es Alters, so Eder. "Und mit der Hierarchie haben wir ohnehin keine Probleme. Spieler wie Moser, Seibold oder Seidl gehen voran - ohne Wenn und Aber."
Das Potenzial ist also da, die Mannschaft noch längst nicht am Zenit, der Zusammenhalt stimmt - ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, darf man feststellen, dass mit dem SV Grainet in den nächsten Jahren zu rechnen sein wird. Natürlich unter der Voraussetzung, dass keine gravierenden Einschnitte auf den SVG zukommen - was seit Corona keine leicht dahergesagte Floskel mehr ist...