2024-05-02T16:12:49.858Z

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Eigentlich ist Julian Sammer noch A-Jugendlicher, in der aktuellen Vorbereitungsphase spielte sich der 17-Jährige jedoch im Team des SV Grainet fest.
Eigentlich ist Julian Sammer noch A-Jugendlicher, in der aktuellen Vorbereitungsphase spielte sich der 17-Jährige jedoch im Team des SV Grainet fest. – Foto: Robert Geisler

Der Graineter Weg

Nach einer schlechten Erfahrung verfolgt der SV Grainet die neue, alte Philosophie, mit Nachdruck auf den eigenen Nachwuchs zu setzen - mit Erfolg.

Obwohl der Versuch vor über sechs Jahren krachend misslang, darf er in Nachhinein als Erfolg gewertet werden. Im Sommer 2014 griff der SV Grainet zu einer außergewöhnlichen Methode, um den Klassenerhalt in der Bezirksliga irgendwie zu schaffen: Der SVG verpflichtete nach dem Abgang bzw. Karriereende vieler Leistungsträger erstmals eine größere Menge auswertiger Spieler. Ein Fehler, wie Abteilungsleiter Florian Wurm im Nachhinein feststellt: Das Quintett war nicht nur nach kürzester Zeit wieder weg, weil die Bindung fehlte - auch der Abstieg konnte nicht vermieden werden. Doch bekanntlich bringt alles Schlechte etwas Gutes mit sich: Seit diesem Betriebsunfalles setzt Grainet ausschließlich auf den eigenen Nachwuchs - und das mit nachhaltigem Erfolg.

Der vorläufige Höhepunkt des Graineter Jugendwahns: Der Altersdurchschnitt beim 0:0-Testspiel-Derby gegen den TV Freyung betrug 22,82 Jahre. Zur ersten Elf gehörten mit Julian Sammer (17), Niklas Bösl (18), Jonas Blöchl (19) und Sebastian Seidl (21) vier Talente, die gerade erst dem Jugendalter entwachsen sind. Weil mit Christian Moser (30) und Stefan Grimbs (26) zwei der erfahreneren Kräfte verletzungsbedingt ausfielen, blieb mit Christoph Seidl (29), Hannes Stadler (27), Ersatz-Kapitän Christoph Seibold (25) und dem eingewechselten Rudi Brandl (28) nur ein Quartett älterer Spieler, die in anderen Vereinen getrost dem fußballerischen Mittelalter zugeordnet werden können, übrig.

Eine Entwicklung, die die Verantwortlichen natürlich freut - zumal die Nachwuchsspieler nicht nur fußballerisch zu überzeugen wissen, sondern auch menschlich. "Viele Vereine möchten mit uns tauschen, das ist uns schon bewusst", erzählt Spartenchef Wurm und berichtet von der neuen, alten Philosophie des aktuellen Bezirksligisten: Um auf Bezirksebene mithalten zu können, sei es für einen Dorfverein wie Grainet überlebensnotwenig, auf einen unbedingten Zusammenhalt zu setzen. Und das Miteinander kann nur funktionieren, wenn alle im Verein mitgenommen werden - egal, ob jung oder alt.

Es treffen Freunde aufeinander, keine Fremde



Und, so erklärt Wurm, gewachsene, gefestigte und erfolgreiche Strukturen seien viel einfacher auf den Weg zu bringen, wenn sich die Beteiligten seit Jahren kennen und schätzen. Das ist beim SV Grainet der Fall. Angeführt von Identifikationsfigur Christian Moser werden die Talente schnell und geräuschlos integriert. Generationenkonflikte und somit nervige Nebekriegsschauplätze bleiben aus, man kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. "Das liegt vor allem daran, dass man sich in einer kleinen Gemeinde einfach kennt - egal zu welcher Altersschicht man gehört. Rücken Jugendspieler in den Herrenbereich auf, treffen keine Fremde aufeinander, sondern Freunde. Das ist unser großer Vorteil", begründet Wurm.

Sinnbildlich für diese Aussage steht Julian Sammer. Der 17-Jährige ist eigentlich noch A-Jugendlicher, konnte sich aber in der aktuellen Vorbereitung in der Bezirksliga-Truppe von Jürgen Eder festspielen. In den bisherigen fünf Testspielen kam er jeweils mindestens eine Stunde zum Einsatz und konnte sogar drei Scorer-Punkte sammeln. Der Jungspund bestätigt die Worte von Florian Wurm: "Ich bin extrem gut aufgenommen worden. Ich habe ja die Spieler der Ersten bereits vorher gekannt. Ich denke, ich bin jetzt bereits fester Bestandteil des Ganzen, auch wenn ich der Jüngste bin. Ich fühle mich sehr wohl."



Ein großer Glücksfall für den Club aus dem Landkreis Freyung-Grafenau: Nach eher mauen Jahren - auch bedingt durch den demographischen Wandel - haben diejenigen SVGler, die aktuell jedes Jahr nachrücken, auch die nötige Qualität, um in der Bezirksliga Fuß fassen zu können. Wobei das fußballerische Potenzial zunächst gar nicht maßgeblich ist: "Jeder kann mittrainieren, jeder bekommt eine Chance", verdeutlicht Florian Wurm. Jeder einzelne ist also seines Glückes Schmied, wobei das nötige Talent natürlich das i-Tüpfelchen darstellt. Und viele junge Graineter in dieser Hinsicht zuletzt reich beschenkt worden sind.

Diese glückliche Fügung ist das eine. Der Einsatz von viel Geld, Zeit und noch mehr Leidenschaft für den Nachwuchs das andere. Maßgebliche Person in diesem Zusammenhang ist Jugendleiter Markus Kern, der die Arbeit des "ewigen" Gregor Kern in seinem Sinne weiterführt. Freilich, so der 44-Jährige, sei sein ehrenamtlicher Job mit viel Arbeit verbunden, die zudem eher im Hintergrund stattfindet. "Aber irgendeiner muss es ja machen", gibt sich Kern pragmatisch. Und er macht es nicht nur irgendwie - sondern mit großem Herzblut.

Die harte Arbeit von Jugendleiter Markus Kern



Sieben Jugendmannschaften von der F- bis zur A-Jugend stellt der SV Grainet - größtenteils in Spielgemeinschaften mit den Nachbardörfern Hinterschmiding und Herzogsreut. Jeder, der nur ansatzweise weiß, wie aufwendig es ist, eine derart große Zahl an Spielern - noch dazu während der Pubertät - bei Laune zu halten und vor allem zuverlässige Trainer zu finden, kann sich vorstellen, wie nervenaufreibend der Hobby-Alltag von Jugendleiter Kern ist. "Natürlich ist meine Aufgabe nicht immer die einfachste. Doch die schönen Momente sind sehr vereinnahmend und überwiegen." Die Highlights für den 44-Jährigen: Wenn eben Talente wie Jonas Blöchl, Niklas Bösl und Julian Sammer den Sprung in die Erste ohne Probleme schaffen.

Zum nachhaltigsten Weg, den es im Fußball überhaupt gibt, kommt der freudige Umstand beim SV Grainet hinzu, dass ab und an doch wieder auswärtige Spieler im blau-weißen Trikot auflaufen - aus eigenen Stücken, ohne Bezahlung. Der kleine, aber feinde Unterschied zur Situation im Sommer 2014: Dieses Mal handelt es sich nur um punktuelle Verstärkungen, und alle Neuzugänge haben eine Querverbindung zum Team. So ist beispielsweise Sebastian Kapfer der Bruder der Frau von Abteilungsleiter Wurm und Stefan Grimbs Schwager "in Spe" von Kapitän Moser. "Das alles führt dazu, dass die Mannschaft sehr homogen ist und Neue ohne größere Probleme dazuwachsen", resümiert Grainets Fußballchef.

Ein weiterer in der Riege der jungen SVG-Wilden ist Defensivspezialist Jonas Blöchl (rechts). Der 19-Jährige ist zudem bereits Jugendtrainer.
Ein weiterer in der Riege der jungen SVG-Wilden ist Defensivspezialist Jonas Blöchl (rechts). Der 19-Jährige ist zudem bereits Jugendtrainer. – Foto: Robert Geisler


Die Verzahnung zwischen Herren- und Jugendbereich intensiviert sich von Jahr zu Jahr, wie Wurm betont. So gehören Bezirksliga-Spieler nicht nur zu den treuesten Fans ihrer kleinen Nachahmer, sondern sind sogar schon deren Trainer. Jonas Blöchl ist bei der B-Jugend beispielsweise mitverantwortlich, Markus Kanamüller und Daniel Göttl trainieren die C-Jugend. Auch Ex-Spieler Bernd Brandl ist in dieser Hinsicht bei der "D" engagiert.

Viele positive Dinge, aber auch viele Herausforderungen für die Verantwortlichen. Denn um die Nachwuchskräfte langfristig bei der Stange halten zu können, muss der SV möglichst bald dafür sorgen, dass auch der zweite Anzug sitzt. Aktuell rangiert die Zweite in Form einer SG mit Vorderfreundorf am Ende der A-Klasse. Das soll sich ändern, so bald wie möglich, um auch denjenigen eine Perspektive aufzeigen zu können, die es nicht sogleich in die 1. Mannschaft schaffen.

Ist die Mannschaft zu unerfahren?



"Es ist super, so viele junge und zudem sehr willige Spieler zu haben - zumal die Tendenz eigentlich in die andere Richtung geht", unterstreicht Trainer Jürgen Eder, selbst ein Kind des SVG. Der 38-Jährige entkräftet somit sogleich etwaige Meinungen, seine Mannschaft könnte vielleicht zu jung, zu unerfahren sein. Erfahrung sei keine Frage es Alters, so Eder. "Und mit der Hierarchie haben wir ohnehin keine Probleme. Spieler wie Moser, Seibold oder Seidl gehen voran - ohne Wenn und Aber."

Das Potenzial ist also da, die Mannschaft noch längst nicht am Zenit, der Zusammenhalt stimmt - ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, darf man feststellen, dass mit dem SV Grainet in den nächsten Jahren zu rechnen sein wird. Natürlich unter der Voraussetzung, dass keine gravierenden Einschnitte auf den SVG zukommen - was seit Corona keine leicht dahergesagte Floskel mehr ist...

Aufrufe: 02.9.2020, 06:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor