2024-06-11T15:31:41.480Z

Interview
Halil Altintop ist überzeugt, dass er auch in der Bayernliga wertvolle Erfahrungen sammeln kann. Auch deshalb macht ihm der Trainerjob bei Schwaben Augsburg so viel Spaß.
Halil Altintop ist überzeugt, dass er auch in der Bayernliga wertvolle Erfahrungen sammeln kann. Auch deshalb macht ihm der Trainerjob bei Schwaben Augsburg so viel Spaß. – Foto: Paul Hofer

„Das war nicht mehr mein Spiel“

Halil Altintop hat 351 Bundesligaspiele absolviert, jetzt trainiert er den TSV Schwaben Augsburg +++ Im Interview verrät er, warum er lieber Trainer beim Bayernligisten ist als Co-Trainer in der Bundesliga

Halil Altintop ist Augsburg treu geblieben. Auch nach dem Ende seiner Profizeit lebt der in Gelsenkirchen geborene 38 ehemalige türkische Nationalspieler mit seiner Frau Laura und seinen vier Kindern im Stadtteil Göggingen. Seit dem Spätsommer trainiert er den Bayernligisten TSV Schwaben Augsburg.

Es muss für Sie doch ungewohnt sein, 16 Jahre nach Ihrem Bundesliga-Debut eine Vorweihnachtszeit ohne Fußball-Stress zu erleben. Die Bayernliga ist ja schon in der Winterpause. Haben Sie Ihre Weihnachtseinkäufe schon erledigt?

Altintop: Ich muss gestehen, noch nicht. Ich habe jetzt zwar viel Zeit, bin aber auch immer beschäftigt, weil wir vier Kinder haben. Ich genieße diese neue Freiheit aber schon.

Wie wird im Hause Altintop denn Weihnachten gefeiert?

Altintop: Eigentlich ganz traditionell, wie man es in Deutschland macht. Aber in diesem Jahr sind wir über die Feiertage bei meinem Schwager in den USA. Er heiratet und deshalb feiern wir Weihnachten dort.

Sie haben im Juli 2018 nach dem Abstieg mit Kaiserslautern Ihre Karriere beendet. Fielen Sie in den Wochen danach nicht in ein Loch?

Altintop: Nein, aber ich hatte da viel Zeit zum Nachdenken: Normalerweise wäre jetzt Vorbereitung mit Trainingslager, vielen Spielen oder mehrmals am Tag Training. Das fiel alles weg. Aber ich habe mich schnell damit angefreundet und war dann auch schnell überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war, aufzuhören.

Was waren die Gründe?

Altintop: Nachdem ich vom FCA weggegangen war, hatte ich mit Slavia Prag und dem 1. FC Kaiserslautern innerhalb eines Jahres zwei Vereine. Und da habe ich gemerkt, dass mir Fußballspielen in der Form nicht mehr so viel Spaß macht, dass ich auch Leistung bringen kann. Heutzutage ist vieles nur noch auf Schnelligkeit und Umschaltspiel beschränkt. Das war nicht mehr mein Spiel.

Aber Sie sind vom Fußball nicht losgekommen. Im November 2018 hat Sie Markus Weinzierl als Co- bzw. Individual-Trainer zum VfB Stuttgart geholt. Wie lief das ab?

Altintop: Es hat mich als aktiver Spieler schon gereizt, das mal auszuprobieren, ob ich diesen Anforderungen gerecht werden kann. Das Angebot von Markus Weinzierl kam dann zum richtigen Zeitpunkt. Wir hatten immer wieder Kontakt. Er wusste, wie ich über Fußball denke. Dann rief er mich an. Wir haben uns ein, zwei mal zusammengesetzt, intensiv gesprochen und dann war die Entscheidung gefallen, dass ich da mitmache.

Das Projekt VfB scheiterte aber. Sie wurden zusammen mit Markus Weinzierl nach der 0:6-Niederlage gegen den FCA im April freigestellt. Ausgerechnet gegen den FCA …

Altintop: Das ist das Geschäft! Ich war ja kein Spieler. Deswegen war es für mich jetzt nicht so emotional. Uns war klar, dass es eine schwierige Saison werden würde. Ich glaube, dass die Höhe der Niederlage keine so große Rolle mehr gespielt hat. Wir wurden ja direkt am Abend noch freigestellt.

Trotzdem stieg der VfB ab. Hätte das Team Weinzierl den Klassenerhalt geschafft?

Altintop: Ich war überzeugt davon, dass wir am Ende der Saison die Klasse halten. Aber am Ende waren die Verantwortlichen nicht davon überzeugt und deswegen hat man sich getrennt.

Im September übernahmen Sie die Trainerstelle beim Bayernligisten TSV Schwaben Augsburg. Warum?

Altintop: Weil ich gemerkt habe, dass ich zwar in diesem Bereich weiterarbeiten will, aber nicht als Co-Trainer. Ich bin dem VfB und Markus Weinzierl sehr dankbar, dass ich auf diesem Niveau Erfahrungen sammeln konnte. Aber ich habe klare Vorstellungen und Ideen, wie Fußball gespielt werden soll. Ich will Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen. Und das geht nur als hauptverantwortlicher Trainer. Meine Mannschaft soll Fußball spielen, den Ball haben wollen und kreativ sein.

Warum gehen Sie dafür in den Amateurbereich, wo Sie um 19 Uhr auf irgendeinem Nebenplatz trainieren?

Altintop: Ich habe zu meiner Frau gesagt: Back to the roots. Das Spiel ist das gleiche wie in der Bundesliga: Der Platz ist genauso groß, jede Mannschaft besteht aus elf Spielern. Für mich ist es sogar von Vorteil auf dieser Ebene zu arbeiten. Ich muss schnell viele Entscheidungen treffen, wenn Spieler ausfallen. Ich muss mit den Trainingsinhalten improvisieren, wenn zehn Minuten vor dem Training zwei, drei Spieler absagen. Das muss man im Profibereich alles nicht. Wenn da zwei Spieler fehlen, holst du einfach zwei aus der U23, um den Kader aufzufüllen. Nicht in dieser Komfortzone zu arbeiten, fordert und fördert mich als Trainer ungemein. Ich habe diesen Weg bewusst gewählt, denn von diesen Erfahrungen werde ich später profitieren.

Sehen Sie jetzt als Trainer die Bundesliga anders als früher?

Altintop: Nein. Ich habe mich schon als Spieler extrem damit beschäftigt. Die Bundesliga ist zwar spannender als die Jahre zuvor. Mir kommt aber die Kreativität im Spiel viel zu kurz. Da kann ich in der Bayernliga mehr Fußball spielen lassen. Gerade die Spieler, die das Besondere haben, können ihre individuellen Qualitäten nicht so einbringen, weil sie einfach so stark in ein taktisches Konzept gepresst werden. Da gibt es viele Beispiele.

Nennen Sie doch mal einen Namen eines Spielers ...

Altintop: Wenn ich nur den FCA hernehme: Da wird ein Spieler wie Marco Richter, der für mich ein herausragender Fußballer ist, mit vielen Aufgaben betraut, bei denen es nur um das Arbeiten geht, zum Beispiel gegen den Ball. Aber in dem Jungen steckt viel viel mehr.

Ist das eine Kritik an FCA-Trainer Martin Schmidt?

Altintop: Nein überhaupt nicht, weil in der Bundesliga extrem ergebnisorientiert gespielt wird. Das ist bei vielen Mannschaften in der Bundesliga so. In Deutschland wird der Fußball viel mehr gearbeitet als gespielt.

Wie sehen Sie die Lage des FC Augsburg? Gerade die letzten Monate waren viel Unruhe im Verein ...

Altintop: Diese Stärke, die den FCA früher ausgemacht hat, ist dem Verein ein wenig abhanden gekommen. Zu unserer Zeit gab es auch Spieler, die wechseln wollten, aber da hat man vieles innerhalb der Mannschaft und des Vereins geregelt. Aber die Mannschaft hat eine Super-Qualität, und wenn Führungsspieler wie Daniel Baier, Jeffrey Gouweleeuw und Alfred Finnbogason gesund sind und ihr Leistungsvermögen abrufen, bin ich mir sicher, dass der FCA die Klasse halten wird. Und wenn man es schafft, die Leistungen der letzten Wochen beizubehalten, kann es vielleicht sogar eine etwas ruhigere Saison werden.

Wo steht der TSV Schwaben im Mai?

Altintop: Auf jeden Fall auf einem Nichtabstiegsplatz.

Und was macht der Trainer Altintop?

Altintop: Das weiß ich noch nicht. Im Fußball kann es so schnell gehen. Momentan macht es mir richtig viel Spaß, weil die Jungs super mitziehen.

Wird es irgendwann mal den Bundesliga-Trainer Altintop geben?

Altintop: Ich habe gerade die A-Lizenz absolviert, der Fußball-Lehrer fehlt mir noch. Aber ich traue mir Bundesliga schon zu, ich bin mir sicher, dass ich das könnte. Aber Bundesliga-Trainer zu sein heißt, sich 24 Stunden am Tag mit Fußball zu beschäftigen. Ob ich das will, weiß ich noch nicht. In bin gerade in einer Phase, die mir richtig viel Spaß macht. Ich habe Zeit für die Familie, kann aber als Trainer meine eigenen Ideen ausprobieren. Das mit dem Fußball-Lehrer hat schon noch ein bisschen Zeit.

Sie haben vorhin erwähnt: Back to the roots. Sie sind in Gelsenkirchen als türkischer Einwanderer geboren. Der Fußball war für Sie der integrative Faktor in Ihrem Leben, oder?

Altintop: Das ist er immer noch. Da brauche ich nur meine Söhne anzuschauen, die in Sportvereinen sind. Da bekommt man sehr schnell Kontakt mit verschiedensten Menschen aus verschiedensten Ländern und Kulturen.

Aber ist das beim Fußball immer noch so? Die Schlagzeilen zeichnen derzeit ein anderes Bild...

Altintop: Doch, der Fußball ist immer noch integrativ. Man muss es nur in die richtigen Bahnen leiten.

Die Nationalmannschaft galt lange Zeit als das Vorzeigeprojekt in Sachen Integration. Sie ist es eigentlich immer noch. Doch durch die diskussionswürdigen Aktionen von Mesut Özil, Ilkay Gündogan oder Emre Can wurden in letzter Zeit auch viele negative Schlagzeilen produziert. Wie sehen Sie diese Aktionen?

Altintop: Klar habe ich meine Meinung dazu. Aber über Politik rede ich in der Öffentlichkeit nicht.

Spielen da auch die sozialen Medien eine Rolle, über die man in Sekundenschnelle mit der Öffentlichkeit kommunizieren kann?

Altintop: Mittlerweile ist es gang und gäbe, dass man denkt, man kann sich Zuwendung oder Bestätigung über die Zahl der Follower oder Likes holen. Was nichts mit der Realität zu tun hat. Viele brauchen das, anscheinend sogar mehrmals am Tag. Deswegen werden solche Foren wie Instagram, Facebook oder Twitter genutzt. Anscheinend brauchen viele Leute das Gefühl, dass die Welt sich nur um sie dreht. Auch wenn sie das nur in den sozialen Medien tut.

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Aufrufe: 020.12.2019, 11:20 Uhr
Augsburger Allgemeine / Robert GötzAutor