2024-05-02T16:12:49.858Z

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Sein finsterer Blick, seine hünenhafte Erscheinung, sein langjähriges Markenzeichen - ein ab und an in knallbunten Farben leuchtender Irokese - trugen dazu bei, dass Michael Mühldorf als "böser Junge" gilt. Doch der 37-Jährige hat zwei Gesichter - eins auf, eins neben dem Spielfeld.
Sein finsterer Blick, seine hünenhafte Erscheinung, sein langjähriges Markenzeichen - ein ab und an in knallbunten Farben leuchtender Irokese - trugen dazu bei, dass Michael Mühldorf als "böser Junge" gilt. Doch der 37-Jährige hat zwei Gesichter - eins auf, eins neben dem Spielfeld. – Foto: Karl-Heinz Hönl

Das Tier

Michael Mühldorf ist der personifizierte FC Dreisessel. Der 37-Jährige ist aber auch bekannt für seine Dynamik und Torgier - sowie für sein angsteinflößendes Äußeres

Dank einer rassigen, aber keinesfalls unfairen Zweikampfführung in Verbindung mit einer nicht zu verleugnenden Grundschnelligkeit schnappt er sich den Ball in der eigenen Defensive. Er erkennt die Unordnung des Gegners und nutzt sie, um mit raumgreifenden Schritten in Richtung Mittellinie zu marschieren. Auch dort bremst der Libero nicht ab, sondern geht dynamisch auf's Ganze. Selbst die letzte Reihe überwindet er noch, den Torhüter lässt er aussteigen - Tor. Diese Szene aus einem Amateur-Fußballspiel ist nicht willkürlich erfunden, sondern reell so passiert - sogar mehrmals. Diese wenigen Momente beschreiben komprimiert den Spielstil von Michael Mühldorf. Der 37-jährige Abwehrspieler ist nicht nur das Gesicht des FC Dreisessel - sondern auch überregional bekannt für seine Torgefährlichkeit und Dynamik.

Müsste man nach einem sinnbildlichen Begriff für Michael Mühldorf suchen, würde "das Tier" wohl am besten passen - wobei diese Bezeichnung keinesfalls negativ ausgelegt werden darf. "Mühle", wie er von seinen Mitspielern genannt wird, hat, sobald er den Rasen betritt (aber nur dann, später dazu mehr), etwas Animalisches an sich. Da ist zum einen seine eingangs beschriebene, auf Kraft, Leidenschaft und Willen basierende Spielweise. Da ist zum anderen aber auch sein äußeres Erscheinungsbild. Sein finsterer Blick, seine hünenhafte Erscheinung, sein langjähriges Markenzeichen - ein ab und an in knallbunten Farben leuchtender Irokese - trugen dazu bei, dass der 37-Jährige als "böser Junge" gilt.

Auch er selbst kennt diese Geschichten. Angesprochen darauf schmunzelt er zunächst - ja, tatsächlich: Dieser Mann kann lachen. Eigentlich, erzählt er, sei er nämlich gar nicht so böse wie alle glauben. Aber: "Auf dem Platz zählt für mich nur der Sieg", verdeutlicht er. "Ich bin während der 90 Minuten deshalb voll ehrgeizig. Mein finsterer Gesichtsausdruck ist einerseits die Folge meiner Konzentration, andererseits aber auch gewollt, um den Gegner zu beeindrucken." Und scheinbar hat er damit die richtige Taktik gewählt, wie über 100 Tore seit 2007 als Verteidiger beweisen. Auch im Kerngeschäft, als Chef der Defensive, ist Mühldorf nachweislich ein Könner.


Seine wichtigsten Trainer: Vater Karl und Hans Pfoser

Das Gesicht des Fusionsclubs ist aber nicht nur individuell Fußballer durch und durch. Er setzt sich auch energisch dafür ein, dass das Kollektiv erfolgreich ist - auch weil er selbst bereits als junger Mann voll integriert worden ist. Als Vollblut-Lackenhäuserer schaffte er den Sprung von der Jugend in den Herrenbereich ohne größere Probleme. "Das war mein Anspruch - nicht mehr und nicht weniger." Er war Teil der SSC-Mannschaft, die Mitte der 2000er den sensationellen Sprung in die Kreisliga schaffte. Und das, obwohl ihm ein Wachstumsschub während der Pubertät große Probleme bereitete. "Die Schnelligkeit und Koordination war fast komplett weg", erinnert er sich. In unzähligen Trainingstunden holte er sich aber diese, für Fußballer wichtige Stärken zurück - und vergoldete so sein zweifelsohne vorhandenes Talent, das ihm in die Wiege gelegt worden ist.

Im Kreisoberhaus hatte Mühldorf auch den - neben seinem Vater Karl - prägendsten Trainer überhaupt. Hans Pfoser beorderte den technische visierten Spielmacher zurück auf die Libero-Position, ausgestattet mit allen Freiheiten was die Offensive betrifft. Ein Glücksgriff. "Dass der Hans das erkannt hat, hat überhaupt erst dazu geführt, dass ich zum Leistungsträger werden konnte."

Obwohl sich der SSC damals regelmäßig heiße Duelle mit dem Lokalrivalen, dem SV Neureichenau, lieferte, war Michael Mühldorf sofort absoluter Befürworter des Zusammenschlusses beider Gemeindevereine zum FC Dreisessel im Jahr 2010. "Dieser Schritt war alternativlos, um die Zukunft beider Klubs zu sichern", betont der 37-Jährige. "Und der Erfolg gibt uns recht. Zum einen können sich die Ergebnisse sehen lassen, zum anderen ist die Mannschaft seit der Gründung des FCD eine tolle Einheit." Michael Mühldorf selbst war ein leuchtendes Beispiel in diesem Zusammenhang. Er schaffte den fließenden Übergang vom SSC-Urgestein zum FCD-Aushängeschild.

Dieser Gemeinschaftssinn, sein Engagement für seinen Heimatvereine in unterschiedlichsten Funktionen, seine Bodenständigkeit und auch seine Vorbildfunktion zeigen den anderen Michael Mühldorf. Den "Mühle" abseits des Platzes. Den geselligen Typen, den dreifachen Familienvater, den Bauleiter, der nicht nur im Job Verantwortung übernimmt. Das zahme Tier - wenn man so will. "Ja, ich habe ich zwei Gesichter - eines auf dem Platz, eins daneben", gibt er selber zu. Auch im Gespräch ist der Neureichenauer sehr redselig, unterhaltsam und humorvoll. Eigenschaften, die man ihm nicht zutraut, wenn man ihn nur als Spieler kennt.

Das Bild zur in der Einleitung beschriebenen Spielsituation.
Das Bild zur in der Einleitung beschriebenen Spielsituation. – Foto: Robert Geisler

Das bestätigt auch Christian Sitter. Der 47-Jährige war zunächst selber Spieler und ist seit 2013 Trainer der aktuellen Kreisklassen-Truppe. Und obwohl Sitter der Nachfolger von Spielertrainer Mühldorf war, pflegen beide seit jeher ein freundschaftliches Verhältnis. "Sobald der Ball im Spiel ist, ist er nicht mehr wiederzuerkennen. Er will gewinnen, unbedingt. Und dafür gibt er alles", beschreibt Sitter seinen langjährigen Weggefährten und Teamkollegen. "Abseits des Spielfeldes hingegen tut er alles für den Verein, ist eine Art Vaterfigur für die jungen Spieler und ein sehr angenehmer und loyaler Zeitgenosse." Lobeshymnen über Lobeshymnen. Gibt es denn tatsächlich gar nichts Negatives zu berichten über Mühldorf? "Doch, da fällt mir was ein", schmunzelt Sitter. "Wenn er mal sitzt, dann so richtig - dann kann es schon morgens werden. Und leider muss der Trainer da immer dabei sein."

Fußball und das auf Amateurebene dazugehörige Drumherum sind sein Leben, gleichzeitig auch die Triebfeder für sein Engagement, wie Michael Mühldorf betont - und auch in den vorherigen Zeilen deutlich wird. Nur deshalb ist es überhaupt möglich, dass er sich selbst im fortgeschrittenen Fußballer-Alter immer wieder dazu aufrafft, für den FC Dreisessel aufzulaufen - selbst wenn's inzwischen ab und an zwickt. Sein Karriereende hat er bereits mehrmals verschoben, weil er gebraucht wurde. "Wenn ich helfen muss, helfe ich", fasst er kurz und knapp zusammen. Und auch wenn er unterstreicht, dass er seine aktive Zeit nun endgültig ausklingen lässt, darf man getrost davon ausgehen, dass es bald wieder zu einem rassigen, aber keinesfalls unfairen Zweikampf in der Defensive von FC Dreisessel kommen wird. Und dann geht die Post ab...

Aufrufe: 05.7.2020, 08:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor