"Da muss der Video-Beweis her!"

"Endlich ist er da: der Videobeweis, den übrigens viele andere Sportarten schon längst haben. Und alle, wirklich alle profitieren davon. Zunächst mal natürlich der Dienstleister, der sich seine intensiven Vorbereitungen sowie seine Videoassistenten, Supervisors, Operators und 17 Kameras sicher angemessen entlohnen lässt. Dann die Schiedsrichter, die nun in engen Situationen nicht mehr allein gelassen werden, sondern Hilfe von ganz oben bekommen – oder auch nicht, wie am Wochenende hier und da geschehen.
Doch das sollten wir unter den durchaus obligatorischen Kinderkrankheiten einordnen und nicht weiter darauf rumhacken. Oder doch? Schließlich sind durch technische Fehler möglicherweise Spiele, wenn nicht gar schon die ganze Meisterschaft entschieden worden! Und wer hat mal wieder davon profitiert?
In BVB-Fankreisen etwa machen bestimmt schon Verschwörungstheorien die Runde, wonach es kein Zufall sei, dass der Videobeweis den Bayern zum dritten Tor gegen Leverkusen verhalf, wohingegen er in Hoffenheim, Berlin und Hamburg nicht oder nur unzureichend funktionieren durfte! Immerhin könnten 1899 und Hertha oben ein Wörtchen mitsprechen und der HSV – nun ja.

Aber viel wichtiger ist doch, dass der Videobeweis uns Zuschauern – egal ob im Stadion oder vor der Glotze – hinsichtlich unserer fachmännischen Kommentare ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Es geht uns jetzt nicht mehr so darum, ob es ein Foul, ein Elfmeter oder eine Abseitsposition war oder nicht. Nein, wir sind nämlich auf einem neuen und angenehm sachlichen Qualitätslevel angekommen. Wir empören uns nicht mehr über den brutalen Foul-Spieler, den Schwalbenkünstler oder den blinden Schiri, sondern rufen nur noch: „Da muss der Videobeweis her!“ Klar, am liebsten würden wir doch gern auf den Platz laufen und gemeinsam mit Arturo Vidal dem Schiri mittels Handzeichen signalisieren, was er als Nächstes zu tun habe. Und die beiden in die Review Area begleiten, um ihnen auf dem Monitor genau zu zeigen, worauf sie achten müssen – vorausgesetzt, wir sind mit Arturo einer Meinung.
Doch wir bleiben souverän sitzen und richten unser Augenmerk flugs auf die Gestik des Schiedsrichters: Fasst er sich nämlich ans Ohr, kommuniziert er bereits mit dem Videoassistenten (der sitzt in Köln, aber nicht im Geißbockheim). Dann können wir die im Wohnzimmer aufgekeimten Diskussionen sofort beruhigen: „Er kommt!“ Falls dem so ist, ist alles gut, und falls er nicht kommt und das Spiel schon längst wieder läuft, haben wir bereits vergessen, wer das Foul begangen hat. Aber über die Technik oder den „Penner“ von Videoassistenten, der die fragliche Szene verschlafen hat, können wir uns noch minutenlang aufregen. Dass wir darüber die nächste kniffllige Szene oder sogar das blitzsauber erzielte Siegtor unseres Lieblingsvereins verpassen – geschenkt.
In diesem Sinne: Ich wünsche Ihnen ein schönes Spiel!"