2024-06-17T07:46:28.129Z

Interview
Auf Philippe Ciancanelli und die Racing-Frauen kommt in der Champions League eine grössere Unbekannte zu -
Auf Philippe Ciancanelli und die Racing-Frauen kommt in der Champions League eine grössere Unbekannte zu - – Foto: www.paulmedia.lu (Archiv)

Ciancanelli: „kurzfristige Absage hatte bitteren Nachgeschmack“

Am Dienstag spielen die Racing-Frauen bei Ferencváros Budapest

Kommenden Dienstag treten die Frauen des Racing FC Union Luxemburg in der Qualifikation zur Women‘s Champions League an. Anfang dieser Woche haben wir uns mit Philippe Ciancanelli des Tabellenersten der vergangenen, abgebrochenen Saison unterhalten.

Herr Ciancanelli, am Dienstag spielen die Frauen des Racing erstmals in der Qualifikation zur Champions League. Wie sehr beeinträchtigt sie als Team die Generalabsage des Fußballs in Luxemburg? Oder kommt es ihnen eventuell sogar in der Vorbereitung entgegen?

Es ist sehr Schade, dass die 1.Frauen-Liga abgesagt wurde. Vor zwei Wochen hatten wir unser letztes Pflichtspiel, das nächste ist dann am Dienstag die Champions-League-Partie, so dass wir während knapp zwanzig Tagen keine Spielpraxis hatten. Wichtig wäre noch ein Ligaspiel oder zumindest ein Testspiel gewesen, was aber nicht mehr möglich war.


Wie schwer war es überhaupt, sich in diesen chaotischen Covid-Zeiten zurechtzufinden?

Es war schon schwer, aber mir soll mal jemand sagen, welches Ligaspiel bei den Frauen wegen Covid nicht gespielt werden konnte! Zumindest in der 1.Liga war dies meines Wissens nach nicht der Fall und das ist eben die Liga in der wir spielen und die uns betrifft. Doch man darf die anderen Teams und Mädchen nicht vergessen, die natürlich auch Fußball spielen wollen und denen wurde jetzt wieder ein Strich durch die Rechnung gemacht.


Ich lese heraus, dass der Racing FC nicht froh darüber ist, dass die 1.Liga der Frauen von vorneherein unterbrochen wurde.

Für uns hatte die kurzfristige Absage von Freitag auf Samstag einen bitteren Nachgeschmack, da wir wie erwähnt kein Pflichtspiel mehr vor unserem internationalen Auftritt bestreiten konnten. Wir fahren ja schließlich nach Ungarn um den luxemburgischen Fußball zu vertreten! Da steckt mehr dahinter als unser Verein alleine, Luxemburg als Land wird ja ebenfalls dort repräsentiert.


Die 1.Liga im Frauenfußball ist genauso eine oberste Spielklasse wie die BGL Ligue oder erste Ligen anderer Sportarten wollen Sie damit sagen.

Ja, klar! Im Handball blieben ja zunächst die ersten Ligen der Männer und Frauen angesetzt! Wir dürfen nicht vergessen, dass in den vergangenen Jahren immer eine luxemburgische Frauenmannschaft in der Qualifikation zur Champions League antrat! Und in anderen europäischen Ländern wird ja auch trotz Ausgangssperren noch Fußball gespielt. In Luxemburg wurde dagegen gleich alles gestoppt.


Sportminister Kersch gab vor exakt einer Woche im Rahmen des FLF-Kongresses die Erklärung, dass erste Ligen u.a. nicht heruntergefahren werden, um mögliche internationale Teilnahmen nicht zu gefährden.

Und was ist passiert? Wurden wir nicht in unserer Teilnahme behindert? Klar, irgendwo muss die Politik oder der Verband entscheiden, eine Grenze zu ziehen und Aktivitäten zurückfahren. Aber wenn man eine solche Entscheidung fällt und eine Ausnahme wie z.B. im Falle der BGL Ligue zulässt, dann muss man sich auch bewusst sein, dass die internationalen Auftritte am Ende des Tages ohne Geld nicht umzusetzen sind, das war auch bei F91 Düdelingen in der Europa League so! Ohne Geld geht es nicht, auch wenn dies dann auf den sozialen Netzwerken gerne kritisiert wird.

Ich hole etwas weiter aus, aber wenn kein Geld in den Fußball fließen würde, würden auch viele Eltern ihre Kinder nicht in die Vereine schicken, weil keine Trainer bezahlt werden könnten. Und das gilt genauso bei uns im Frauenfußball. Bei uns hat so z.B. jede Spielerin der 1.Mannschaft einen Vertrag. Racing investiert um eine wettbewerbsfähige Frauenmannschaft zu haben und um das Spielniveau zu erhöhen. Dass dann darüber gelästert wird ist natürlich auch normal. Aber dadurch kann ja ein Zyklus der Weiterentwicklung entstehen, wenn andere Teams und Vereine in die gleiche Richtung streben.


Zurück zum Sport: ihr tretet bei Ferencváros Budapest an. Können Sie uns den organisatorischen Ablauf für dieses Auswärtsspiel in Corona-Zeiten kurz erläutern?

Die UEFA hatte eine geografische Voreinteilung vorgenommen, die durchaus Sinn machte. Ich kritisiere aber die Kurzfristigkeit des Ganzen. Die Auslosung war am 22.Oktober, am 3.November spielen wir bereits. Das lässt uns nur knapp vierzehn Tage, um alles zu organisieren. Die Männer wussten für ihre Erstrundenbegegnungen länger im Voraus Bescheid. Ich muss ehrlich sagen, zum Glück spielen wir nicht zuhause, denn die durch Corona bedingten noch strengeren Auflagen der UEFA sind unglaublich komplex. Mit dreißig oder vierzig ehrenamtlichen Helfern hätte man diese nicht stemmen können. Deshalb spielen wir in der Tat lieber auswärts als zuhause! Ich möchte mich an dieser Stelle aber herzlich bei den Mitarbeitern der FLF für ihre Unterstützung bedanken, die sehr hilfsbereit waren und immer ein offenes Ohr hatten.


Was erwartet ihr euch auf sportlichem Plan? Konntet ihr den Gegner beobachten? Liegt ein Weiterkommen im Bereich des Möglichen?

Im Internet war leider nicht viel Bildmaterial über die Frauen von Ferencváros zu finden, da habe ich größtenteils nur Tore gesehen, so dass eine saubere Analyse sehr schwer fiel. Man konnte sich kein komplettes Bild vom Niveau des Gegners machen. Natürlich suchen wir weiter, aber auch die kurze Zeitspanne seit der Auslosung hat uns in der Hinsicht nicht wirklich geholfen. Und neben der Analyse kümmere ich mich ja auch um die Organisation der Reise sowie vor allem auch um die Corona-Tests, an diesem Wochenende werden wir ja noch getestet. Darum kümmern sich dann auch spezielle von der UEFA vorgegebene Laboratorien. Die Trainer übernehmen die sportliche Vorbereitung.


Herr Ciancanelli, vielen Dank für Ihre offenen Worte und viel Glück am Dienstag in Budapest!


Aufrufe: 031.10.2020, 11:00 Uhr
Paul KrierAutor