2024-05-23T12:47:39.813Z

Interview
Ruhig ist es geworden auf der Sportanlage in Großbardorf, was aber keinesfalls heißt, dass Stillstand herrscht bei den Grabfeld-Galliern.
Ruhig ist es geworden auf der Sportanlage in Großbardorf, was aber keinesfalls heißt, dass Stillstand herrscht bei den Grabfeld-Galliern. – Foto: TSV Großbardorf

Chef-Gallier Lampert zum BFV-Krisenmanagement: »Schrecken ohne Ende«

Andreas Lampert, Sportvorstand von Bayernligist Großbardorf, mit einer ganz klarer Meinung zur Vorgehensweise rund um die Coronakrise

Er wollte sich eigentlich nicht mehr zum Bayerischen Fußballverband und dessen Corona-Krisenmanagement äußern. Doch dann sprudelt es zu diesem Thema regelrecht heraus aus Andreas Lampert. Es hat sich einiges angestaut, das wird deutlich. Sorgen, Befürchtungen und Vermutungen dominieren anstatt Transparenz, Klarheit und Planungssicherheit. Im FuPa-Interview mit dem Sportvorstand des unterfränkischen Bayernligisten Großbardorf fallen Worte wie "Rohrkrepierer" oder "Schreckensszenario". Der 51-Jährige bleibt dabei allerdings sehr sachlich und ruhig, wird keinesfalls emotional...

Zunächst einmal ganz allgemein: Wie geht‘s Dir, Andreas?
Alles gut soweit, außer dass die Situation im Allgemeinen natürlich extrem nervt und in allen Bereichen an die Substanz geht. Da geht’s, glaub ich, aber allen so.

Wie geht‘s Dir ohne Fußball?
Natürlich hat sich schon immer sehr viel um Fußball gedreht, aber auch die Familie hatte schon immer einen hohen Stellenwert. Zeitlich wurde Fußball natürlich zuletzt weniger und Familie noch etwas mehr. Langweilig wird es mir aber so schnell nicht, dafür sorgen allein schon meine Kinder. Trotzdem wäre es schön, wenn es jetzt endlich bald stabil losgehen kann - vor allem auch für den Nachwuchs. Denn im Jugendbereich habe ich in den vergangenen beiden Jahren mit die meiste Zeit investiert - auch als Trainer.

Wie geht‘s Dir, wenn Du daran denkst, dass der TSV Großbardorf seit fast einem halben Jahr kein Pflichtspiel mehr bestritten hat?
Es ist alles so unwirklich. Wenn man mal wieder am Gallier-Campus ist, wie ich jetzt zuletzt mit meinen 2009ern Kids, ist das schon besonders. Das ganze Areal steht still und man muss es allen Beteiligten hoch anrechnen, dass wir sagen können, wir kommen da durch. Spieler, Trainer, Sponsoren und Gönner helfen alle zusammen.


»Möchte nicht als der große Kritiker hingestellt werden«

Wie geht‘s Dir, wenn Du praktisch dazu verdammt bist, die Beine stillzuhalten was die Vereinsarbeit betrifft?
Wir haben das vergangene Jahr trotz allem genutzt. Stillhalten gibt’s in Bardorf nicht. Auch nicht in dieser Pandemie-Zeit. Es galt vor allem den Verein stabil zu halten. Das ist uns gelungen. Wir hatten im ersten Lockdown mit unserem Gallier-Biergarten einen super Erfolg. Das wäre ohne Corona wohl nie ein Thema geworden. Jetzt ist sicher, dass wir das auch 2021 fortführen. Es gibt immer viele Gespräche und auch Ideen, die weiterbearbeitet werden. Zudem haben wir infrastrukturell aufgerüstet und auch Dinge vor Ort umgesetzt, die im Liga-Alltag meist auf der Strecke geblieben sind. Und über ein Jahr lang haben wir dabei natürlich auch viele Gespräche mit Nachwuchskids, Eltern und Spielern geführt, um die jeweiligen Personalplanungen immer wieder anzuschieben. Zu sagen, wir haben die Beine stillgehalten, passt also nicht ganz.

Wie geht‘s Dir, wenn Du an den Bayerischen Fußballverband denkst? Bist Du zufrieden mit den Funktionären und deren Entscheidungen?
Ich habe mir im Sommer 2020 selbst und auch meinen Mitstreitern im Verein versprochen, dass ich mich dazu eigentlich nicht mehr äußern möchte. Aber ok, ein paar meiner privaten Gedanken dazu kann ich schon nochmal preisgeben: Ich möchte damit aber jetzt nicht wieder als der große Kritiker hingestellt werden.

Jetzt sind wir aber gespannt.
Mir ging’s letztes Jahr um die Sache und das ist noch immer so. Dass ich ein absoluter Gegner der Verlängerung war, ist ja bekannt. Das hat sich bis heute nicht geändert. Es ist das passiert, was ich befürchtet habe. Jeder verfolgt weiter nur seine eigenen Interessen, aus welchen Gründen auch immer. Wohl auch der Verband. Der BFV hat diesen Weg favorisiert und durchgebracht. Klagewellen und so weiter wurden prognostiziert. Jetzt wieder. Soweit ich mich erinnern kann, haben alle deutschlandweit abgebrochen und die Saison 2019/2020 verschieden gewertet. Es gab aber nur eine Klage. Die von Türkgücü München. Es hätte soviel einfacher und klarer sein können. Ohne komplizierte Änderungen der Statuten.

Eines seiner letzten Pflichtspiele absolvierte der TSV Großbardorf im Oktober 2020 gegen den Würzburger FV.
Eines seiner letzten Pflichtspiele absolvierte der TSV Großbardorf im Oktober 2020 gegen den Würzburger FV. – Foto: HMB Media / Julien Becker

Und zwar?
Kein Konstrukt Ligapokal, das sowieso in der Versenkung verschwinden wird. Eine Saison 2019/2020 wäre längst abgehackt und keiner würde heute noch darüber reden. Doch jetzt fangen wir wieder damit an. Als Beispiel: Bei uns in der Bayernliga Nord wäre Vilzing bereits fast ein Jahr Regionalligist. Damals haben sie auch noch gegen Abbruch gestimmt, weil natürlich bei der Abstimmung nicht klar war, ob dann gewertet wird. Eltersdorf war auch gegen Abbruch. Jetzt hat sich mit ein paar wenigen Spielen mehr die Situation gedreht. Jetzt ist beschlossen, dass bei Abbruch gewertet wird und jetzt hat Eltersdorf anders als noch im Sommer 2020 den besseren Quotienten. Hat Eltersdorf alles richtig gemacht und Vilzing alles falsch? Vilzing wird jetzt wohl noch eine Saison 21/22 weiter Bayernliga spielen. Ist das nach jetzt fast zwei Jahren gerechter?

Wahrscheinlich nicht.
Man hatte so viele Möglichkeiten es irgendwie schöner, nach meinem Empfinden gerechter und vor allem viel viel einfacher zu gestalten. Natürlich hätte es Härtefälle gegeben, aber wer glaubte, dass es die diesen Sommer dann nicht gibt? Das der BFV es kann, hat er beim Nachwuchs bewiesen. Dieses Konstrukt finde ich klasse. Warum man das im Herrenbereich nicht gemacht hat, bleibt ein Rätsel. Das Argument, die Ligen wären dann zu groß geworden und nicht durchziehbar, hat man ja im Nachwuchs auch charmant gelöst. Im Herrenbereich hat man damit ein Schreckensszenario kreiert, um seine Position zu festigen. Es muss also andere Gründe haben, warum man es so nicht wollte. Und hätte man im Herbst 2020 nicht unnötige Pokalspiele, sondern Liga priorisiert, hätte man bei einem vielleicht noch möglichen Re-Start im Juni 2021 sogar noch eine dann wieder zu wertende Halbsaison 20/21 fertigspielen können. So wie es im Nachwuchs geplant und vielleicht auch noch möglich ist. Aber sei’s drum. Nützt alles nix.

Festhalten an alter Saison: »Alles wurde auf den Kopf gestellt«

Klare Worte.
Ich beneide natürlich aber auch die Funktionäre und auch Politiker nicht in dieser Ausnahmesituation. Ich frage mich aber trotzdem oft, wie man sich manches so überhaupt ausdenken kann und dann auch noch umsetzt bzw. in der Politik auch nicht umsetzt. Eine Fußball-Saison gehört nach einer Spielzeit - und das heißt für mich nach einem Spieljahr - beendet. Das ist das gerechteste. Klare Struktur. Klare Aussage. Es war höhere Gewalt. Wertung einziehen. Fertig. Was hat unsere jetzige Mannschaft noch mit der vom Sommer 2019 zu tun? Nix. Und da gibt’s viele Beispiele. Um beim Beispiel Vilzing bzw. Eltersdorf zu bleiben. Hätten sie zugestimmt und akzeptiert, dass einer aufsteigt, wäre jetzt vielleicht der nächste Aufsteiger. So bleibt voraussichtlich jetzt einer noch ein Jahr Bayernliga. Vor allem wir im gehobenen Amateurbereich hatten riesige Problemstellungen zu meistern. Spielerverträge. Sponsorenverträge. Alles wurde auf den Kopf gestellt, weil wir noch immer an der alten Saison rumspielen. Vor knapp einem Jahr wurden innerhalb fast weniger Stunden weitreichende Entscheidungen über Online-Meetings durchgeboxt und bis heute gebetsmühlenartig wiederholt und verteidigt. Und seitdem ist es nur noch die Nachwuchsabteilung des BFV, die uns über Webinare am Gedanken- und Entscheidungsprozess teilnehmen lässt. Das ist einerseits für den Nachwuchsbereich sehr gut aber für alles andere für mich nur noch extrem schade.

Wie geht‘s Dir, wenn Du an den Re-Start denkst?
Was soll ich sagen. Für mich ist seit Wochen klar, dass wir definitiv nicht mehr alles fertigspielen können. Wie soll das gehen - und vor allem wann? Vor Mai passiert gar nix. Hof mit aktueller Inzidenz von 300 hat noch elf Spiele. Garching in der Regionalliga sogar noch 12. Davon kann man sich sicher verabschieden und damit ist die Saisonverlängerung für mich erst Recht zum Rohrkrepierer geworden. Jetzt muss man nämlich wieder was konstruieren und definitiv trotzdem rechnen. Jetzt trifft’s halt gegebenenfalls ein paar andere. Ich bin jetzt wieder ein Freund davon, es endlich zu beenden. Und dann kann man vielleicht den Ligapokal nochmal auspacken im Juni und in vier Wochen beispielsweise im K.O.-System spielen, falls es bis dahin irgendwie geht. Im Falle der Fälle dann eben auch nur mit den Teams, die es epidemiologisch bzw. inzidenztechnisch gesehen spielen können.

Als es noch erlaubt war, wurde das Vereinsgelände kurzerhand zu einem Biergarten umfunktioniert, um zumindest kleinere Einnahmen zu erwirtschaften.
Als es noch erlaubt war, wurde das Vereinsgelände kurzerhand zu einem Biergarten umfunktioniert, um zumindest kleinere Einnahmen zu erwirtschaften. – Foto: TSV Großbardorf

Das ist Dein Wunsch. Und Deine Vermutung?
Ich schätze, der BFV plant weiter anders. Er wartet scheinbar ab von Ministerpräsidentenkonferenz zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz. Immer in der Hoffnung, dass sich was gravierend in der Position der Regierung ändert. Aber sind wir mal ehrlich nach einem Jahr Pandemie: Was soll sich da kurzfristig ändern? Spannend bleibt es in jedem Fall. Ich sehe weiter nur extrem viel Konfliktpotential - mehr nicht. Wir hatten letzten Sommer schon die Chance auf ein Ende mit kleinerem Schrecken. Daraus ist leider ein größerer Schrecken ohne Ende geworden. Aber wie gesagt, ich kann nicht mal im Ansatz vermuten, was der BFV plant. Denn seit November habe ich von dort auch nichts mehr gehört, außer das was über die Medien verbreitet wurde - und da hieß es immer: Abwarten. Somit geh ich davon aus, man wird uns nicht mehr am weiteren Entscheidungsprozess beteiligen. Also warten wir halt einfach weiter ab.

Wie geht‘s Dir, wenn Du an die Fortsetzung dieser Ewigkeitssaison denkst?
An die Fortsetzung denke ich bereits schon lange nicht mehr. Ich denke nur daran, dass es hoffentlich zum 1. Juli 2021 mit einer neuen Saison weitergeht, die möglichst frei von großen Einschränkungen ist. Im Jugendbereich war das zum Glück anders und die Zeit letzten Herbst habe ich genossen. Hier hoffe ich, dass die Kids jetzt im Frühjahr nochmal spielen dürfen.

Wie geht‘s Dir, wenn Du an die womöglich sehr kurze Vorbereitung denkst?
Ich glaube eher an eine lange Vorbereitung auf die Saison 21/22.

Wie geht‘s Dir, wenn Du an den Fitnesszustand der Bayernliga-Truppe denkst?
Das macht mir wenig Sorgen. Die Jungs sind alle von Natur aus motiviert und tun für sich viel, um im gehobenen Amateurfußball dabei zu sein. Aber auch sie brauchen nach dieser langen Pause natürlich mindestens vier Wochen Trainingsbetrieb, bevor es wieder richtig losgehen kann. Mehr Sorgen mache ich mir um die umliegenden Vereine im kleineren und wichtigen Amateurbereich.

»Am meisten Sorge bereiten mir die Kids«

Warum?
Da wird es viele geben, die sich entweder nicht mehr bewegen lassen, oder die eben ohne große Vorbereitung gleich zu viel wollen und das mit Verletzungen bezahlen und dann womöglich aufhören. Und am meisten Sorge bereiten mir die Kids. Es ist für mich epidemiologisch nicht begründbar, dass man Kinder nicht raus auf den Platz lässt - zumindest zum trainieren. Das ist leider nur politisch zu begründen, was ich gegenüber unseren Kindern einfach ungerecht finde. Der R-Wert beim Sport draußen geht gegen Null. Und das müsste bei aller gebotenen Vorsicht das relevante Argument von Einschränkungen sein. Die Kids brauchen Bewegung, Ausgleich, Sozialkontakte. Das lässt man alles außen vor. Wir haben den Luxus, dass wir grundsätzlich sehr viele hochmotivierte Kids bei uns haben, deshalb wird der Schwund aktuell nicht so groß sein. Bei kleineren Vereinen sehe ich das anders. Und das betrifft auch uns dann wieder - wenn auch erst in den nächsten Jahren.

Wie geht‘s Dir, wenn Du an Euren neuen Trainer Andres Brendler denkst, der inzwischen zeitlich gesehen gar nicht mehr so neu ist, aber dennoch erst wenige Spiele absolvieren konnte?
In vielen Gesprächen versuchen wir irgendwie die Spannung auch bei ihm hoch zu halten. Aber ich merke natürlich wie sehr es ihn frustriert, genauso wie uns. Alle wollen raus, wollen was bewegen. Aber so ist die Zeit eben. Bei uns im Sport sicher nicht anders als in allen Lebensbereichen aktuell.

Wie geht‘s Dir, wenn Du an die Zukunft der Grabfeld-Gallier denkst?
Mir geht’s da sehr gut. Wir haben ein wahnsinnig gutes Umfeld und tolles Führungsteam mit ganz vielen super Menschen, denen der Verein innigst ans Herz gewachsen ist. Wir machen in Bardorf alles mit Leidenschaft, aus vollster Überzeugung und wir verfolgen seit vielen Jahren einen klaren Weg. Wir haben tolle und verlässliche Partner und eine Gemeinde im Rücken, die uns unterstützt, wo es geht. Wir haben eine überragende vereinseigene Infrastruktur und hochengagierte Ehrenamtler, die gerne für den Verein und damit die Allgemeinheit Freizeit investieren. Und nicht zuletzt haben wir knapp 200 Spieler bzw. Spielerinnen, die aus Leidenschaft und Überzeugung das grüne Gallier-Trikot tragen und die mittlerweile bis in die jüngste Generation fußballerisch eine wahnsinnig gute Qualität und vor allem auch ein tolles Engagement mitbringen. Wir kommen mit vielen Anstrengungen da durch und werden unseren Weg weitergehen.

Danke für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft und ganz wichtig: Gesund bleiben.

Aufrufe: 023.3.2021, 08:15 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor