2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Carolin Riegel (rechts) war oft selbst von mehreren Gegenspielerinnen gleichzeitig nicht zu stoppen.
Carolin Riegel (rechts) war oft selbst von mehreren Gegenspielerinnen gleichzeitig nicht zu stoppen.
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Carolin Riegel: "Ich gehöre einfach hierher"

Carolin Riegel vom TSV Crailsheim beendet ihre Karriere - Im Interview blickt sie zurück und nach vorn

Carolin Riegel hat ihre Karriere bei den Fußballfrauen des TSV Crailsheim beendet. Im großen HT-Interview blickt sie auf ihre lange Karriere im Trikot der Horaffen zurück und auf die fußballfreie Zeit voraus.

Hubert Oechsner, der Macher des Frauenfußballs in Crailsheim, spricht von einem der größten Einschnitte in der Abteilungsgeschichte, wenn er an den Abschied der drei Routiniers denkt. Insbesondere auf Carolin Riegel hält er ganz große Stücke und sieht sie als quasi unverzichtbar für die Mannschaft des Zweitligisten an. "Sie war und ist eines der Gesichter des TSV Crailsheim." So hört sich höchstes Lob aus dem Mund des Teammanagers an.

Ein ganz normaler Werktag heute - also auch ein Trainingstag. Das bedeutet für Carolin Riegel: nach der Arbeit schnell ins Auto und ab nach Crailsheim flitzen - nur diesmal ohne Training. Wie fühlt sich das an?

CAROLIN RIEGEL: Den vertrauten Weg kenne ich natürlich wie meine Westentasche. Trotzdem ist es irgendwie ein unbekanntes komisches Gefühl - ohne Training. Seit ich laufen kann, spiele ich Fußball, habe als Kind mit meinen älteren Brüdern gekickt. Mein Papa war Trainer. Und jetzt ohne Fußball - das ist für mich etwas ganz Neues - und wird bestimmt spannend.

An was denken Sie dabei konkret?

RIEGEL: Sich das Wochenende selber einteilen zu können, ohne Rücksicht auf irgendwelche Spiele. Urlaub machen, wann man will, sonntags auch mal in den Biergarten gehen wie am Wochenende - einfach spontan handeln. Das kenne ich gar nicht. Außerdem habe ich einige Nichten und Neffen, mit denen ich auch Zeit verbringen möchte.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen aufzuhören?

RIEGEL: Ich habe das so entschieden und jetzt geht es an die Umsetzung. Das letzte Spiel gegen den 1. FFC Frankfurt II war natürlich schon sehr emotional und ergreifend. Bis jetzt fühlt es sich aber noch an wie eine ganz normale Sommerpause. Bin gespannt, wie es sein wird, wenn die neue Saison beginnt. Dann wird es schon jucken, wieder mitzumachen, glaube ich.

Sie gelten als eine ruhige Vertreterin, als Frau der leisen Töne.

RIEGEL: Das stimmt schon. Ich finde wichtig, dass man Leistung bringt und nicht herumschreit - auch als Spielführerin. Irgendwie kann ich gar nicht richtig streiten.

Rackert mit viel Kämpferherz, hat ein gutes Auge für die Situation, läuft wie ein Uhrwerk: Wie fühlt sich diese Einschätzung von Teammanager Hubert Oechsner für Sie an?

RIEGEL: Über sich selber zu urteilen ist schwer. Aber das hat er schön gesagt.

Was muss man mitbringen, um so lange auf hohem Niveau zu kicken?

RIEGEL: Ehrgeiz gehört dazu, Ansporn sicherlich auch. Man muss sich selber motivieren können, an die eigenen Grenzen gehen - man braucht natürlich auch Talent.

Sehen Sie diese Eigenschaften als Voraussetzung für eine entsprechende Laufbahn an oder werden Sie durch den Top-Fußball erst entwickelt und verfeinert?

RIEGEL: Natürlich muss man sich anstrengen. Ich denke aber, dass man diese Merkmale schon von Haus aus haben muss.

Dombühl, Weinberg, TSV Crailsheim. Sie haben nur in drei Vereinen ausschließlich in der Region gespielt, sind also sehr bodenständig. Was bedeutet Ihnen Heimat?

RIEGEL: Ich bin kein Wandervogel und fühle mich hier sehr wohl. Das ist wichtig! Auch um gut Fußball zu spielen. Man kennt sich gut. Alles ist vertraut. Mit dem TSV habe ich in der ersten und zweiten Liga gekickt, dabei auch gegen nationale Größen wie Birgit Prinz, Silvia Neid und viele andere bekannte Nationalspielerinnen gespielt.

Haben Sie nie konkret über einen Wechsel zu einem anderen Team nachgedacht? Von der Leistung her dürfte das kein Problem gewesen sein.

RIEGEL: Mehr als das, was ich fußballerisch erreicht habe, wäre auch woanders nicht möglich gewesen. Egal, wo man spielt: Man muss sich immer beweisen, an seine Grenze gehen, sich bei einem neuen Trainer seinen Platz erkämpfen.

Ihr Mann Johannes Riegel ist Vorsitzender beim Zweitliga-Konkurrenten SV Weinberg - quasi in der mittelfränkischen Nachbarschaft. War ein Wechsel dorthin nie ein Thema?

RIEGEL: Nicht ernsthaft. In Crailsheim zu spielen, war für mich eine Gefühlssache. Da hat es nie ein Problem, einen Interessenkonflikt gegeben.

Haben Sie sich ein kleines Hintertürchen offen gelassen, um vielleicht noch mal auszuhelfen, falls es für Crailsheim - oder Weinberg - in der neuen Saison sportlich schlecht laufen sollte?

RIEGEL: Mal sehen. Wenn, dann auf jeden Fall in Crailsheim. Ich hatte hier tolle Jahre und eine unvergessliche Zeit.

Sie haben auch einige Jahre in Crailsheim gearbeitet und sind täglich nach Hause gependelt…

RIEGEL: Das stimmt. Irgendwie gehöre ich hierher.

In einem Atemzug mit dem Namen Carolin Riegel hört man immer wieder den Begriff Vorbild - und zwar sowohl in sportlicher, als auch in menschlicher Hinsicht.

RIEGEL: In der Rolle habe ich mich eigentlich nie gesehen. Sportlich versuche ich natürlich, das Bestmögliche herauszuholen. Mit mir und meiner Leistung gehe ich eher kritisch um. Junge oder neue Spielerinnen kommen zur Mannschaft und schauen natürlich auf einen als etabliertem Leistungsträger. So gesehen könnte das mit dem Vorbild schon zutreffen. Was das Menschliche angeht: Ich halte mich für einen umgänglichen Typ, der nie Auseinandersetzungen oder Konfrontationen sucht.

Sie sind mehrfach - fünf-, sechsmal - zur Spielerin des Jahres beim TSV Crailsheim gewählt worden. Was bedeutet Ihnen das?

RIEGEL: Da findet immer eine richtige Wahl statt, mit Wahlzetteln und so weiter. Über eine solche Wahl freue ich mich, und das ist gleichzeitig auch eine Bestätigung für die gezeigten Leistungen.

Die Herren der Zunft verdienen nicht nur viel in Liga 1 und 2, sondern stehen auch sehr intensiv im Fokus. Wäre das etwas für Sie?

RIEGEL: Ich finde es angenehmer, wenn nicht so ein großer Hype gemacht wird. Ob man sich daran gewöhnen kann - ich weiß nicht?

Von Verletzungen sind Sie verschont geblieben!

RIEGEL: Ich habe Glück gehabt - hatte nur einige leichtere Blessuren. Bis zu dieser Saison. Ich habe alle Spiele mitgemacht. Ausgerechnet beim vorletzten Spiel in Mönchengladbach habe ich mir das Knie verdreht und konnte beim Finale gegen Frankfurt im Schönebürgstadion nicht mitspielen. Trotzdem hat mich der Trainer dann aber noch in den letzten zwei Minuten eingewechselt.

Auf der Bank sitzen - auch eine neue Erfahrung für die Leistungsträgerin!

RIEGEL: Stimmt. Ich musste nie auf der Bank sitzen. Ein blödes Gefühl, wenn man gar nicht eingreifen und helfen kann. Jetzt kann ich mich besser einfühlen, wie es Ersatzspielerinnen gehen muss, die gar nicht zum Zug kommen. Das kann ganz schön hart sein. Sie sind auch immer dabei, trainieren viel - und werden dann unter Umständen nicht eingewechselt. Respekt vor derlei Engagement. Das ist bestimmt nicht einfach.

Apropos Trainer: Wie leicht fällt es Ihnen, sich auf wechselnde Trainer einzustellen?

RIEGEL: Das ist mir immer relativ leicht gefallen. Ich war aber auch immer Stammspielerin. Auf jeden Fall ist es interessant zu sehen, was die Neuen anders machen. Andererseits ist es auch gut, wenn ein Trainer - wie Christian Isert bei uns fünf Jahre lang - bei einem Verein bleibt.

Die Fußballfrauen würden sich, nicht nur in Crailsheim über mehr Zuschauer freuen. Woran liegt es, dass die Besucherzahlen zu wünschen übrig lassen?

RIEGEL: Schwer zu sagen. Vielleicht spielen die Anstoßzeiten von 11 oder 14 Uhr eine Rolle. Die sind sicher nicht optimal, weil viele zu dieser Zeit selber kicken und nicht zuschauen können. Anderseits gibt es sicherlich auch noch Vorurteile dem Frauenfußball gegenüber, der oft immer noch mit den Männern verglichen wird. Und das kann man nicht machen.

Wie sehen Sie die sportliche Zukunft der Crailsheimer Fußballfrauen in der zweiten Bundesliga?

RIEGEL: Ich hoffe natürlich, dass es auch weiterhin gut läuft für die Mannschaft, und vertraue auf den neuen Trainer. Auf jeden Fall werde ich die Entwicklung weiterhin verfolgen und will auch selber mal im Schönebürgstadion vorbeikommen. Das habe ich mir fest vorgenommen.

Sie haben eine lange und erfolgreiche Karriere als Fußballerin hinter sich. Was bleibt an Erinnerungen an besonderen Erlebnissen und Ereignissen?

RIEGEL: Ich habe viele schöne Erlebnisse gehabt. Unter anderem stand ich - damals 15 oder 16 Jahre alt - in Schweden in der deutschen Jugendnationalmannschaft. Zu Bundesligazeiten haben wir am Hallencup in Bonn teilgenommen, mit den anderen Erstligisten zusammen, dort mal besser und mal schlechter abgeschnitten. Nicht zu vergessen die interessanten Vergleiche beim internationalen Hallenturnier des TSV Crailsheim in der Großsporthalle mit Gästen aus Ungarn, Schweden, Dänemark. Schade, dass das Turnier nicht mehr existiert.

Viele Sportler haben sich kleine Archive angelegt, wo Pokale, Medaillen, Urkunden, auch Zeitungsausschnitte aufgehoben werden. Wie halten Sie es damit?

RIEGEL: Insbesondere in den ersten Jahren habe ich fleißig gesammelt. Die Unterlagen gibt es noch. Ich muss sie mal herausholen und sichten.

Das Interview führte HT-Redakteur Klaus Helmstetter.


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Die Gesprächspartnerin

Carolin Riegel (34) kam im Jahr 2000 zum TSV Crailsheim, spielte dort seit 2004 als Aktive in der ersten Mannschaft. Die Mittelfeld-Akteurin hat dabei rund 250 Begegnungen absolviert. Unter anderem hat sie drei Einsätze in der U-17-Nationalmannschaft vorzuweisen. Carolin Riegel, geborene Hörber, bestritt am 5. September 2004 ihr erstes Bundesligaspiel. Das Premierentor folgte wenige Wochen später gegen den 1. FFC Frankfurt. Mit den Crailsheimerinnen ist sie zweimal in die erste Liga aufgestiegen, spielte ansonsten eine Klasse tiefer. Die gelernte Bürokauffrau lebt und arbeitet in Eckartsweiler, einem Ortsteil der Stadt Leutershausen in Mittelfranken. hel

Aufrufe: 028.5.2016, 07:38 Uhr
HT / KLAUS HELMSTETTERAutor