2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Ein Mann der ersten Stunde in der Regionalliga Bayern: Anton Bobenstetter hört nun als Trainer auf.  Hübner
Ein Mann der ersten Stunde in der Regionalliga Bayern: Anton Bobenstetter hört nun als Trainer auf.  Hübner

Bobenstetter macht die Regionalliga zur Champions League

Abschiedsinterview mit Buchbach-Legende

Anton Bobenstetter ist der Macher des TSV Buchbach. In 19 Jahren als Trainer formte er aus dem Dorfklub eine Regionalliga-Hausmarke. Nun ist für ihn die Zeit gekommen um aufzuhören.

„Mister Regionalliga“ könnte man ihn nennen, wie es der sportliche Leiter Georg Hanslmaier getan hat. Kapitän Maxi Hain bezeichnete ihn als eine „Ikone“, für Abteilungsleiter Günther Grübl ist er „phänomenal als Mensch, als Trainer und als Freund“. Als sie Anton Bobenstetter, 57, neulich in Buchbach als Trainer verabschiedet haben, suchte man fast verzweifelt nach immer größeren Superlativen. Weil es kaum Worte gibt für das, was dieser Mann hier geleistet hat. 19 Spielzeiten hat er den einst so unbedeutenden TSV gecoacht, von der C-Klasse bis in die Regionalliga geführt, die höchste Spielklasse im bayerischen Amateurfußball.

Und was könnte das Ausmaß dieses Wunders besser beschreiben als jener 26. Juli 2017, als der TSV Buchbach am 3. Spieltag der Regionalliga die Münchner Löwen geschlagen hat? Bobenstetter hat sich in diesem Moment an die Anfänge erinnert und an ein Gespräch im Sommer 2004 mit Felix Brych, dem heutigen FIFA-Referee. 1860 war gerade aus der Bundesliga abgestiegen, Buchbach noch in der Landesliga und Bobenstetter unkte: „Bevor die wieder mal ein Punktspiel gegen die Bayern machen, spielen sie eher gegen uns.“ Wahrscheinlich aber hat er selbst nicht geglaubt, als bekennender Sechziger-Fan schon gar nicht gehofft, dass es 13 Jahre später Wirklichkeit werden sollte.

Bobenstetters Highlight war Sieg gegen den TSV 1860 München

Der Sieg gegen Daniel Bierofkas Löwen war natürlich ein Highlight in Bobenstetters langer Trainerkarriere, er nennt aber auch den Sieg gegen Jahn Regensburg im Jahr zuvor, der bundesweit live im Fernsehen gezeigt wurde, ach, sagt er dann, „es gab so viele Höhepunkte, eigentlich weiß ich ja gar nicht, wo ich da anfangen soll.“

Also zurück zum Anfang. 1995 hat der damals 34 Jahre alte Bobenstetter den Trainerjob in seiner Heimatgemeinde Buchbach übernommen, ganz unten, in der C-Klasse: „13 Feldspieler hatten wir und keine zweite Mannschaft.“ Trotzdem gewann man 3:2 gegen die Ampfinger Reserve und blieb satte 75 Spiele ungeschlagen. Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde, Einladung ins ZDF-Sportstudio, Buchbach, dieses knapp 3000 Einwohner zählende Kaff im Landkreis Mühldorf, war weit über Bayerns Grenzen hinaus bekannt geworden.

Bobenstetter erinnert sich schmunzelnd an die erste, nicht allzu tragische Niederlage, Meisterschaft und nächster Aufstieg waren ja schon geschafft. „Da hat dann ein Gegner sein Trikot runter gerissen, drunter trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift: Serienkiller.“ Ein Hellseher? Auf Bobenstetters entsprechende Rückfrage kam die Antwort: „Das T-Shirt ging Woche für Woche wie ein Wanderpokal von einem Gegner zum nächsten, bis es nun endlich zum Einsatz kam.“

Bobenstetter zum TSV-Buchbach-Aufstieg: „das ganze Dorf hat drei Tage gefeiert“

Buchbach war in der Bezirksliga angekommen, „das ganze Dorf hat drei Tage gefeiert“ und für Bobenstetter schien „das Maximum erreicht“, das man mit diesem Verein, mit diesen Strukturen in einem dörflich geprägten Umfeld erreichen kann. War es natürlich nicht. Buchbach kletterte weiter, obwohl der erfolgreiche Coach Begehrlichkeiten geweckt hatte. Zweimal ist Bobenstetter seinem Herzensklub dann untreu geworden, von 1999 bis 2001 coachte er den TSV Ampfing, von 2008 bis 2010 den FC Falke Markt Schwaben. Als er zurückkam, hatte Buchbach unter dem Trainer Matthias Pongratz die Bayernliga erreicht und sich 2012, wieder unter Bobenstetter, für die neu geschaffene Regionalliga Bayern qualifiziert.

Eine riesige Herausforderung für den kleinen Dorfverein, „die Frage war, ob wir das überhaupt stemmen können.“ Konnte man, unter tatkräftiger Mithilfe der Buchbacher Bevölkerung. Sechs Mann sind damals nach Offenbach gefahren, haben im Stadion am Bieberer Berg, das kurz vor der Renovierung stand, die Sitzschalen abmontiert und in Buchbach angeschraubt, der vom Verband geforderte „Gäste-Käfig“ war auch schnell errichtet, aus dem Buchbacher Sportplatz wurde ein Schmuckkästchen. Das sich bei den Regionalliga-Spielen zu einem bei Gegnern gefürchteten Hexenkessel verwandelte, wo Siege hinterher bei Bratwurst von Grillmeister Weindl, Ginos Schinken-Pizza und mit Spanferkel gefeiert wurden. „Richtig geil hier“, fand Haching-Trainer Claus Schromm diese ganz spezielle Buchbacher Atmosphäre. In Buchbach halten sie zusammen, egal, was kommt.

So hat man es im Gegensatz zu manch renommierteren Klubs wie 1860 Rosenheim, SpVgg Bayreuth oder Bayern Hof Jahr für Jahr geschafft, die Klasse zu halten, meist relativ souverän, manchmal aber auch knapp. Bobenstetter erinnert sich an den Mai 2017, als in Rosenheim ein Tor in der siebten Minute der Nachspielzeit durch Torhüter(!) Alex Strobl die Liga sicherte. In Gefahr, seinen Job zu verlieren, war Bobenstetter allerdings nie, weil es „ohne ihn den Verein so nicht gäbe“, wie Fußball-Chef Grübl, Wegbegleiter von Anfang an, immer versicherte. Bobenstetter ist Buchbach und Buchbach ist Bobenstetter – so einfach ist das hier. Und so wahr.

TSV Buchbach lockt Spieler mit Arbeitsplätzen statt mit Geld

Wer wenig Geld hat, braucht im Fußball solche Leute. Bobenstetter hat Spieler wie die Hains aus der Bezirksoberliga geholt und zu Regionalliga-Spielern geformt, einen Aleks Petrovic, der eigentlich eine Profikarriere anstrebte, in Buchbach gehalten und zum Rekordspieler werden lassen. Ganz besonders freut es ihn, wenn junge Leute kommen und hier sesshaft werden, hier bauen und vielleicht sogar eine Buchbacherin heiraten. Man lockt mit Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in den Firmen der beiden großen Sponsoren, hat inzwischen auch eine Kooperation mit der FH Erding, kann dort Studienplätze bieten. Es hat sich so viel getan seit den Anfängen in der C-Klasse, wer aber hier Fußball spielt, muss bodenständig sein und sich auch damit abfinden, in der Wintervorbereitung mangels Kunstrasen schon mal auf der Straße zu laufen. „Die Möglichkeiten hier sind einfach begrenzt“, auch deshalb ist die Regionalliga für Bobenstetter ein ständiger Drahtseilakt.

Gemeinsam mit den vielen ehrenamtlichen Helfern hat man es geschafft, auf dem dünnen Drahtseil trotzdem immer das Gleichgewicht zu halten, man hat bewiesen, dass man mit Zusammenhalt, Vertrauen und Kontinuität Schwierigkeiten meistern kann. Bobenstetter ist mächtig stolz darauf, nie in seiner Karriere entlassen worden oder abgestiegen zu sein, mit ihm ging es immer nach oben. Er hat Mannschaften entwickelt und Spieler, er hat Widerständen getrotzt und Anfeindungen. Er, der in der Coaching-Zone schon auch mal emotional werden kann, hat sich bei einem Bier mit Kritikern versöhnt, wie damals mit Tobi Strobl, als der 1860 Rosenheim trainierte und vor dem Derby getönt hatte, das, was in Buchbach gespielt werde, sei „kein Fußball“. Das sei von der Presse ein bisschen übertrieben dargestellt worden, dem Tobi, sagt er, ist er „überhaupt nicht böse.“

Dabei hat es Bobenstetter nun wirklich nicht nötig, sich und seine Methoden zu rechtfertigen. Er ist stolz darauf, dass er eine Mannschaft hat, die bis zur letzten Minute kämpft und alles gibt, dass sie sich aber auch spielerisch entwickelt hat, werde doch allein schon damit belegt, „dass wir auswärts inzwischen erfolgreicher sind als zuhause.“ Dort, in den größeren Stadien, finde man die besseren Plätze vor, was eher spielerischen Teams zugutekommt.

Bobenstetter: Regionalliga ist für den TSV Buchbach "Champions League“

Maxi Hain, der Buchbacher Kapitän, hat wohl recht, wenn er über seinen „Ziehvater“ sagt: „Der wohl erfolgreichste Amateurtrainer Bayerns.“ Jetzt, da der Abschied gekommen ist, wurde Anton Bobenstetter noch einmal überschüttet mit Komplimenten und Superlativen. Praktisch alle Trainerkollegen haben anerkennende Worte geschickt, Glück gewünscht und Respekt gezollt für eine wohl einmalige Leistung. 19 Spielzeiten mit einem Verein, der immer nur nach oben gegangen ist.

Als sportlicher Leiter wird Bobenstetter nun seinen Nachfolger Markus Raupach dabei unterstützen, Buchbach in der Regionalliga weiter zu etablieren, als reine Amateurtruppe in einer immer professionelleren Liga. „Für uns“, sagt er, „ist das die Champions League.“ Wohl wahr.

Aufrufe: 05.6.2019, 09:38 Uhr
Reinhard HübnerAutor