2024-05-24T11:28:31.627Z

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Die Rote Karte war am 27. Oktober in Wolfgruben oft zu sehen. Am Montag wurden fünf SVWW-Spieler gesperrt.	   Symbolfoto: P. Seeger/dpa
Die Rote Karte war am 27. Oktober in Wolfgruben oft zu sehen. Am Montag wurden fünf SVWW-Spieler gesperrt. Symbolfoto: P. Seeger/dpa

Aussage des Schiedsrichters ist maßgebend

Sportgericht des Fußballkreises Biedenkopf sperrt fünf Spieler des B-Ligisten SV Wolfgruben/Wilhelmshütte, die aber glimpflich davonkommen

Wolfgruben/Steinperf. 0:5 hat der SV Wolfgruben/Wilhelmshütte am 27. Oktober sein Punktspiel gegen die SG Silberg/Eisenhausen II auf eigenem Platz verloren. Am Montagabend hatte die Partie für den Tabellenzehnten der Fußball-Kreisliga B Biedenkopf vor dem Kreissportgericht ein Nachspiel, bei dem insgesamt fünf Wolfgrubener Spieler gesperrt wurden – vier für zwei, einer für fünf Pflichtspiele.

Die Fußballrichter kamen unter in der Verhandlung unter dem Vorsitz von Erhard Fuchs zur Überzeugung, dass die Beschuldigten den Schiedsrichter „mit Worten attackiert haben, die unter die Gürtellinie gingen“, was den Tatbestand einer Unsportlichkeit bzw. Beleidigung erfüllte. Zudem muss auch noch ein Funktionär des SVWW eine Strafe befürchten.

Kaum noch ein Parkplatz war vor dem Battenfelder Hof in Steinperf am Montag vor der Verhandlung zu finden. Die war durch einen Sonderbericht des Schiedsrichters zu Vorfällen während und nach dem B-Liga-Spiel nötig geworden. Viermal hatte der Referee aus dem Fußballkreis Gießen auf dem Platz die Rote Karte gezückt (zweimal in Kombination mit dem gelben Karton), ein weiteres Mal nach Spielschluss. Kein Wunder, dass rund um den Wolfgrubener Rasenplatz die Stimmung hochgekocht war. Die beiden Streitparteien sind sich selbstredend gänzlich uneins, wer daran die Schuld trägt.

Die Spieler der Platzherren, so meint der Schiedsrichter: „Von Beginn an haben die Wolfgrubener Spieler jede Entscheidung von mir kommentiert und angezweifelt“, wiederholte der am Montag seine Aussage aus dem Sonderbericht und betonte, dass jeder seiner Platzverweise berechtigt gewesen sei. „Und eigentlich hätte ich den Torwart auch noch runterstellen müssen. Der stand beim Elfmeter, den er gehalten hat, fünf Meter vor der Torlinie und hatte schon Gelb. Ich habe es gelassen, weil sie dann nur noch sechs Mann auf dem Platz gehabt und ich das Spiel hätte abbrechen müssen“. Im Laufe der Partie sei er zudem mehrfach beleidigt und nach dem Match von einem Funktionär bezichtigt worden: „Du bist doch ein Rassist“.

Im Sonderbericht ist auch benannt, wer letzteren Vorwurf erhoben haben soll – der angegebene Name stellte sich bei Verhandlungsbeginn allerdings als Irrtum heraus. Der beschuldigte Funktionär war zwar als Verantwortlicher des SVWW im Spielbericht aufgeführt, verantwortlich war er am Spieltag aber nur für den Thekendienst im Vereinsheim. Den (aus seiner Sicht) wahren Schuldigen machte der Schiedsrichter am Montag unter den Anwesenden im Verhandlungslokal aus. Der wiederum bestritt den Vorwurf vehement: „Das ist glatt gelogen!“ Der SVWW hatte auch einen Zeugen benannt, der aussagte, dass der (neue) Beschuldigte sich zum Zeitpunkt der Rassismus-Bezichtigung gegenüber dem Unparteiischen gar nicht in dessen Nähe aufgehalten habe. Dass dem Referee eine in diese Richtung zielende Vorhaltung gemacht wurde, bestritt der Beschuldigte nicht, allerdings nicht von ihm, sondern von einem Zuschauer. Den Namen dieses SVWW-Anhängers, der sein Arbeitskollege sei und „mir vielleicht auch ein wenig ähnlich sieht“, mochte der Funktionär nicht preisgeben. Seine Begründung: „Wir wollen doch nicht auch noch den letzten Zuschauer vergraulen“.

Ein Urteil in dieser Sache fällte das Sportgericht am Montag übrigens nicht. Das diesbetreffende Verfahren musste abgetrennt werden. Denn der Beschuldigte war (noch bevor er durch die korrigierende Eingabe des Schiedsrichters zu einem solchen wurde) vom SVWW als Vereinsvertreter in der Montagsverhandlung benannt worden.

In dieser Funktion machte das Präsidiumsmitglied seinerseits den Schiedsrichter als Auslöser der gesamten Vorfälle aus: „Ich bin jetzt 62 und habe schon viel erlebt, so etwas aber noch nicht. Von den vielleicht 100 Mal, die er gepfiffen hat, waren 90 Pfiffe gegen uns. Er will, und ich weiß, er wird uns wehtun“. Welchen Grund der Referee denn dafür haben solle, fragte Fuchs nach und erhielt eine vielsagende Antwort. „Wenn eine Mannschaft wie wir mit zwei Rumänen, sieben Deutschtürken und einem Flüchtling aus Somalia antritt, kann man vermuten, warum“.

„Die Aussage des Schiedsrichters ist vornehmlich maßgeblich“, hatte Erhard Fuchs alle Beteiligten zu Beginn belehrt. Um diese zu entkräften, müssten die Beschuldigten einen anderen Sachverhalt beweisen. Den Wolfgrubenern gelang dies in keinem Fall, auch wenn vier der fünf Spieler bestritten, den Referee in jedweder Form beleidigt zu haben. Nur einer gab zu, dass er eine Entscheidung als „lachhaft“ bezeichnet habe, allerdings nicht den Schiri als „Lachplatte“ tituliert („Ich bin in Deutschland geboren und habe diesen Ausdruck noch nie gehört“). Auch „lachhaft“ aber sei eine zu ahndende Unsportlichkeit, betonte Fuchs‘ Stellvertreter Armin Müller. Der Spieler wurde ebenso für zwei Pflichtspiele gesperrt, wie der erste Gelb-Rot-Sünder des Spiels, ein weiterer Kicker, der den Referee nach dem Match „Idiot“ genannt haben soll, und wie Wolfgrubens Spielertrainer. Zu einem interessanten Disput führte die Verteidigungsrede des Letztgenannten, von dem sich der Schiri ebenfalls beleidigt fühlte – „auf seiner Landessprache“. Der mit der Ampelkarte bedachte Coach, der den Platzverweis gegen sich geahnt haben will, gab an, dass er nicht den Schiri, sondern einen Bankspieler angeblafft habe („Mach Dich endlich fertig!“) – in der gemeinsamen Muttersprache natürlich. Das wiederum erzürnte Erhard Fuchs: „Unsere Sprache auf dem Fußballplatz ist Deutsch!“ – „Wie wir untereinander kommunizieren, ist unsere Sache“, entgegnete der SVWW-Coach zunächst im Brustton der Überzeugung, gab sich wenig später aber doch etwas verunsichert: „Ich wusste nicht, dass ich nicht Türkisch reden darf“. Darf er aber, wie der Kreissportgerichtsvorsitzende auf Nachfrage zugab: „Eine solche Regel gibt es nicht“.

Wegen rohen Spiels in Tateinheit mit Beleidigung sanktionierte das Sportgericht jenen Spieler, der als einziger wegen eines Fouls vom Platz geflogen war, wobei dessen Gesamtstrafe von sieben auf fünf Pflichtspiele reduziert wurde, entsprechend der „Sonderregelungen für kleine Klassen“ mit unter 15 Mannschaften, einem Paragrafen der Strafordnung, den die Fußballrichter auch bei den anderen vier Sperren berücksichtigten und damit dem SV Wolfgruben/Wilhelmshütte offenbar eine Goldene Brücke bauen wollten. Dessen Vertreter ging hinüber und erklärte Rechtsmittelverzicht. Damit sind die Urteile rechtskräftig.



Aufrufe: 05.11.2019, 20:00 Uhr
Jens KauerAutor