2024-06-06T14:35:26.441Z

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Wieder zu Hause: Benjamin Klepker nach Leukämie geheilt auf den Schultern seiner etwas anderen Spieler. Foto: Elvira Parton
Wieder zu Hause: Benjamin Klepker nach Leukämie geheilt auf den Schultern seiner etwas anderen Spieler. Foto: Elvira Parton

Ausnahmeteam aus der Kreisklasse

Wie Hollager Fußballer ihren leukämiekranken Trainer zur Genesung trugen

Vereine, die etwas auf sich halten, zeichnen am Anfang eines neuen Jahres ihre Sportler des alten Jahres aus. Überraschungen sind dabei selten. Bei Blau-Weiß Hollage war das diesmal anders. Denn ein Team aus der 3. Kreisklasse wurde zur Mannschaft des Jahres gewählt.

Wallenhorst. Bei der bereits für Deutschland mit dem Jugend-Nationalteam kickenden Eva Holtmeyer war die Auszeichnung ebenso naheliegend wie beim Top-Leichtathleten Makara Monsen, der seine eigene Körperlänge überspringt. Doch als die Mannschaft des Jahres dran war, staunte mancher Gast. Nichts gegen Fußball und Kreisklasse, doch Hollage hat höherklassige Erfolge zu bieten und damit zu ehren als Hobbykicker für den Aufstieg aus der 3. in die 2. Kreisklasse – auch wenn dabei ein 120-Tore-Sturm für Furore sorgte.

Doch aus stutzigen wurden respektvolle Blicke, als das mit sieben Spielern vertretene Team für etwas gewürdigt wurde, was viel größere Wertschätzung verdient hat als Tore, Siege und Aufstieg. Das Team kümmerte sich um seinen Trainer Benjamin Klepker, seit der heute 35-Jährige an Leukämie erkrankte und in der Uni-Klinik in Münster zwischenzeitlich auf Leben und Tod lag.

Nicht nur, indem sich mal der eine, mal der andere Spieler in Münster sehen ließ, mancher fast täglich wie der beruflich in der Nähe tätige Kevin Fellhölter oder Marius Hagedorn. Sondern auch, wenn es etwas zu regeln oder helfen im Alltag der Familie: Ehefrau Daniela war mit vier Kindern ziemlich gebunden daheim in Hollage. Auch deshalb, weil sie keinen Führerschein hat, um das Auto ihres Mannes zu bewegen. „Kein Thema“, sagten sich Team-Kapitän Marcel Schnieder und seine Teamkollegen, wenn in der Woche ein großer Einkauf fällig und einer der Kicker zum Fahren und Verladen angesagt war. An einem anderen Tag packte ein anderer wie selbstverständlich die Mutter mit den Kindern Joana, Maurice, Josephine und Mia-Lotta ins Auto zum Besuch in Münster. Unvergesslich ist allen der Augenblick, in dem der Schwerkranke spürte, „dass es vorbei ist. Da haben meine Frau und ich uns nur angeguckt und wussten, dass was passieren konnte“.

Doch es passierte nichts nach Wochen der Ungewissheit, ehe Benjamin Klepker aufatmen konnte: Sein Bruder Jens wurde als der treffende Spender ausfindig gemacht. Als einziger mit den passenden Daten für den Transfer. Nach Vollzug und Stärkung ging es steil bergauf in der Genesung, auch dank des Fußballs, denn der Coach spielte förmlich mit vom Krankenbett aus in Münster, indem er Woche für Woche die Aufstellung mit Kotrainer Steffen Waldmann besprach und festlegte. Und das mit Kompetenz dank Ballhöhe, denn Spieler und Trainer tauschten sich bei Video-Konferenzen aus. Noch mehr: Der Coach lag im Bett, spielte bei Deutschlands einziger Kreisklassen-Video-Übertragung mit und sprach auch die Worte zur Pause in der Kabine via Face-Time.

Alles bewerkstelligt von der Mannschaft mit einem besonderen Geist. „Ich bin stolz auf meine Mannschaft“, sagt der Geheilte heute mit Blick auf seine Jungs. Die waren „erst geschockt“, wie Marcel Schnieder gesteht, als sie von der Diagnose hörten, dann aber „noch mehr motiviert“ mit dem festen Vorsatz, das sportliche Ziel auch oder gerade wegen dieser Situation zu schaffen. Und sie schafften es mit dem letzten Spiel, bei dem ihr Trainer geheilt erstmals nach mehr als einem halben Jahr wieder live am Platz stand. Noch nicht ganz in Amt und Funktion, aber dabei.

Dabei machte „die Vierte“ in Hollage mobil, indem sie Plakate aufhängte mit dem Bekenntnis zur Hilfsaktion „Wir für Benni“. Je stärker Klepker körperlich war, umso mehr bekam er Abwechslung und Zuspruch von daheim. Helmut Wellbrock organisierte den Fahrdienst mit Bullis nach Münster. Das erste Fußballteam der Blau-Weißen beteiligte sich an den hohen Kosten der Behandlung. „Die Vierte“ des Nachbarn TSV Wallenhorst bot sich an für ein Benefizspiel.

Inzwischen ist längst Alltag am Benkenbusch eingekehrt. Doch ein Jahr, das den Fußball mal nicht wie üblich prägte, bleibt in Erinnerung dank einer wahren Ausnahmemannschaft von jungen Menschen mit Herz, die für weit mehr als einen Aufstieg geehrt wurden.

Aufrufe: 028.1.2018, 08:00 Uhr
Wittlager KreisblattAutor