2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Der Campus des FC Bayern wurde im August 2017 eröffnet.
Der Campus des FC Bayern wurde im August 2017 eröffnet. – Foto: mis

Ausbeutung? FC Bayern zahlt weniger als Mindestlohn an Jugend-Trainer

Bessere Bezahlung in der Kreisliga

Die Trainer der deutschen Nachwuchsleistungszentren arbeiten unter unverhältnismäßigen finanziellen Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch der FC Bayern München.

München - Der deutsche Fußball gehört zu den besten Nachwuchsbereichen in Europa. Ziel der Vereine ist es, junge Spieler für die eigene Profimannschaft auszubilden oder diese teurer weiter zu verkaufen. Dafür hat der FC Bayern zuletzt rund 70 Mio. Euro in den FC Bayern Campus investiert. Im August 2017 wurde das Nachwuchsleistungszentrum an der Ingolstädter Straße eröffnet. Seitdem werden dort täglich die größten Jugendtalente des deutschen Rekordmeisters trainiert und gefördert. Teilweise werden sogar hohe sechsstellige Geldbeträge für 16-Jährige Nachwuchstalente aus ganz Europa bezahlt.

Im starken Missverhältnis dazu stehen die Gehälter der Trainer in den deutschen NLZs, wie „Sport Inside“ im WDR aufgedeckt hat. Konkret geht es darum, dass die meisten Trainer nur als Minijober auf maximal 450-Euro-Basis angestellt sind und dabei die Mindestlohnregelungen umgangen werden. Die Übungsleiter arbeiten mehr als sie gesetzlich dürften. Ein Co-Trainer des FC Augsburg berichtet, er habe im ersten Jahr 200€ und im zweiten Jahr 250€ monatlich verdient. Als Cheftrainer würde das Gehalt bei 400€ liegen - als Fulltimejob.

Mehrtägige Reise nach London wird mit zwei Stunden abgerechnet - Tanner: „Gängige Praxis“

Der FC Augsburg arbeitet mit Übungsleiterverträgen, die aus einem Grundgehalt und einer steuerfreien Übungsleiterpauschale besteht. Bei den Teilzeitverträgen des FC Bayern, die auf ein Jahr befristet sind, werden keine festen Stundenzahlen angegeben. Der Trainerjob besteht hierbei aus mindestens drei bis vier wöchentlichen Trainingseinheiten, dazu kommen Vor- und Nachbereitungen, Spiele, Turniere, Spieler- und Elterngespräche und Scoutingarbeit. Die 40 Arbeitsstunden pro Woche können bei weitem nicht eingehalten werden. Beispielsweise werden für mehrtägige Turniere zumeist nur die Nettospielzeit von zwei Stunden berechnet.

In einem konkretem Fall wurden für mehrtägige Reisen nach London und Berlin jeweils nur die Nettospielzeit von 80 Minuten abgerechnet, obwohl die Trainer mit der Betreuung der Spieler mehrere Tage verbracht haben. Auch der Reiseaufwand wird nicht entlohnt. Bei der Beschäftigung auf Minijob-Basis fällt zudem der Anspruch auf Urlaub oder freie Wochenenden weg. Die Trainer müssen neben der Arbeit im NLZ noch einem hauptberuflichem Job nachgehen, um überhaupt überleben zu können. Ernst Tanner, in der Vergangenheit unter anderem Nachwuchsleiter bei der TSG 1899 Hoffenheim und bei den Löwen, nennt diese Zustände im deutschen Fußball „gängige Praxis“.

FC Bayern: Lukrative Jobs als Trainer fast ausschließlich mit Ex-Profis besetzt

Für Rechtsanwalt Dr. Andreas Waldschmidt, der mehrere Nachwuchsübungsleiter des FC Bayern vertritt, sind die Trainer der NLZs aus Sicht der Vereine „Trainer zweiter Klasse“. Die Trainer würden mit großen Zielen, den Aussichten auf eine Festanstellung und Aufstiegsmöglichkeiten gelockt. All das tritt nicht ein, stattdessen würden die jungen Menschen „ausgebeutet und verarscht“ .

Die gut bezahlten Trainerjobs ab der U15 werden an ehemalige Profis oder über gute Kontakte zur Führung vergeben. Die U17 des FC Bayern leitet beispielsweise Danny Schwarz, Ex-Profi unter anderem beim FC Bayern, TSV 1860, SpVgg Unterhaching und VfB Stuttgart. Für die U19 ist Martin Demichelis zuständig. Auch in den Jahrgängen darunter fallen die Trainer- oder Co-Trainer-Jobs in den meisten Fällen an ehemalige Bundesligaspieler wie Simon Jentzsch oder Halil Altintop.

FC Bayern: 700 Millionen Jahresumsatz - Trainer erhalten 400 Euro

Bei internen Beschwerde über die Unverhältnismäßigkeit aus Aufwand, Verantwortung und Bezahlung wird den Betreffenden mit der Kündigung gedroht: „Draußen warten 1000 andere, die es für 200 Euro machen würden.“ Wenn die Trainer namentlich an die Öffentlichkeit gehen würden, würden sie im Jugendbereich in Zukunft keinen Job mehr erhalten.

Zeljko Ristic arbeitete Jahre lang für Hertha BSC. Inzwischen ist er Trainer in der Kreisliga und verdient trotz bedeutend geringerem Aufwand mehr als damals als Übungsleiter eines Topausbildungsklubs. Für Dr. Waldschmidt zeigt die Bezahlung wie die Vereine die Arbeit der Trainer wertschätzen. Während der FC Bayern beispielsweise trotz der Corona-Pandemie einen Jahresumsatz von über 700 Millionen Euro erzielt hat, werden die Mitarbeiter mit unter 400 Euro entlohnt. Attraktiv bleiben die Bundesligisten trotzdem aufgrund der Strahlkraft des großen Namens.

DFL prüft NLZ der Profi-Vereine, aber nicht die Bezahlung der Trainer

Die NLZs der 1. und 2. Bundesliga werden jährlich von der DFL geprüft. Dazu gehört allerdings nicht der Bezahlung der Trainer. Der Zoll, der dafür zuständig wäre, und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben zu diesem Thema keine Berichte.

In den letzten Jahren litt der deutsche Nachwuchsfußball unter starken Qualitätsproblemen. Frankreich und England sind inzwischen enteilt. Ein Grund: Unter den schlechten Arbeitsbedingungen leidet auch die Ausbildung der Spieler. Durch mehr hauptberufliche Jobs könnte die Motivation der Trainer und dadurch auch die Qualität erhöht werden. In England liegt die Bezahlung im Vergleich zu Deutschland deutlich höher und die Trainer können davon leben.

Bereits vor wenigen Monaten wurde der FC Bayern Zielscheibe eines Berichts von „Sport inside“. Am Campus des FC Bayern gab es Rassismus-Vowrüfe.

(Alexander Nikel)

Aufrufe: 017.3.2021, 14:19 Uhr
Münchner Merkur / tz / Alexander NikelAutor