2024-06-14T14:12:32.331Z

Allgemeines
Marco Henrichs spricht über spezifische Athletikübungen.
Marco Henrichs spricht über spezifische Athletikübungen. – Foto: Marco Henrichs

Aus dem russischen Spitzensport in den Mittelrhein-Fußball

Mittelrhein: Teil 2 des Interviews mit Marco Henrichs, der in der Jugend von Blau-Weiß Hand spielte und nun als Fitness-Experte an den Mittelrhein zurückgekehrt ist.

Im ersten Teil des großen FuPa-Interviews mit Marco Henrichs sprach der Fitness-Experte über seine Tätigkeit beim SV Blau-Weiß Hand und welche Teams er noch betreut. Im zweiten Teil geht es nun spezifischer um ein gezieltes Training und wie Henrichs individuelle Pläne erarbeitet.

Wir sind zurzeit mitten in der Rückrunden-Vorbereitung. Wie sieht für dich eine perfekte Trainings-Abstimmung aus?

Nach den Leistungstests habe ich für die Mannschaften einen Vorbereitungsplan erstellt, welcher für einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten mit den jeweiligen Belastungen und Entlastungen und einer stetigen Steigerung gilt. Die Trainer legen natürlich fest, was in seinem Fußballtraining mit der Mannschaft trainiert wird. Ich empfehle lediglich die Gesamtbelastung, wann wie intensiv trainiert werden sollte.

Man sollte sich in der Vorbereitungsphase vom klassischen Fußball-Wochenzyklus verabschieden, sondern die gesamte Vorbereitung mit gezielten Belastungs- und Entlastungsphasen trainieren. Testspiele sollten keine zu hohe Priorität haben und sich ausnahmsweise mal den Trainingszyklen unterordnen, bevor es in der Rückrunde wieder in den klassischen Wochenrhythmus geht.

Beim Athletik und Lauftraining baue ich möglichst viel den Ball ein. Inhaltlich arbeite ich gezielt an den Schwächen der einzelnen Spielerinnen und Spieler und bilde Schwerpunktgruppen im Training.

Was darf auf keinen Fall fehlen?

Konzentration, Konzentration und nochmals Konzentration der Spielerinnen und Spieler auf die jeweiligen Trainingsschwerpunkte. Das ist neben den individuellen Schwächen ein weit verbreitetes Problem, dass sich Sportlerinnen und Sportler zu wenig auf das konzentrieren, was sie im Training machen. Das gilt beispielsweise für die Frequenz und Lauftechnik beim Sprinten oder Antrittsschnelligkeit, Bewegungsabläufe im Agility-Training oder Übungen zur Rumpf-Stabilisierung.

Welche Fehler sollten unbedingt vermieden werden?

Unabhängig von den Trainerqualifikationen wird in der Breite zu wenig auf Individualität geachtet und zu wenig auf die Schwächen Einzelner eingegangen. Im Gegenteil haben zu viele Einheiten Abseits vom Ball den Charakter einer Gruppenbespaßung. In der Praxis wird also meistens irgendwas im Athletik- und läuferischen Bereich trainiert.

Regelmäßige Leistungstests im Bereich Athletik, Antrittsschnelligkeit, Grundlagenausdauer und Agility sollte zunächst Standard sein – auch im Amateurbereich. Nach den Analysen sollte dann in einzelnen Gruppen auf die individuellen Schwerpunkte eingegangen werden. Auch abhängig von den Positionen der Spieler sollte das Athletik und Lauftraining variieren.

Wie würdest du den Trainings-Alltag für eine Fußballmannschaft gestalten?

Zu Beginn ein Warm-up von ca. fünf Minuten. Die Spieler sollen mit dem schwachen Fuß den Ball in einem abgesteckten Feld eng führen und ständig in Bewegung bleiben. Danach folgt ein Dehnprogramm von etwa zehn Minuten für die Fußball-spezifischen Muskelgruppen mit eher wenig Zugkraft, um die Muskulatur nicht zu sehr zu ermüden. Dann folgt der Hauptteil vom Training mit jeweiligen Schwerpunkten. Entweder Athletik und / oder Lauf-ABC mit anschließenden Antrittsläufen oder klassischen Intervalltraining. Gegen Ende folgt dann ein intensiveres Dehnprogramm und anschließenden Auslaufen mit dem Ball als Cool-Down, ähnlich wie beim Warm-Up.

Wie beurteilst du im Amateur-Bereich den Faktor Zeit?

Egal ob zweimal die Woche oder fünfmal die Woche Training ist, generell sollten circa 25 bis 30 Prozent in dem Bereich Athletik und gezieltes Lauftraining investiert werden. In der Praxis ist es aber meist weniger wie empfohlen. Athletik- und Lauftraining ist immer ein Gewinn für die Weiterentwicklung.

Ist das ausreichend oder müsste es mehr sein?

Diese ca. 25 bis 30 Prozent sind in der Breite zunächst ausreichend. Jedoch sollte bei den Spielern die beispielsweise ein Gewichtsproblem haben oder starke Defizite in der Athletik, der Trainingsanteil für einen Zeitraum erhöht werden. Langfristig zahlt sich auch das aus.

Gibst du den Spielern Übungen mit, die sie auch Zuhause durchführen können?

Ja und zwar individuell. Einem Spieler mit Übergewicht empfehle ich beispielsweise ein gezieltes Fettstoffwechseltraining. Nach einer Sprunggelenkfraktur im Trainingsaufbau bietet es sich an, Aquajogging zu praktizieren, um so möglichst schnell aber schonend die Teilnahme am Trainingsbetrieb zu beschleunigen.

Wie findet eine Erfolgskontrolle statt?

Die Erfolgskontrolle finden durch Leistungstests statt. Dieser werden von der U9 bis zur U17 alle vier Monate durchgeführt. Ab der U17 alle sechs Monate. Je jünger die Spielerinnen und Spieler sind, desto schneller entwickeln sie sich weiter. Eine weitere Erfolgskontrolle findet jedoch bereits in den einzelnen Trainingseinheiten statt, in dem ich permanent die Entwicklung verfolge.

Welche einfachen Grundlagenübungen würdest du jedem empfehlen, regelmäßig zu machen?

Das Hauptdefizit bei Fußballerinnen und Fußballern ist nach meiner Erfahrung eine zu schwache Rumpfmuskulatur und Armkraft, mangelnde Beweglichkeit und Lauftechnik sowie eine zu schwache Grundlagenausdauer. Jetzt atmet der eine oder andere Sportwissenschaftler vielleicht tief durch und meint, ein Fußballer braucht kaum Grundlagenausdauer. Jedoch ist ohne Grundlagenausdauer ein hohes Lauftempo mit ständigen Antritten auf Dauer nicht möglich. Wichtig ist es, als Trainer das Verhältnis zu erkennen, mit welchen Spielern trainiere ich welche Intensität in welchen Umfängen, um das Optimum zu erzielen. Und da zerre ich aus einem recht großen Erfahrungsschatz, die die eine oder andere Lehrmeinung ab und an schon nachweislich widerlegt hat.

Ich bedanke mich für das Interview und wünsche allen Mannschaften eine verletzungsfreie Wintervorbereitung – Marco Henrichs

Aufrufe: 027.1.2022, 18:00 Uhr
Marcel EichholzAutor