2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Die deutschen Nationalspielerinnen Anja Mittag, Dzsenifer Marozsan und Simone Laudehr (von links), die hier das 1:0 gegen Norwegen bejubeln, haben fast schon so große Tattoos wie ihre männlichen Kollegen Marco Reus oder Jerome Boateng.  Foto: imago
Die deutschen Nationalspielerinnen Anja Mittag, Dzsenifer Marozsan und Simone Laudehr (von links), die hier das 1:0 gegen Norwegen bejubeln, haben fast schon so große Tattoos wie ihre männlichen Kollegen Marco Reus oder Jerome Boateng. Foto: imago

»Auch von den Tattoos angepasst«

Der Trainer des CSC Batzenhofen-Hirblingen, Jürgen Kamissek, spricht über die Weltmeisterschaft in Kanada und den Frauenfußball hierzulande

Hallo, Herr Kamissek! Als Trainer der Frauen des CSC Batzenhofen-Hirblingen gehören Sie doch sicher zu den Menschen, die sich derzeit mitten in der Nacht WM-Spiele in Kanada anschauen?

Kamissek: Das schaut doch keiner an. (lacht) Auch aufgrund der Zeitverschiebung. Das Interesse kommt doch erst, wenn man sieht, dass Deutschland Erfolg haben könnte. Im Ernst: Ich habe die letzten Tage natürlich immer geschaut.

Und wie hat Ihnen das 1:1 zwischen Deutschland und Norwegen gefallen? Das war immerhin das Finale der letzten Europameisterschaft.

Kamissek: Deutschland hat vor allem in der ersten Halbzeit toll und mutig und mit Kabinettstückchen gespielt. Nach der Pause waren sie wie ausgewechselt. Das 1:1 war dann verdient. Allein schon, weil der Freistoß sehenswert war. Für so ein Ding läuft der Ronaldo oft vergeblich wie ein Cowboy an.

In welchem Bereich unterscheidet sich Frauenfußball denn am meisten vom Männerfußball?

Kamissek: Auf welcher Ebene?

Nehmen wir mal die ganz hohe Ebene. Bundesliga und Nationalmannschaft.

Kamissek: Die Spielweise nähert sich immer mehr den Männern an. Von der Athletik, von der Schnelligkeit. Die Frauen sind alle top durchtrainiert. Es sind ja auch alles Profis, die auf der ganzen Welt verteilt spielen und ihr Geld verdienen. Frauen spielen vielleicht den technisch schöneren Fußball und machen noch nicht so viele grobe Fouls. Auch was die Tattoos betrifft haben sich einige schon den Männern angepasst.

Wie sieht es mit den Unterschieden auf niedrigerem Niveau aus?

Kamissek: Ganz eklatant fällt auf, dass die Frauen bis zur Bezirksoberliga in erster Linie aus Spaß an der Freude spielen. Da fließt kein Geld. Demzufolge ist auch die Vereinsverbundenheit größer, als bei den Männern. In letzter Zeit sind in unserer Region einige neue Mannschaften hinzugekommen. Das hat dem Niveau leider nicht gut getan, weil sich die guten Spielerinnen jetzt auf mehrere Klubs verteilen.

Warum hat der CSC Batzenhofen-Hirblingen in dieser Saison gar keinen Fuß auf den Boden gebracht?

Kamissek: Vor der letzten Saison ist eine komplette Bonstetter Mannschaft zu uns gekommen. Diese Spielerinnen hatten aber nicht die Qualität für die Bezirksoberliga und sind wieder gegangen. Die meisten nach Welden. So mussten wir mit Mädchen aus der Jugend und der zweiten Mannschaft auffüllen und waren nicht konkurrenzfähig.

Wie wird man eigentlich Trainer einer Frauenmannschaft?

Kamissek: Die Frage müsste lauten: Wie bleibt man Trainer einer Frauenmannschaft, wenn man null Punkte in der ganzen Saison geholt hat? Für diesen Job muss man sich nicht großartig bewerben. Da braucht man jemand, der das mit Herzblut macht und auch für das Drumherum sorgt. Bei mir hat sich das einfach so ergeben, weil meine Tochter Fußball spielt. Zuerst habe ich ihre Mädchenmannschaft trainiert, jetzt bin ich mit ihr in die erste Mannschaft aufgerückt.

Warum gibt es im unteren Frauenfußball so wenig Trainerinnen?

Kamissek: Ich weiß es nicht. Meine Frauen haben mir einmal gesagt, sie wollen keine Trainerin, weil sie vor einer Frau nicht genug Respekt hätten. Aber es gibt schon welche. Gerade bei Mädchenmannschaften sind es schon ziemlich viele.

Versprechen Sie sich von der Weltmeisterschaft Werbung für den Frauenfußball?

Kamissek: Ja, schon. Aber einen so genannten Hype gab es nicht mal nach der Weltmeisterschaft in Deutschland. Wir suchen kontinuierlich neue Mädchen für unsere Teams. Aus diesem Grund veranstalten wir am Mittwoch, 17. Juni, ein Schnuppertraining für Mädchen von 9 bis 16 Jahre. Nachdem sich uns elf, zwölf Frauen vom SV Bärenkeller angeschlossen haben, wollen wir mit zwei Mannschaften in die neue Saison gehen. Auch da könnten wir noch die eine oder andere Spielerin gebrauchen.

Interessieren sich die Frauen eigentlich für die Spiele ihrer Geschlechtsgenossinnen?

Kamissek: Natürlich. Aber das Interesse ist natürlich längst nicht so groß, wie wenn die Männer spielen. Vielleicht gibt es ja noch ein Public Viewing, wenn Deutschland ins Finale kommt.

Was trauen Sie als Fachmann der deutschen Mannschaft zu?

Kamissek: Also ich habe jetzt die anderen Favoriten wie USA, Brasilien oder Japan noch nicht gesehen – aber das Halbfinale müsste mindestens drin sein. Was mir gefällt, ist, dass Trainerin Silvia Neid auch viel junge Spielerinnen zum Einsatz bringt.

Im letzten Gruppenspiel geht es gegen Thailand. Ihr Tipp?

Kamissek: Nachdem wir beim 10:0-Sieg die harten Attacken der Spielerinnen von der Elfenbeinküste überstanden haben, werden wir uns gegen die eher als zierlich bekannten Thailänderinnen das Achtelfinale nicht nehmen lassen. Ich erwarte einen klaren Sieg.

Aufrufe: 015.6.2015, 21:07 Uhr
Augsburger Landbote / Oliver ReiserAutor