2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Bereit für´s Finale: Der Treburer David Wagner will mit Huddersfield Town englische Fußball-Geschichte schreiben. Foto: dpa
Bereit für´s Finale: Der Treburer David Wagner will mit Huddersfield Town englische Fußball-Geschichte schreiben. Foto: dpa

"Ach komm, gib's dem Deutschen"

Treburer David Wagner will mit Huddersfield Town Geschichte schreiben / Finale am Montag gegen Reading

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Mit dem englischen Zweitligisten Huddersfield Town will Trainer David Wagner (45) Geschichte schreiben. Am Montag kämpft der Club mit dem Mini-Etat im Finale im Wembley-Stadion um die Rückkehr in die Premier League. Mit FuPa hat der frühere Profi von Mainz 05 und Darmstadt 98 über die Saison und das Finale gesprochen.

FuPa: Herr Wagner, nach dem Sieg gegen Sheffield Wednesday steht ihr Verein Huddersfield Town im Finale um den Aufstieg in die Premier League. Hat dieser Erfolg die ganz große Euphorie geweckt? Schließlich war der Verein seit 1972 nicht mehr erstklassig und dümpelte in den vergangenen Jahren im Niemandsland der Championship herum.

David Wagner: Die Euphorie hat sich sukzessive über die gesamte Saison gesteigert. Zu Saisonbeginn haben wir 15.000 Dauerkarten verkauft – mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor. Dann kamen einige gute Spiele, dazu die gute Heimbilanz, und so ging die Stimmung immer weiter nach oben. Seit dem Habfinaleinzug gegen Sheffield ist die Stadt Blau-Weiß geschmückt. Alle fahren mit unseren Fahnen herum und der Fanshop ist leergekauft. Wir haben bereits 38.000 Tickets für das Finale in Wembley verkauft. Hier herrscht die ganz große Euphorie - unglaublich!

FuPa: Sie sind seit November 2015 in Huddersfield. Seitdem geht es steil bergauf, und das, obwohl die ganz großen Namen in Ihrem Team fehlen. Was macht den Erfolg Ihrer Mannschaft aus und was machen Sie anders als ihre Vorgänger?

Wagner: Als wir gekommen sind, und die ersten zwei Spiele verloren hatten, stand der Verein auf einem Abstiegsplatz. Wir haben dann nach und nach das ein oder andere verändert. Ich bin der erste nicht-britische Trainer auf der Trainerbank von Huddersfield. Das zeigt, wie eingefahren die Strukturen in diesem Verein gewesen sind. Daher war das, was wir mit rübergebracht haben, natürlich etwas anderes. Der Club hat die Veränderungen aber herausragend angenommen. Und so konnten wir viele kleine Schritte in die richtige Richtung machen.

FuPa: Wurde Ihre Verpflichtung als „Deutscher“ von den Fans damals skeptisch beäugt?

Wagner: Ja klar. Insbesondere in England, wo Erfahrung und Traditionsbewusstsein ganz groß geschrieben werden, wird alles was neu ist, erst einmal mit Vorsicht betrachtet. Wir waren den meisten völlig unbekannt. Dementsprechend war eine gewisse Skepsis da. Auf der anderen Seite ging es dem Verein zu diesem Zeitpunkt sportlich so schlecht, dass man gesagt hat „komm gib´s dem Deutschen, der kann es auch nicht schlechter machen“ (lacht). Aber man war letztlich offen für neues, und die bisherige Saison gibt uns viel von dem zurück, was wir investiert haben.

FuPa: Wie würden Sie den Unterschied zwischen dem englischen und dem deutschen Fußball beschreiben – speziell, wenn man die zweiten Ligen miteinander vergleicht?

Wagner: Es sind unglaublich viele Spiele. Wir machen am Montag unser 54. Pflichtspiel. Die Liga hat 24 Teams, dazu kommen zwei Pokalwettbewerbe. Das Spiel in England ist viel schneller, weil der Schiedsrichter weniger pfeift. Taktische Unterbrechungen, um die Zeit zu verschleppen, gibt es hier nicht. Das ganze Spiel ist körperbetonter als in Deutschland. Gerade in der Zweiten Liga findet man durch die verschiedenen Trainer aus Serbien, Portugal, Deutschland und England auch sehr viele verschiedene Spielstile, an die man sich anpassen muss.

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Huddersfield Town

Zuletzt spielte der dreimalige Meister (1924, 1925, 1926) im Jahr 1972 in der höchsten englischen Spielklasse. Im Halbfinale der Aufstiegs-Play-Offs setzte sich der Club aus der rund 146.000 Einwohner zählenden Stadt im Norden Englands im Elfmeterschießen gegen Sheffield Wednesday durch. Das Finale am kommenden Montag muss Huddersfield gegen den FC Reading gewinnen, um die Rückkehr in die Premier League zu feiern. Begleitet wird die Mannschaft von Trainer David Wagner von rund 40.000 Fans.

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FuPa: Sie haben fünf deutsche Spieler im Kader. Ist es ein Trend, dass man auf der Insel inzwischen vermehrt auf deutsche Spieler setzt?

Wagner: Bisher eigentlich nicht. Die deutschen Spieler, die in die Championship gewechselt sind, haben sich sehr schwer getan. Rouwen Hennings (Burnley), Philipp Hofmann (FC Brentford) oder Uwe Hünemeier (Brighton & Hove Albion) haben wenig gespielt. Die fünf Jungs bei mir haben den Trend etwas widerlegt und sind Leistungsträger. Ob das dazu führt, dass es künftig mehr deutsche Spieler nach England zieht, muss man abwarten. Der deutsche Markt ist für die englische Championship aber sicher nicht unattraktiv.

FuPa: Werfen wir einen Blick zurück nach Deutschland: Wie haben Sie die Entwicklung ihres früheren Vereins Darmstadt 98 erlebt? Speziell das „Wunder von Bielefeld“ und der Durchmarsch in die Bundesliga?

Wagner: Als ich Trainer in Dortmund war, hat meine Familie noch in Weinheim gelebt. Dementsprechend war ich häufig in der Region unterwegs und habe das hautnah mitbekommen. Ich kenne viele der Verantwortlichen persönlich; Rüdiger Fritsch, Anne Baumann oder auch Tom Eilers. Tom hat mich schon zwei Mal in Huddersfield besucht, und wir haben regelmäßig Kontakt. Ich habe mich wahnsinnig für die „Lilien“ gefreut.

FuPa: Mitte der neunziger Jahre haben Sie zusammen mit Jürgen Klopp in Mainz gespielt, wurden gute Freunde. Danach waren Sie beide beim BVB auf den Trainerbank. Jetzt könnte es ein Wiedersehen in der Premier League geben. Mit welchen Gefühlen geht man da dran? Oder ist das für Sie noch Zukunftsmusik?

Wagner: Nein, das ist wirklich nullkommanull in meinem Kopf. Für mich zählt nur das Spiel gegen Reading am Montag. Dieses „was-wäre-wenn“ ist nicht meine Art, Dinge anzugehen. Wir haben fast elf Monate investiert, um dieses Spiel zu bekommen und sind mit der Underdog-Rolle bisher herausragend gut zurecht gekommen. Wembley ist nach dem Maracana in Rio vielleicht der größte Fußballtempel der Welt. Das Spiel wird nahezu ausverkauft werden. Wir kämpfen um den Aufstieg in die Premier League. Daher liegen alle meine Gedanken nur auf diesem Spiel.

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Zur Person

David Wagner wurde am 19. Oktober 1971 in Frankfurt geboren. Nachdem er seine fußballerische Karriere beim SV 07 Geinsheim begonnen hatte, wechselte der Angreifer nach Profistationen unter anderem beim FSV Mainz 05, dem FC Schalke 04 und dem FC Gütersloh in der Saison 1999/2000 zum damaligen Regionalligisten Darmstadt 98. Für die Hessen absolvierte Wagner 76 Spiele (21 Tore). Im Sommer 2007 übernahm er die U19 der TSG Hoffenheim, ehe er 2011 bei der U23 von Borussia Dortmund anheuerte. Seit November 2015 ist Wagner Trainer des englischen Zweitligisten Huddersfield Town.

Aufrufe: 028.5.2017, 15:02 Uhr
Frank Leber (Darmstädter Echo)Autor