2024-04-29T13:44:06.427Z

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Aus dem Flow gerissen: Adrian Alipour, Trainer des TSV Steinbach Haiger, würde die Regionalliga-Saison gerne sportlich beenden, doch nicht ohne Zuschauer.    	Foto: Nick Fingerhut
Aus dem Flow gerissen: Adrian Alipour, Trainer des TSV Steinbach Haiger, würde die Regionalliga-Saison gerne sportlich beenden, doch nicht ohne Zuschauer. Foto: Nick Fingerhut

»Abbruch käme für uns sportlich einem Fiasko gleich«

RL SÜDWEST: +++ Trainer Adrian Alipour vom Regionalligisten TSV Steinbach Haiger über mögliche Zukunftsszenarien, eine zweigeteilte 3. Liga und seine tägliche Arbeit +++

Haiger. Adrian Alipour ist auch an diesem Morgen draußen unterwegs. „Drei Stunden in den Hügeln rund um Dillbrecht“, sagt der 41-Jährige hörbar außer Atem am anderen Ende der Handyleitung. Der Trainer des TSV Steinbach Haiger hat die Wandersocken und die Wanderschuhe angezogen, um „fernab der normalen Wege, quasi crossover und immer der Nase nach, mein tägliches Workout zu machen. Da kann ich zum einen abschalten, zum anderen aber auch arbeiten, sprich ich bin ständig am Telefonieren“, beschreibt der Mann, der die Mannschaft vom Haarwasen in der (noch) laufenden Saison in der Fußball-Regionalliga Südwest auf Platz drei geführt hat.

Adrian Alipour ist ein Typ der klaren Worte. „Deshalb steht für mich über den Gedanken, was mit der aktuellen Runde passiert, in Zeiten der Corona-Krise klar die Gesundheit und das Wohlergehen aller Menschen. Dazu zähle ich auch unsere Zuschauer die Spieler und ihre Angehörigen sowie unsere Clubmitarbeitern und uns Trainer“, stellt der gebürtige Dortmunder vorne an. Dann lässt er aber den Emotionen freien Lauf und redet im Gespräch mit dieser Zeitung über …

… einen möglichen Saisonabbruch in der Regionalliga Südwest: „Ein vorzeitiger Saisonabbruch käme für uns sportlich einem Fiasko gleich. Wir waren vor Corona im Flow, hatten sechs der letzten sieben Spiele gewonnen. Gewinnen wir noch in Alzenau, liegen wir nur noch vier Punkte hinter Spitzenreiter Saarbrücken. Wir stehen im Halbfinale des Hessenpokals und wollen ins Endspiel und dann auch in den DFB-Pokal. Unser Punkterekord und die Tatsache, dass noch weitere 33 Zähler zu vergeben sind, wären dann Makulatur.“

… Argumente, die allgemein für eine Fortführung der Runde sprechen: „Wir alle sind vor der Saison angetreten, um sportlich fair die Platzierungen auszuspielen. Jeder Verein hat 34 Spieltage lang die Chance, seine Ziele zu erreichen. Ob Meisterschaft, eine gewisse Platzierung oder den Klassenerhalt. Auch wir hatten mit unserem personell stark veränderten Kader gewisse Ziele. Die wir jetzt schon klar übertroffen haben. Wir wollten und haben die Spieler weiterentwickelt. Deshalb will ich mir nicht in den kommenden Jahren immer wieder die Frage stellen, was 2020 passiert wäre, wenn. Die Runde auf dem Platz zu entscheiden, das würde die Antwort und Gewissheit bringen.“

… die Möglichkeit von Geisterspielen: „Ich finde Spiele ohne Zuschauer grundsätzlich ätzend. Fußball lebt von der Fankultur, von der Atmosphäre, vom Raunen im Rund, wenn ein Fehlpass gespielt oder ein Tor erzielt wurde. Mir fehlt bei der Diskussion eine eindeutige Definition von Großveranstaltungen. Der TSV Steinbach Haiger hat einen Schnitt von 1200 Zuschauern. Da muss es doch Wege und Lösungen geben, vielleicht 500 Fans auf dem Haarwasen zu verteilen. Da hätten natürlich bei Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln alle etwas davon.“

… eine zweigeteilte 3. Liga: „Hut ab vor der SV Elversberg. Da haben sich einige Leute richtig Gedanken gemacht. Das ist eine perfekte Ausarbeitung. Dann wäre auch geregelt, dass der Regionalliga-Meister aufsteigt und die Relegationsspiele wegfallen. Ich halte diesen Vorschlag daher für klasse. Es gäbe viele Derbys und reizvolle Duelle. Haching gegen 1860 ist doch besser als zum Beispiel Haching in Rostock. Und es gäbe in den Regionalligen darunter wohl keine Zweiklassen-Gesellschaft zwischen Amateurvereinen und Proficlubs mehr. Das würde ich übrigens auch sagen, wenn wir jetzt Achter und nicht Dritter wären. Denn wenn Teams wie Saarbrücken, Offenbach oder Homburg per se in der 3. Liga spielen, ist die Chance, aus der Regionalliga aufzusteigen, doch für andere umso größer.“

… seine tägliche Arbeit als Trainer: „Ich arbeite derzeit viel im theoretischen Bereich, habe mein eigenes Fußball-Buch geschrieben. Außerdem telefoniere ich sehr viel und regelmäßig mit meinen Spielern, meinen Trainerkollegen und den Vereinsverantwortlichen des TSV. So erfahre ich, wie es ihnen und ihren Familien geht. Durch die Pulsuhren und die Übungsprogramme sehe ich, wie die Jungs drauf sind und was sie täglich auf freiwilliger Basis trainieren. Lieber wäre es mir gerade aber, mich und die Mannschaft auf den nächsten Gegner vorzubereiten.“



Aufrufe: 028.4.2020, 08:00 Uhr
Volkmar SchäferAutor