2024-05-02T16:12:49.858Z

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Klasse Fußballer - anfällige Knie: Reinhold Wirrer (vorne) ist schwer vom Ball zu trennen. Kreuzbandrisse pflasterten seine Laufbahn.
Klasse Fußballer - anfällige Knie: Reinhold Wirrer (vorne) ist schwer vom Ball zu trennen. Kreuzbandrisse pflasterten seine Laufbahn. – Foto: Enzesberger

4 (!) Kreuzbandrisse, doch die Liebe zum Ball ist stärker

Helden der Kreisklasse: FuPa erzählt die Geschichte von Kickern, die Sonntag für Sonntag Fußball leben

Fußball ist ihr Leben! Die Helden der Kreisklasse sind selten im Fokus, aber ohne sie wäre der Sport mit dem runden Leder nur halb so liebenswert. Die dritte Halbzeit nach dem Spiel ist dabei mindestens so wichtig wie die 90 Minuten davor. Im Gespräch heute: Reinhold Wirrer vom 1. FC Poppenberg.

Auf 13 Einsätze in der Bezirksliga bringt es Reinhold Wirrer. Es könnten auch 13 in der Bundesliga sein. Klingt arg weit hergeholt für einen Kicker, der im besten Fußballalter in der Kreisklasse zu finden ist? Nun ja, wer weiß, was geworden wäre, wäre Wirrer im Alter von 15 Jahren in die Junioren-Nationalmannschaft berufen worden. Er stand nämlich tatsächlich kurz vor der Nominierung in den elitären Kreis. "Ich spielte damals für die SpVgg Grün-Weiß Deggendorf und war in der Bayernauswahl. Die vom DFB haben sich dann aber doch für Ben Penzkofer entschieden", erinnert sich Wirrer. Das hat er aber seinem niederbayerischen Kompagnon aus Rattenberg (Lkr. Straubing-Bogen), der später sein Glück beim TSV 1860 München versucht hat, nie übel genommen. "Nein, nein. Ich muss auch ganz ehrlich sagen: Ben war schon noch ein Stück besser als ich."

Angebote von 1860 und Greuther Fürth - doch er entscheidet sich für einen anderen Weg.

Aber apropos Löwen: Ähnlich wie Penzkofer hätte auch Wirrer den Weg an die Grünwalder Straße 114 einschlagen können. Die Sechzger wollten ihn unbedingt haben. Das war damals schon eine Art Ritterschlag, zählte doch zu der Zeit die Nachwuchsarbeit der Giesinger mit zum Nonplusultra in Deutschland. Im Jahresrhythmus spuckte die Löwen-Schmiede spätere Bundesliga- oder sogar Nationalspieler aus: Die Bender-Zwillinge, Kevin Volland, Timo Gebhart usw...

Zudem lag Wirrer eine Offerte der SpVgg Greuther Fürth vor. Warum hat er es nicht probiert? "Ich hab`mich nicht getraut", antwortet der heute 29-Jährige offen und ehrlich. Zu viele Unkonstanten waren in der Profi-Rechnung dabei. "Ich bin ein sehr heimatverbundener Mensch. Mit 15 weg von zuhause, weg von der Familie und den Freunden. Das war mir dann doch ein zu krasser Schritt. Außerdem stand ich damals vor Beginn meiner beruflichen Ausbildung." Er setzte auf die sichere Variante - und hat es auch nicht bereut. Heute arbeitet Wirrer als Anlagenmechaniker bei der Firma Etscha in Hengersberg.

Führt in Poppenberg Regie: Reinhold Wirrer (li.).
Führt in Poppenberg Regie: Reinhold Wirrer (li.). – Foto: Theis

Im zweiten A-Jugendjahr zog es ihn von Deggendorf zurück nach Schöllnach. Wie zu erwarten, hob Wirrer sportlich den SVS auf ein anderes Niveau, bis in die Kreisliga ging's hoch für den Verein aus der Marktgemeinde. Dass Wirrer klasse kicken kann, wussten natürlich auch andere. Die Nachbarvereine klopften an - und Wirrer ließ sich zu einer unbedachten Aktion hinreißen, die ihm so heute sicher nicht mehr passieren würde: "Marco Dellnitz war damals Trainer in Bernried und hat einfach nicht locker gelassen. Er hat mich dann auch überredet. Das Problem war nur, dass ich auch in Auerbach schon zugesagt hatte. Das Ende vom Lied: Zwei Passanträge, viel Aufregung, zehn Wochen Sperre."

Nach dem fünften Kreuzbandriss wäre es wohl vorbei...

Deshalb kam er in Bernried nur auf 13 Einsätze in der Bezirksliga. Als er dann durchstarten wollte, passierte es: "Ich habe mir das Kreuzband gerissen." Pause. Monate lang. Und es sollte nicht der einzige Knie-Super-GAU bleiben. Eine schier unglaubliche Leidenszeit begann. Insgesamt viermal (!) riss Wirrer sich das Kreuzband, dreimal im linken Knie, einmal im rechten. Verzweifelt man daran nicht? "Hm", wird Wirrer ein wenig nachdenklich, "am schlimmsten war der Dritte. Beim Ersten habe ich mir gesagt: Naja, passiert. Beim Zweiten habe ich zu früh wieder angefangen. Als es zum dritten Mal passierte, war ich eigentlich körperlich topfit. Das hat mich dann mental schon arg in Mitleidenschaft gezogen. Beim vierten Mal war's dann nicht so schlimm. Ich habe es dann auch ohne Operation probiert. Nur Muskelaufbau und Physiotherapie. Das ist jetzt drei Jahre her und toi toi toi, seitdem halten die Knie." Man traut es sich kaum fragen: Was wäre wenn... "Wenn es ein fünftes Mal passieren würde, dann würde ich aufhören", ist sich Wirrer sicher.

"Schönwetterfußballer" - das sagt Wirrer über sich selbst.

Jeder andere hätte wahrscheinlich nach dem dritten Kreuzbandriss schon die Schuhe an den Nagel gehängt. Nicht so Reinhold Wirrer. "Mei, ich bin halt ein Fußballnarrischer", schmunzelt er. Auf dem Rücken trägt er die magische 10, wie einst der erst vor Kurzem verstorbene Fußballkünstler Diego Maradona. Zufall, dass er genau diese Nummer ausgewählt hat? "Ich bin schon einer vom alten Schlag", lacht er angesprochen auf die symbolträchtige Zahl der Spielmacher. "Ein Kämpfer bin ich nicht unbedingt. Ich bin tatsächlich eher der ballverliebte Typ, ein Schönwetterfußballer." Seine Kabinettstückchen und technischen Finessen führt er seit knapp sieben Jahren dem Publikum in Poppenberg vor. Moment mal, als Schöllnacher in Poppenberg, das kommt doch fast einem Sakrileg gleich? Die Kontrahenten aus der Marktgemeinde pflegen eine gesunde Rivalität. "Mein Freudeskreis war schon immer mehr in Poppenberg angesiedelt. Und mit meinen Freunden zu kicken, ist mir nunmal ganz wichtig", meint Wirrer lapidar. Wäre das somit auch geklärt.

Am Ball: Reinhold Wirrer.
Am Ball: Reinhold Wirrer. – Foto: Theis

Neben dem Fußball hat er eine zweite Leidenschaft entdeckt: American Football. "Um 2012 rum ging das los. Seitdem bin ich begeistert dabei. Am Sonntag nach den Spielen heißt es immer: Fernseher an, Football rein", grinst er. Besonders die Seattle Seahawks haben es ihm angetan. Im Rahmen der Europa-Tour der NFL war er 2018 sogar bei einem Spiel in London vor Ort. Nicht mit irgendjemanden, sondern mit seinem damaligen Coach Hubert Scheingraber, ebenfalls ein Freund des ovalen Kunstledereis. "Aber der unterstützt den falschen Klub", lacht Wirrer. Irgendwann, wenn Reisen wieder zur Normalität gehört, möchte er direkt an die amerikanische Westküste fliegen, um sich Seattle und die Seahawks live vor Ort anzuschauen. Am 4. März wird er 30 Jahre alt. Das wäre doch ein nettes Geschenk. Was wir ihm wünschen: Gesundheit - und vor allem keinen fünften Kreuzbandriss!

Aufrufe: 016.2.2021, 17:15 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor