2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Beide Daumen hoch: Alfons Weigert gehört zu den bekanntesten Schiedsrichtern in der Oberpfalz. Er hat einiges zu berichten.
Beide Daumen hoch: Alfons Weigert gehört zu den bekanntesten Schiedsrichtern in der Oberpfalz. Er hat einiges zu berichten. – Foto: Markus Schmautz

Alfons Weigert: Unter Polizeischutz zum Umziehen

Der 65-jährige Schiedsrichter aus der Oberpfalz hat schon über 2000 Fußballspiele auf dem Buckel – aber den Spaß nach wie vor nicht verloren

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Inzwischen ist Alfons Weigert 65 Jahre alt. Dennoch pfeift er nach wie vor jede Woche mehrere Spiele. Überall, wohin er kommt, kennt man ihn. Auf dem Platz ist Weigert geradlinig, streng und gerecht. Nach dem Spiel bleibt er gerne noch vor Ort, genießt ein kühles Bier mit alten Kameraden, den Spielern oder Fans. In den vergangenen 32 Jahren hat Alfons Weigert viel erlebt. In der BOL war er der älteste Schiedsrichter Bayerns, als Abschiedsspiel bekam er einen internationalen Einsatz, mit Jahn-Legende Harry Gfreiter produzierte er einen Werbespot, Mario Basler lud ihn auf einen Kaffee ein.

Herr Weigert, wie viele Spiele haben Sie eigentlich schon gepfiffen?
Alfons Weigert (65):
Leider habe ich erst mit 33 Jahren mit der Schiedsrichterei begonnen. Dennoch sind es inzwischen mehr als 2000 Einsätze als Unparteiischer oder als Schiedsrichter-Assistent. Ich habe mir jede einzelne Partie notiert. In meinem Notizbuch sind inzwischen 75 Seiten mit jeweils 28 Partien gefüllt. Ein paar Zeilen sind leer. So sind es wohl 2050 Spiele, in denen ich in den vergangenen 32 Jahren im Einsatz war. Teilweise habe ich mehr als 100 Partien im Jahr geleitet. Nach einiger Zeit bin ich damals auf ein Dieselfahrzeug umgestiegen. Schließlich musste ich jährlich bis zu 30.000 Kilometer im Auftrag des Fußballsports zurücklegen.


Wie kamen Sie dazu, den Schiedsrichterschein zu machen?
Gemeinsam mit Martin Landsmann habe ich bei meinem Heimatverein damals eine Jugendmannschaft auf dem Keilberg trainiert. Mein Sohn Markus, Jahrgang 1980, spielte mit. Der Martin hat immer von außen gecoacht, ich musste einspringen, wenn kein Schiri da war. Und irgendwann hat Martin gemeint, wir könnten doch die Schiri-Prüfung ablegen. Ich habe gedacht, das sei wie beim Führerschein. Die Prüfung bestehen und dann Autofahren bis zum Lebensende. Da habe ich mich aber getäuscht.


Inwiefern?
Wer den Schiri-Schein wollte, musste mindestens 15 Partien pfeifen. Mein erster Einsatz im Frühjahr 1991 war ein Damenspiel in Sanding. Ich fuhr hin und versuchte mein Bestes, viel Ahnung von der Pfeiferei hatte ich natürlich nicht. Schon bald habe ich gemerkt, dass mir das Schiedsrichterdasein Spaß macht und es mir liegt. Jahr für Jahr stieg ich eine Liga nach der anderen auf. Binnen kurzer Zeit war ich in der BOL angelangt. Auch da klopfte ich vehement ans Tor zur Verbandsebene an. Leider war ich aber schon zu alt, um in die Landesliga aufsteigen zu können. Allerdings durfte ich 15 Jahre in der BOL bleiben. Die Altersgrenze lag bei 50 Jahren. Da ich aber im August Geburtstag habe und der Stichtag der erste Juli war, durfte ich fast bis zu meinem 51. Geburtstag in der Liga bleiben. Somit war ich ein paar Monate der älteste BOL-Schiri Bayerns. Ich durfte auf viele unvergessene Spiele in den Bezirksoberligen Oberpfalz, Niederbayern, Mittel- und Oberfranken zurückblicken.


Ihr Sohn Markus ist seit einiger Zeit Bezirksschiedsrichterobmann. Wie oft waren Sie gemeinsam im Einsatz?
Von Beginn an habe ich ihn mit zu Spielen genommen. Er assistierte an der Linie. Später war das oft auch umgekehrt der Fall. Markus begann schon als Jugendlicher, schaffte es bis in die Landesliga.


Auch außerhalb des Platzes engagieren Sie sich…
Ja, das stimmt. Derzeit bin ich Ehrenamtsbeauftragter des BFV-Kreisausschusses. Zuvor war ich zwölf Jahre im Bezirksschiedsrichterausschuss tätig. Meine Hauptaufgabe im BSA war die wöchentliche Einteilung der Schiedsrichter im Herren-, Damen- und Jugendbereich. Auch in meiner Funktion als Schiri-Beobachter im Bezirk Oberpfalz war ich wöchentlich unterwegs.


Wer hat Sie besonders geprägt?
Besonders viel gelernt habe ich von Manfred Treitinger aus Alteglofsheim, der damals in der Bayernliga, der dritthöchsten Liga in Deutschland, gepfiffen hat. Auch von Werner Dimmelmeier und Heinrich Heindl habe ich mir einiges abgeschaut.


Sie gelten als harter Hund, bei dem Reklamieren verheerend ist. Wie würden Sie sich beschreiben?
Als geradlinig und berechnend. Der Günter Bortner hat mal zu seinen Mitspielern gesagt, dass bei mir reklamieren nichts bringen würde, da ich eine Entscheidung, außer eine Fehlentscheidung, niemals zurücknehmen würde. Und da hatte er recht. Bei mir wissen die Spieler genau, was als Nächstes passiert. Man sollte als Schiedsrichter immer berechenbar sein. Da muss man sich halt überlegen, zu was man sich hinreißen lässt. Die Spieler wussten genau, wann es für sie an der Zeit war, frühzeitig das Shampoo in die Hand zu nehmen und das warme Wasser zu genießen. Das war früher ja nicht selbstverständlich, dass das warme Wasser in den altehrwürdigen Vereinsheimen für alle reichte.


Sie bekamen ein internationales Abschiedsspiel. Wie kam es dazu?
Im Jahr 2012 musste ich altersbedingt aus der BOL ausscheiden. Damals hatten wir ein Austauschprogramm mit Tschechien. Mein letztes Spiel im Gespann durfte ich in Pilsen leiten. In der brisanten Partie ging es um den Aufstieg in die dortige Landesliga. Die Gäste gewannen mit 1:0 durch einen Elfmeter. Für die Hausherren musste ich Rot zücken. Da war einiges geboten. Viele Zuschauer, ein großes Polizeiaufgebot, Bengalos. Meinen Sohn Markus an der Linie habe ich zeitweise aufgrund der starken Rauchentwicklung nur noch erahnen können. Und wir als bayerische Delegation mit unserem Dolmetscher mittendrin. Nach der Partie bekam ich übrigens vom Libero der Hausherren ein Lob für die Leistung gezollt. Erst nach der hitzigen Partie gab er zu erkennen, dass er Deutsch spricht, viele Jahre für Bad Kötzting am Ball war. Und er sagte: „Keiner konnte dich verstehen, aber alle haben gewusst, was du meinst!“


An welche Highlights erinnern Sie sich zurück?
Unter anderem an ein Benefizspiel für Erdbebenopfer in der Türkei. Vor einer riesigen Zuschauerkulisse traten der SSV Jahn und eine Auswahl türkischstämmiger Spieler aus Bayern gegeneinander an. Als der Jahn 2003 in die zweite Bundesliga aufstieg, durfte ich den ersten Auftritt der neuen Mannschaft pfeifen. Und zwar war das beim 100-jährigen Vereinsjubiläum bei der TG Walhalla Regensburg. Unvergessen auch das Pokalspiel zwischen dem SSV Jahn und der SG Post/Süd. Vor dem Spiel wurde ich gewarnt, dass ich nur verlieren könne. Schließlich sei ich ein Regensburger Schiri und einer der beiden Regensburger Vereine würde verlieren. Der Jahn gewann. Ich konnte das Spiel ohne Probleme über die Bühne bringen. Auch die erste Bayrische Meisterschaft im Futsal war ein besonderes Erlebnis. Gerne erinnere ich mich zudem an verschiedene Hallenturniere zurück. Zum Beispiel an die Turniere in Kareth am zweiten Weihnachtsfeiertag vor rund 1000 Zuschauern.


Welches Spiel war besonders hart zu pfeifen?
Am 14. Oktober 2000 war ich in Niederbayern im Einsatz. Es ging um die Tabellenführung. Die Partie war von Beginn an von Zweikämpfen und brutalen Fouls geprägt. Bis zur Pause musste ich in dem hitzigen Spiel bereits drei Platzverweise aussprechen. In der Halbzeitpause habe ich den Verantwortlichen aufmerksam gemacht, dass er für die Sicherheit des Schiedsrichtergespanns verantwortlich sei. Daraufhin sagte er, diese könne er nicht mehr gewährleisten. Ich wies ihn darauf hin, dass er Verstärkung anfordern müssen. Der Verantwortliche rief die Polizei. In Durchgang zwei folgten zwei weitere Platzverweise. Nach dem Spiel wurde der Kreis der Zuschauer um mich und mein Gespann immer enger. Mein Sohn Markus, der mir an der Linie assistiert hatte, sah die Polizei und sagte sehr laut, dass unsere Kollegen ja schon vor Ort seien. Dieser Geistesblitz rettete uns wohl vor größeren Scherereien. Kurz darauf ging es unter Polizeischutz zum Umziehen und wir traten sofort die Heimfahrt an. Meine Frau erzählte mir daheim, dass im Radio darüber berichtet wurde, dass der Schiedsrichter zur Halbzeit Polizeischutz angefordert hätte.


Erinnern Sie sich auch an lustige Ereignisse?
Natürlich, da gibt es viele. Einmal spielte die SG Post/Süd mit großem Aufgebot beim VfB Bach. Es war bitterkalt. Da kam Dieter Eckstein zu mir und fragte, ob er sich mit ein paar seiner Spieler in der Halbzeit bei uns in der Schiri-Kabine aufwärmen dürfe. Mit Harry Gfreiter durfte ich einen Werbespot für einen regionalen Fernsehsender drehen. Der Harry brauchte jemanden, der ihm eine gelbe Karte zeigte. Da war ich natürlich sofort dabei.


Wie sah es mit Verletzungen aus?
Die gehören natürlich dazu. Vor ein paar Wochen war ich im Kreis Amberg im Einsatz. Der Libero nahm einen Ball volley, wollte per Befreiungsschlag klären. Dabei traf er mich voll im Gesicht. Ich rappelte mich auf, wischte das Blut ab und pfiff weiter. Die nächsten Tage lief ich dann mit einem Blinker rum, der seinesgleichen sucht. Einmal war ich mit Gespann in Pressath. Es lag einiges an Neuschnee. Ich pfiff an, schließlich wollte ich nicht 100 Kilometer wegen einer Spazierfahrt zurücklegen. Der Strafraum wurde geräumt, ein roter Ball musste her, die Linien kenntlich gemacht. Unter dem Spiel fiel mir auf, dass ich zwei Jugendliche als Assistenten dabeihatte. Im Falle einer Verletzung auf dem schneebedeckten Untergrund hätten wir mit der Heimfahrt ein Problem gehabt. Ab diesem Tag hatte ich immer einen volljährigen Assistenten mit Führerschein dabei.


Haben Sie auch Ex-Jahn-Trainer Mario Basler kennengelernt?
Natürlich. Ich pfiff den Jahn bei einem Testspiel gegen Schalding. Der Mario war auf 180. Ich sagte ihm, dass er gerne auf der Tribüne Platz nehmen dürfe, wenn er so weitermachen würde. Mario war dann ganz artig, freute sich aber besonders, als er mich eine Woche später beim Pokalspiel in Tegernheim wieder erblicken durfte. Er begrüßte mich herzlich und lud mich auf eine Tasse Kaffee und einen Plausch ein.


Haben Sie es irgendwann einmal bereut, Schiedsrichter zu werden?
Auf keinen Fall, ich kann auf viele tolle Erlebnissen auf verschiedenen Plätzen in Bayern zurückblicken. Bereut habe ich nur, dass ich erst so spät mein Hobby entdeckt habe. Wer weiß, wie weit ich sonst gekommen wäre. Ich habe mich immer sehr für den Nachwuchs eingesetzt, habe die jungen Schiris gerne und oft in meinem Gespann integriert. Ich kann nur jedem Fußballbegeisterten empfehlen, sich selbst als Schiedsrichter zu versuchen. Ich persönlich habe meine Bestimmung gefunden, durfte wunderbare Menschen, tolle Plätze und interessante Vereine kennenlernen. Es entstanden viele Freundschaften fürs Leben. Jedes Spiel hat seinen Reiz, sei es im Jugend-, im Damen-, im Herrenbereich oder in der Firmenliga. Wenn ich gebraucht werde, bin ich da.


Das Interview führte Markus Schmautz.

Aufrufe: 015.3.2023, 12:00 Uhr
Redaktion RegensburgAutor