2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait

Zu klein für Dynamo

Die Dresdner schickten Jörg Bär zurück nach Bischofswerda. Er führte dort Fortschritt in die DDR-Oberliga. Am Sonntag feierte er seinen 60. Geburtstag.

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Jörg Bär hat am Sonntag seinen 60. Geburtstag gefeiert. Er genießt seine Freizeit gern auf seinem idyllischen Wochenendgrundstück. Foto: Jürgen Schwarz

Wir kennen uns seit 40 Jahren und trotzdem war es nicht einfach, mit Jörg Bär ein „dienstliches“ Gespräch zu führen. „Mich kennt doch keiner mehr“, lautet sein erstes Statement. „Die ollen Kamellen will doch keiner mehr lesen“, folgt als zweiter Satz. Und als es schließlich zum obligatorischen Fototermin geht, hebt er abwehrend die Hände. Dabei hat Jörg Bär das mehr als 1 000 Quadratmeter große Wochenendgrundstück zu einer idyllischen Oase umgewandelt, die einfach nach einem Foto verlangt. „Ich bin hier draußen, so oft es meine Freizeit ermöglicht.“ Am vergangenen Sonntag war das aber anders, denn der ehemalige Fußballer feierte im Kreis der Familie, mit Ehefrau Ute, Sohn Hendrik(37) sowie „einigen guten Freunden“ seinen 60. Geburtstag.

Vor elf Jahren hat Jörg Bär dem aktiven Fußball auf beziehungsweise neben dem Platz ade gesagt. „Es war dann einfach genug, irgendwann müssen auch mal andere ran“, sagt er. „Trotzdem interessiere ich mich natürlich für die Ergebnisse und lese am Montagfrüh die Berichte in der Zeitung“, ergänzt er – und zieht genüsslich an seiner Zigarette. „Ich muss wirklich bald mit dem Rauchen aufhören.“

Sein Schmunzeln, das schon zu aktiven Zeiten eine gewisse innere Zufriedenheit bei ihm ausdrückte, verrät, dass er das wohl nicht ganz so ernst meint. Schon als Spieler zog er immer mal eine durch, auch kurz vor dem Training, „und meistens auf der Damen-Toilette, damit es der Trainer nicht merkt“. Jörg Bär wurde am 17. Juli 1956 in Rammenau geboren, wo er auch das Fußball-ABC erlernte. Nach seinem Wechsel zur Betriebssportgemeinschaft in Bischofswerda entdeckte ihn Dynamo. Fünf Jahre trainierte und spielte er in Dresden, oft saß er bei Ex-Nationalspieler Siegmar Wätzlich im Auto, der ihn wieder mit nach Hause zu den Eltern nahm. „Körperlich war ich damals nicht der Kräftigste und einer der Kleinsten in meinem Jahrgang. Ich wurde aussortiert und sollte zurück zu Fortschritt. Da ich aber mitten in der Lehre steckte, tauchte mein Vater, früher selbst aktiv, in Dresden auf und es wurde richtig laut. Die Lehre durfte ich dann zu Ende bringen und ich wohnte im Internat, wo auch Spieler wie Hartmut Schade oder Peter Kotte untergebracht waren.“

Unterwegs als Duo mit Bruder Frank

Auch sein vier Jahre älterer Bruder Frank frönte einst der schönsten Nebensache der Welt. „In Rammenau haben wir zusammen gespielt. Der Platz dort war berüchtigt für seine Schräglage. Mein Bruder spielte damals Libero und drosch die Bälle weit nach vorn – und ich habe sie reingehauen.“ Auch nach seiner Rückkehr aus Dresden und dem Aufstieg aus der Bezirksliga in die zweithöchste Spielklasse der DDR (1975/76) durfte Jörg Bär seiner Offensivfreude in Bischofswerda frönen, schoss zwischen 1976 und 1980 in der DDR-Liga immerhin 20 Tore.

Während seiner Armeezeit spielte er in Kamenz, kehrte aber im November 1981 zu Fortschritt zurück. Horst Rau, der 1983 zum ersten Mal als Trainer der Schiebocker unterschrieb, beförderte ihn schließlich zum Spielführer. Die Kapitänsbinde gab Jörg Bär bis zum Ende seiner Spielerlaufbahn nicht mehr ab. An seiner Seite war auch damals schon Ehefrau Ute, mit der er seit 37 Jahren verheiratet ist. Drei Jahre nachdem Horst Rau – heute 67 – als Trainer in Bischofswerda angefangen hatte, gelang der sensationelle Aufstieg in die DDR-Oberliga. Auch Jörg Bär war auf dem Höhepunkt seiner Leistungskraft. Sein ehemaliger Trainer blickt zurück: „Jörg war der ideale Kapitän. Er war ein guter und zuverlässiger Spieler, schon in jungen Jahren sehr anerkannt in der Stadt, durchaus eine Persönlichkeit und ein Vorbild für die Nachwuchsfußballer.“

Am 16. August 1986 führte Jörg Bär seine Mannschaft erstmals in einem DDR-Oberligaspiel auf den Rasen. Zu Gast waren die Dynamos. „Ein paar Wochen zuvor hatten wir in Dresden gegen die zweite Mannschaft den Aufstieg perfekt gemacht, nun liefen neben uns Reinhard Häfner, Jörg Stübner, Ralf Minge oder Matthias Sammer ins Stadion. Es war ein tolles Gefühl“, erinnert sich Bär. Die Stadt war wie leer gefegt. Kein Wunder, denn fast 10 000 Zuschauer drängten sich auf den Traversen. Am Ende stand es 0:0, auch weil Bär eine erstklassige Liberopartie ablieferte.

Für den Klassenerhalt reichte es letztendlich nicht, obwohl sogar Serienmeister BFC Dynamo in die Knie gezwungen wurde (2:0). Die Entscheidung fiel erst am letzten Spieltag, im Heimspiel gegen Rot-Weiß Erfurt (3:4). Jörg Bär ist heute noch überzeugt: „Es war ein Fehler, unseren besten Torschützen Roci Schiemann draußen zu lassen. Wir mussten ja unbedingt gewinnen.“ Schiemann kam dann doch noch ins Spiel und schoss drei Tore in der zweiten Halbzeit – aber das reichte nicht mehr.

Vier Jahre später gab es für die Schiebocker ein Déjà-vu. „Siggi“ Gumz hatte Fortschritt 1989 erneut in die DDR-Oberliga geführt, das Amt aber an Harald Fischer übergeben. Der gab nach elf Spielen – ein Sieg, ein Unentschieden, neun Niederlagen – entnervt auf. Und Horst Rau kehrte auf den Trainerstuhl zurück, führte die Mannschaft zusammen mit Jörg Bär an die Nichtabstiegsplätze heran. Erneut fiel die Entscheidung am letzten Spieltag – und wieder gegen Bischofswerda.

Der Kapitän, der Angebote aus Karl-Marx-Stadt und Cottbus ausgeschlagen hatte, blieb aber bei Fortschritt. „Ich hätte gern länger gespielt“, gibt er heute zu. Eine Schulterverletzung machte ihm zu schaffen. Die Liga-Serie 1990/91 wurde seine letzte als Spieler. Nach 313 Punktspielen und 53 Toren im Männerbereich hörte er mit 34 auf und wurde Trainer. „Ich war während meiner letzten Saison als Spieler schon Co-Trainer an der Seite von Horst Rau und wurde schließlich mitten in der Saison sein Nachfolger.“ Angeblich waren es die Bischofswerdaer Spieler, die Rau damals gekippt hatten. Bär sagt heute: „Ich weiß nicht mehr, wie es zur Beurlaubung von Horst Rau kam.“ Man muss es ihm einfach so glauben.

Erfolgreiche Zeit mit Bär als Trainer

Was folgte, war eine sehr erfolgreiche Zeit der Bischofswerdaer, die Jörg Bär als Trainer ganz entscheidend prägte. Pokalsieg, Teilnahme am DFB-Pokal und der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga sowie die Qualifikation zur Regionalliga, in der Schiebock noch einmal eine Saison mit dem „großen Bruder“ aus Dresden in einer Liga spielte. Nach dem Regionalliga-Abstieg 1996 verließ Jörg Bär den Verein und trainierte Budissa Bautzen, den TSV Pulsnitz und Fortschritt Großharthau. Anschließend kehrte er noch einmal zum BFV zurück und betreute in der Saison 2004/05 die Reserve in der Bezirksklasse. „Danach war endgültig Schluss mit dem Trainerjob.“

Mit Blick auf das aktuelle BFV-Team meint er: „Es ist wieder bergauf gegangen. Ohne einen Präsidenten wie Jürgen Neumann, der schon zu meinen aktiven Zeiten für den Verein geackert hat, wäre das aber nicht möglich gewesen. Und“, fügt er an, „wir haben mit Erik Schmidt einen jungen Coach, der über hohes Fachwissen verfügt. Der macht das richtig gut.“ Wenn nicht Jörg Bär, wer dann sollte das beurteilen können? Alles Gute „Langer“!

Aufrufe: 019.7.2016, 13:14 Uhr
Jürgen SchwarzAutor