2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Nach Regen folgt Sonnenschein: Berthold Göbel hat nach aktueller Lage den Umbruch des Würzburger FV erfolgreich gemeistert.
Nach Regen folgt Sonnenschein: Berthold Göbel hat nach aktueller Lage den Umbruch des Würzburger FV erfolgreich gemeistert. – Foto: Mario Wiedel

Alles neu macht der Göbel

Der Umbruch beim Würzburger FV unter Trainer Berthold Göbel scheint geglückt. Zufall? Können? Oder einfach nur Glück? +++ Der 51-jährige WFV-Trainer im großen FuPa-Interview.

Erst war das Geld weg, und dann auch noch ein Großteil der Spieler - zugegeben, diese Zusammenfassung stellt die Situation des Würzburger FV zu Beginn des Jahres 2019 etwas überspitzt dar. Die Folge allerdings ist offensichtlich: Nachdem der Bayernligist zahlreiche Abgänge hinnehmen musste, war ein Umbruch im Kader praktisch unabdingbar - gleichzeitig kam mit Berthold Göbel ein neuer Trainer in die Zellerau. Der 51-jährige Bergtheimer hat diese Situation jedoch sogleich angenommen und nach aktueller Lage auch gelöst. Zufall? Können? Oder einfach nur Glück? Darüber spricht der Bautechniker im FuPa-Interview.

Bertl, würdest Du Dich als besonders kreativer Mensch beschreiben?
Nö. Ich bin ein Normalo, wie jeder andere, nichts Besonderes. Und das ist auch gut so. Es gibt sicherlich kreativere Menschen als mich.

Ist Kreativität nicht die wichtigste Zutat, um einen Umbruch zu meistern?
Auf dem Fußball bezogen ist die vorherige Frage natürlich wieder eine andere Geschichte. Es ist eigentlich das Leben eines Trainers, kreativ zu sein. Diese Fähigkeit hat aber mit dem Menschen, der dahinter steckt, nur wenig zu tun. So einen Neustart, wie ich ihn beim WFV miterlebt habe, ist seine sehr interessante Geschichte. Man hat zu Beginn eines Umbruch nicht die leiseste Ahnung, ob das Ganze gut geht. Zudem gibt es keine Schema F bei der Herangehensweise. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als aus vom Bauch heraus zu entscheiden - und das ist ja dann doch irgendwie Kreativität.


»Emotionalität gehört einfach mal auch dazu«

Welche Eigenheiten sind noch unabdingbar, um eine derartige Aufgabe erfolgreich zu lösen?
Ruhe. Sowohl Jürgen Roos (damaliger WFV-Fußballchef/Anm. d. Red) als auch ich konnten uns - Gott sei Dank - auf unsere Gelassenheit verlassen. Lässt man sich von außen beeinflussen, das gilt übrigens immer als Trainer, ist man schnell fertig mit der Sache. Es wird ja alles sofort und möglichst schnell todgeredet. Es hat keinen Sinn, diese Stimmen zu hören. Man hat ein Ziel vor Augen, man hat seine Vorstellungen, wie man das Ganze umsetzen möchte - und dann geht's los ohne dass man sich aus der Bahn werfen lässt.

Ist Dir diese Ruhe angeboren oder eher die Folge Deiner Erfahrung?
Eher Zweiteres (lacht). Ich bin schon seit über 20 Jahren im Geschäft, habe einiges erlebt. Und mit zunehmenden Alter wird man generell ruhiger und abgeklärter - auch, wenn man in manchen Situationen rückfällig wird (lacht). Die Emotionalität gehört einfach auch mal dazu (schmunzelt).

Berthold Göbel hatte im bisherigen Saisonverlauf öfter Grund zur Freude als zunächst gedacht.
Berthold Göbel hatte im bisherigen Saisonverlauf öfter Grund zur Freude als zunächst gedacht. – Foto: Heiko Becker

Kann jeder Trainer Umbruch - oder ist das ein Fachgebiet wie auch der berühmt-berüchtigte "Feuerwehrmann"?
Puh (überlegt). Umbruch habe ich vorher auch nicht so wirklich einen mitgemacht. Dass man allerdings - auch in funktionierende, gestandene Mannschaften - immer wieder den ein oder anderen Neuzugang einbaut, ist als Trainer normal und alltäglich. Insofern denke ich, kann einen solchen Neustart jeder Coach bewältigen. Ich arbeite generell gerne mit jungen Spielern, deshalb war mir vor der Aufgabe beim WFV insgesamt nicht so bange.

Welchen Einfluss hat der Trainer überhaupt auf das Gelingen eines Umbruches? Würdest Du soweit gehen, dass der WFV ohne Dich nicht so gut dastehen würde aktuell?
Um Gottes Willen. Natürlich nicht. Jeder erledigt seinen Job nach bestem Wissen und Gewissen. (überlegt) Ich bin kein Gott. Ich versuche, meine Position nach meinen Vorstellung auszufüllen. Ich war schon immer so, dass ich mir beim Thema Fußball nie habe reinreden lassen. In diesem Bereich war ich schon immer eigensinnig. Und es geht in der Branche oft um das vorher angesprochene Bauchgefühl - das haben aber andere Trainer genauso wie ich.


Finanzschieflage 2019: »Klasse, das da gelaufen ist«

Der "neue" Würzburger FV ist die Folge einer finanziellen Schieflage im vergangenen Jahr. Wie hast Du damals, als Du noch Deine Auszeit genossen hast, die Situation beim Bayernligisten wahrgenommen?
Generell ist der Würzburger FV ein gestandener Verein. Der WFV hat viele alteingessene Fans im Umkreis der Stadt, in der er ja auch lange Jahre die Nummer 1 war. Dass es dann intensiv wird, wenn negative Schlagzeilen produziert werden, ist irgendwie klar. Es ist aber auf der anderen Seite klasse, was da gelaufen ist, damit der Verein am Leben bleibt. Die Situation war prekär, aber der Verein ist gestärkt daraus hervorgegangen.

Was hat Dich dennoch davon überzeugt, das Angebot des WFV anzunehmen und in der Zellerau Coach zu werden?
Eben genau der vorher beschriebene WFV, seine Geschichte, seine Stellung in der Stadt. Gedanklich hatte ich eigentlich mit dem Trainerjob bereits abgeschlossen. Ich habe meinen Heimatverein (SV Bergtheim/Anm. d. Red.) in der Jugendarbeit, wo auch mein Sohn spielt, unterstützt. Wenn sich aber ein solcher Verein wie der Würzburger FV meldet, kannst du nicht absagen. Mein Fußballerherz ist aufgegangen.

War es dann tatsächlich so, dass Du auf einen komplett unfertigen Kader gestoßen bist?
Vor einem Jahr wussten wir nicht, wo wir stehen. Wir wussten nicht mal, ob wir einen Bayernliga-Kader haben werden. Ich bin Anfang 2019 dazugekommen und war von da an in die Planungen involviert. Wir hatten gar nichts. Erst nach den Neuwahlen der Vorstandschaft (Februar 2019/Anm. d. Red.) kam das Ganze etwas ins Rollen. Jürgen Roos, Marco Scheder (Co-Trainer/Anm. d. Red.) und ich haben dann alles probiert, um einen schlagkräftigen Kader zu stellen.

Zahlreiche Spieler sind innerhalb Würzburgs gewechselt - von den Kickers zum WFV. Wie "wertvoll" Zusammenhang, dass der Drittligist seine U23 aus dem Spielbetrieb genommen hat?
Das war überlebenswichtig. Die vier besten Spieler der A-Jugend der Kickers, die eigentlich für die Reserve in der Bayernliga vorgesehen waren, sind zu uns gewechselt. Diese Jungs haben Qualität, sie haben uns sofort weitergeholfen. Ohne sie wäre es schwierig geworden. Langfristig müssen beide Vereine meiner Meinung nach ohnehin besser und enger zusammenarbeiten - trotz aller Rivalität.


Das diffizile Gebilde einer funktionierenden Mannschaft

Inwiefern warst Du an der Zusammensetzung des Kaders beteiligt?
Vollumfänglich. Viele Spieler kennt man ja vom sehen her, einige vielleicht sogar etwas näher. Als feststand, dass wir an dem und dem Akteur interessiert sind, habe ich natürlich mitgewirkt.

Es ist ja immer die Rede davon, dass nicht nur die Qualität eines Neuzugangs ausschlaggebend ist für eine Verpflichtung, sondern auch dessen Charakter. Doch wie lässt sich das Innenleben einer Person in nur wenigen Gespräche nach außen wenden?
Die Sache mit dem Charakter ist eine Sache, die ich nicht so teilen kann. Natürlich achtet man ein Stück weit, wie sich ein potenzieller Neuzugang verhält. In den vergangenen 20 Jahren hat es nur in den seltesten Fällen Spieler gegeben, mit denen ich nicht zurecht gekommen bin. Wobei es auch keine Grundvoraussetzung ist, auch die Spieler müssen untereinander nicht beste Freunde sein. Die Mannschaft muss funktionieren, das ist das wichtigste. Dazu braucht man unterschiedliche Typen und Qualitäten, und jeder tickt einfach anders. Es zählt der gemeinsame Erfolg und nicht gemeinsame schöne Abende.

"Ich muss als Trainer auch mal hart sein, gleichzeitig aber Fingerspitzengefühl zeigen."
"Ich muss als Trainer auch mal hart sein, gleichzeitig aber Fingerspitzengefühl zeigen." – Foto: Ernst Blank

Egal, ob Jayson Tuda, Calvin Gehret oder Fabio Bozesan: Als diese Talente können sich darauf verlassen, erfahrene Spieler wie Christian Dan, Benjamin Schömig oder Dennie Michel neben sich zu haben. Sind diese genannten Führungsspieler gerade im Falle eines Umbruchs mehr als nur Spieler, sind sie vielleicht sogar schon Hilfstrainer?
Ein Gerüst von erfahrenen Spielern ist das A und O, um überhaupt so etwas wie eine Mannschaft formen zu können. Alles andere funktioniert nicht. Deshalb war beispielsweise ein Benjamin Schömig wahnsinnig wichtig. Er hat im ersten Halbjahr gezeigt, dass er einfach überragend ist - als Kapitän und als Spieler. Aber - ganz wichtig: Ein Spieler kann die besten Führungsqualitäten haben, wenn er seine Leistung nicht bringt ist er dennoch fehl am Platz. Glücklicherweise hatten unsere erfahrenen Recken in dieser Saison bisher eine starke Form. Das hat mit dazu beitragen, dass der Umbruch funktioniert hat.

Wie hast Du versucht, diese erfahrenen Recken auf Deine Seite zu bringen, was ja unabdingbar ist, um eine funktionierende Mannschaft auf die Beine zu stellen?
Eine schwierige Angelegenheit. Die Spieler müssen Leistung bringen, um zu spielen und somit eine Führungsrolle übernehmen zu können. Gelingt ihnen das, haben sie das Vertrauen des Trainers. Eine Kausalkette, die an gewissen Stellen nicht zu beeinflussen ist. Eine Gradwanderung. Spielt ein Benjamin Schömig nicht, ist der unzufrieden und nimmt seine Aufgaben als Kapitän nicht so wahr wie ein zufriedener Benjamin Schömig.


Und immer wieder geht's um das Bauchgefühl

Es heißt immer, Talente dürfen Fehler machen. Ist das tatsächlich so - auch in einem leistungsorientieren Amateurfußball wie in der Bayernliga?
Kurz und knapp: Hat ein Talent die nötige Qualität, macht es nur wenige Fehler. Macht er doch einen, lernt er daraus und alle profitieren davon. Ich muss als Trainer auch mal hart sein, gleichzeitig aber Fingerspitzengefühl zeigen. Hier sind wir wiederum beim Bauchgefühl.

Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich der WFV unter Deiner Ägide noch entwickeln? Ist eine Rückkehr ins Spitzenfeld der Liga möglich?
Eigentlich eine einfache Frage, die vor dem Corona-Hintergrund jedoch sehr schwierig ist. Wir müssen zunächst mal schauen, wie wir aus dieser Situation rauskommen. Dann ist es schon unser Ziel, den Verein mit dem ein oder anderen Neuzugang weiterzuentwickeln.

Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft - und ganz wichtig: Gesund bleiben!

Aufrufe: 09.5.2020, 06:00 Uhr
RedaktionAutor