2024-05-17T14:19:24.476Z

Allgemeines
– Foto: FuPa Bonn Sieg

Wo einst Walter und Kuzorra kickten

Groundhopping am Rhing: Das alte Poststadion

Das Poststadion: Jahrzehntelang war die Anlage am Lievelingsweg die Bonner Vorzeige-Sportstätte. Von großen Spielen und Rad-Steher-Rennen vor 10 000 Zuschauern.

Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer: Der große, ruhmreiche 1. FC Kaiserslautern kommt nach Bonn. Man schreibt das Jahr 1948; drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dürsten die Menschen nach sportlichen Großereignissen, um sich vom schwierigen Alltag in der Wiederaufbauphase des Landes ein wenig abzulenken. Da kommen die Lauterer Fußballer, ihres Zeichens damals Meister der französischen Besatzungszone, gerade recht.


Schließlich ist es nicht irgendwer, der da anreist. Es sind keine Geringeren als die Idole Fritz und Ottmar Walter, Werner Kohlmeyer und Werner Liebrich, die sechs Jahre später in der Schweiz den ersten Weltmeistertitel mit der deutschen Nationalmannschaft holen sollten. Wie groß der Fußball-Hunger der Bonner ist, wird deutlich, als am 6. Mai der Anpfiff ertönt: Sage und schreibe 16 000 Fans tummeln sich auf den Rängen im hoffnungslos überfüllten altehrwürdigen Poststadion und sehen einen 12: 3-Erfolg der Stars gegen TuRa Bonn, einen der Vorläuferclubs des Bonner SC.

Das Poststadion, das in der Nähe des heutigen Verteilerkreises lag, war damals die Vorzeige-Arena in Bonn. Nach einer einjährigen Bauphase wurde es am 8. Mai 1921 mit einem Fassungsvermögen von etwa 10 000 Zuschauern noch unter dem Namen Stadion am Lievelingsweg offiziell eingeweiht. Nach einigen Erweiterungsarbeiten in den Folgejahren wurde die Arena dann am 24. Juli 1927 unter dem Namen Schmidt-Schneiders-Stadion nochmals eröffnet. Der erste Teil des neuen Namens geht auf den seit 1880 in Bonn wirkenden Geheimen Sanitätsrat Ferdinand August Schmidt zurück, der ebenso wie Heinrich Schneiders zeitweise Vorsitzender des Bonner Turnvereins (BTV) war.

Denn außer der TuRa nutzte auch der BTV die Anlage, der das Gelände 1938 für 85 000 Mark an den Post SV Bonn verkaufte. Damit einher ging die Umbenennung in Poststadion. Bis 2010 existierte das Stadion, das neben der Rasenspielfläche über eine 400 Meter lange Beton-Radrennbahn verfügte, die in jenen Jahren ebenfalls eine erhebliche Anziehungskraft auf die Sportfans ausübte und die als eine der schnellst en Bahnen Deutschlands galt. Von September 1948 bis 1960 wurden zahlreiche Bahnrad- und Steherrennen dort ausgetragen, die nicht selten mehr als 10 000 Zuschauer anzogen. Kein Wunder angesichts der illustren Besetzung, die sich da ein Stelldichein gab: So waren unter anderem der mehrfache deutsche Meister Jean Schorn aus Köln, der Bonner Lokalmatador „Jupp“ Sauerborn – in jener Zeit ein Idol – und ein gewisser Gustav Kilian am Start. Kilian, auch der „eiserne Gustav“ genannt, der spätere Bundestrainer der Radamateure, bestritt zwischen 1925 und 1951 insgesamt 125 Sechstagerennen. Bis 1977 gewannen von ihm betreute Sportler bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen 16 Gold-, 13 Silber- und sieben Bronzemedaillen. Im Jahre 2000 verstarb Kilian.

Aber zurück zum Fußball: Nicht nur der 1. FC Kaiserslautern mit seinen späteren Weltmeistern war im Poststadion zu Gast; bereits 1933 hielt der zu dieser Zeit weltberühmte „Schalker Kreisel“ Einzug am Lievelingsweg. Die Königsblauen vom FC Schalke 04 traten mit den „Legenden“ Ernst Kuzorra, Fritz Szepan und Otto Tibulski an und gewannen mit 4: 2.„Ausverkauft“ meldete die Arena auch im Jahre 1954, als die deutsche Jugend-Nationalmannschaft vor 13 000 Besuchern ihr Können zeigte. Im schwarz-weißen Trikot kam damals auch ein gewisser Uwe Seeler zum Einsatz.Und auch der Hochschulsport hatte seinen festen Platz im Poststadion. So kam es am Karfreitag 1948 sozusagen zu einem Fußball-„Länderspiel“ zwischen dem Team der Universität Bonn und der Hochschulmannschaft aus Bern, das die Bonner vor 13 000 Zuschauern mit 3: 1 für sich entschieden. Das Rückspiel in der Schweiz verfolgten im Übrigen gerade einmal 100 Unentwegte.Geblieben ist nur noch die Erinnerung an die traditionsreiche Sportstätte und die vielen sportlichen Großereignisse im Lauf der Jahrzehnte. Heute befinden sich auf dem Areal unter anderem ein Pflegezentrum, ein Edeka-Markt und Wohnungen.

Die Serie: Es läuft die 88. Spielminute. Der SC Widdig führt im Derby gegen Germania Hersel 1: 0. Doch der Druck der Hausherren aus Hersel wächst. Der Widdiger Spieler mit der Nummer 10 nimmt sich ein Herz und bolzt den Ball in den nur wenige Meter entfernten Rhein. Zugegeben, die Szene ist ausgedacht. Doch kennt nahezu jeder Spieler eine ähnliche Situation in Hersel. Der ehemalige Fußballplatz, der gleich mehrfach im Jahr komplett unter Wasser stand, ist legendär. So wie einige andere Sportanlagen in Bonn und der Region. Da gab es im Bornheimer Wäldchen einen Fußballplatz, auf dem heute nur noch Tannen und Gestrüpp zu finden sind. Im Troisdorfer Aggerstadion gab ein gewisser Lothar Matthäus sein Abschiedsspiel als Profi. Im altehrwürdigen Poststadion spielte einst der 1. FC Kaiserslautern vor 16 000 Zuschauern. Das Stadion ist längst Geschichte sowie andere Plätze und Anlagen auch. Der Acker in Brenig ist im Kreis genauso bekannt, wie der viel zu lange Aschenplatz in Widdig. Nach dem Fußmarsch durch den Wald zum Platz des SV Ennert war mancher schon vollkommen platt, ehe er überhaupt gegen einen Ball getreten hatte. In unserer Reihe „Groundhopping am Rhing“ erinnern wir an legendäre Sportanlagen und die Geschichten, die sich dahinter verbergen. Wir freuen uns natürlich über weitere Anregungen.
Schreiben Sie uns an sport@ga-bonn.de!

Aufrufe: 031.3.2020, 08:16 Uhr
General-Anzeiger Bonn/Wolfgang LeyAutor