2024-05-02T16:12:49.858Z

Querpass

Wenn Wände reden könnten!

Da sie es nicht können, machen wir das. FuPa zeigt die Wände der Ligen und erzählt ihre Geschichten.

Sie alle stammten aus Magdeburg und Umgebung, aus Wegeleben, Darlingerode und Gommern. Junge Kerle, die meisten Anfang Zwanzig. Viele von ihnen waren im »Schwermaschinen-Kombinat Ernst Thälmann« beschäftigt. Trainiert wurde abends. Meist ging es mit dem Fahrrad zum Vereinsgelände. Der Verein verschaffte ihnen die Mehrraumwohnung im Neubau. Aber wie lange es wohl noch dauern würde, bis der bestellte Trabant ausgeliefert wird, darüber rissen sie nur noch Witze. Überhaupt war es eine Truppe, die für ihre Kameradschaft und Loyalität berühmt war. Am Anfang war kaum zu denken über internationale Erfolge, aber was dann passierte, lässt noch heute vielen den Atem schwinden.

Es war einer dieser unglaublichen Abende, die der Fußball schreibt. Eine eher namenlose Regionalmannschaft aus der damaligen DDR-Oberliga steht als Sieger des Europapokals der Pokalsieger 1974 fest. Dabei waren die Siebziger Jahre nicht nur für den FC Bayern München erfolgreich. Der 1. FC Magdeburg bestritt in jenen Jahren wohl die besten Spielzeiten, die es im DDR-Fußball wohl gab. Dabei feierten sie ein mal die Meisterschaft, gewannen drei mal den FDGB-Pokal (der DFB-Pokal des Ostens) und erreichten wohl jenen Moment, den ein Fußballer nie mehr vergessen wird: der Einzug in das Europapokalfinale der Pokalsieger.

Im Laufe des Tuniers wurden Breda, Banik Ostrau, Beroe Stara Zagora und Sporting Lissabon hinter sich gelassen, bis man verdient im Finale stand. In diesem sollte es schwer werden. Ausgerechnet der AC Mailand stand am 08. Mai 1974 dem FCM gegenüber. Der italienische Topklub hatte zuvor schon zweimal den europäischen Pokalsieger-Wettbewerb gewonnen - 1968 gegen den Hamburger SV und 1973 gegen Leeds United. Vor gerade einmal 5000 Zuschauern waren es nicht die Mailänder, sondern die Magdeburger die in Führung gingen. Nach einem Eigentor von Enrico Lanzi, ging die erste Hälfte überraschender Weise an den DDR-Club. Auch in der zweiten Hälfte waren es nicht die deutlich überlegenderen Italiener, sondern Wolfgang Seguin, der auf einmal zum Held des Tages wurde. Nach einem Traumdiagonalball von Axel Tyll, war es Seguin, der den Ball aus spitzen Winkel am Keeper vorbei ins Tor schoss. Ein Tor, welches für den 1.FC Magdeburg Geschichte schreiben sollte. Um 22.15 Uhr war das Wunder perfekt. Die Protagonisten von „De Kuip“, der Name des Stadions in Rotterdam, liefen in ihren weißen Bademänteln eine Ehrenrunde: Die Spieler blieben bis als letztes auf dem Platz und hielten den Pokal in die Luft.

Die Magdeburger schrieben an jenem 08. Mai Geschichte und haben etwas Einmaliges geschafft. Der 1.FC Magdeburg ist die einzige DDR-Klubmanschaft, die je einen Fußball-Europapokal gewinnen konnte.


Bundesarchiv, Bild 183-N0508-0300 / Mittelstädt, Rainer / CC-BY-SA




Aufrufe: 08.5.2014, 20:46 Uhr
Michael MederackeAutor