2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
– Foto: Juliane Höhne

"Verein gibt eine Richtung vor, bei uns nennt man das DNA"

Chris Potthoff ist seit vielen Jahren, bis auf einen kurzen Abstecher beim Wartenberger SV, die Lebensversicherung des TSV Lichtenberg. Mit dem Aufstieg im vergangenen Jahr hat er sich eigentlich in den Senioren-Bereich verabschiedet. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt...

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Chris Potthoff

Seit über vier Wochen ruht der Ball nun schon. Was fehlt dir mehr, das spielen oder das gucken?

Als Fußballer kann die Antwort nur lauten, spielen! Ich liebe diesen Sport und Woche für Woche auf dem Platz zu sein. Zuschauen und andere Ligen beobachten gehört bei mir natürlich auch dazu, ob Bundesliga oder Kreisliga spielt da keine Rolle. Mit Freunden im Stadion, auf den Sportplätzen von Berlin oder am Stammtisch ist jedes Spiel erträglich und gehört eben dazu.

Die Antwort hätte man sich denken können. Einen Blick auf die Statistiken zeigen, dass du in diesem Jahr für drei verschiedene Mannschaften gespielt hast. Kann man dich als Allzweckwaffe vom TSV Lichtenberg bezeichnen?

Allzweckwaffe klingt spannend, so würde ich es allerdings nicht beschreiben. In der letzten Saison habe ich mich im Winter dazu entschlossen, nach der Sommerpause in unsere neu gegründete AK 32 zugehen. Da sind viele alte Wegbegleiter und gute Freunde, mit denen ich beim TSV schon etliche und für uns sehr erfolgreiche Jahre gespielt habe. Leider ist es so, dass während der Saison von 15 Mannschaften, 8 Teams zurückgezogen haben, warum auch immer. Somit spielte man irgendwann nur noch alle vier Wochen im Schnitt, was natürlich nicht so prickelnd ist, wenn man jede Woche kicken will. Also ergab sich die Möglichkeit, zwischen den Spieltagen der 32er, für die Zweite und die Erste aufs Feld laufen zu dürfen. Das ist bei uns im Verein so üblich, wenn ein Team gerade Probleme hat, Verletzungen, Sperren etc. , dann hilft man gerne! Allzweckwaffe ist daher nicht der Begriff, den ich nutzen würde. Mitglied eines Familien-Vereins trifft es besser! Was ich dabei nicht vergessen darf, ist meine traumhafte Partnerin, die den ganzen Spaß mitmacht, so etwas ist auch nicht selbstverständlich!

Warum hast du dich so früh entschlossen, in die Senioren zu gehen. Die Leistungen der letzten Jahre können ja nicht der Grund gewesen sein?

Irgendwann wird man halt 32, haha. Es ist nicht so, dass ich mich nicht mehr fit genug fühle oder ich keinen Ehrgeiz mehr hätte, Erste spielen zu wollen. Ich spiele ca. 25 Jahre aktiv Fußball und das ohne größere, schlimmere Verletzungen, zum Glück. Klar, kann man sich auch bei der Seniorentruppe verletzen, allerdings wollte ich tatsächlich etwas ruhiger treten, was jetzt nicht unbedingt geklappt hat aber Priorität am Sonntag hieß für mich, erst Senioren. Dazu kommt eine Band, die ihres gleichen sucht! Ich will nicht zu viel verraten aber die Kabinenmelodie ist legendär! Ziel mit den Jungs ist es schnellstmöglich in die Verbandsliga zu kommen, da gehören wir hin.

Auch in den Senioren spielen noch einige gute Kicker. Ist es auch etwas Schönes, wenn man auf langjährige Wegbegleiter trifft, mit denen man sich schon über Jahre duelliert hat?

Definitiv spielen da einige, die gerne noch Landesliga und aufwärts ohne Probleme spielen könnten. Umso schöner, wenn wir dann auch mal das Vergnügen haben dürfen, gegen die Jungs anzutreten. Alte Wegbegleiter zu treffen ist immer etwas Schönes. Früher, als man noch jünger gewesen ist, hätte man dem Einen, oder Anderen nach dem Spiel ungern die Hand gegeben. Heute freue ich mich drauf, genau die zu treffen und nach dem Spiel gemeinsam ein kühles Getränk zu zischen und über jene Zeit zu plaudern!

Ist das auch für dich Faszination Amateurfußball?

Vollkommen richtig. Das ist mittlerweile für mich der ehrlichste Fußball, der im Amateurbereich gespielt wird. Was gibt es Besseres nach einem intensiven, hitzigen aber fairen Spiel abzuschlagen und danach noch ein kühles mit Leuten zu trinken, die man im alltäglichen Leben eventuell nie kennengelernt hätte?! Sowas ist sicher eher die Seltenheit geworden, trotzdem umso schöner, wenn es doch passiert. Das einzige, was mir negativ aufstößt in den letzten Jahren, sind Vereine, die Summen für das kicken in den unteren Ligen raushauen. Die meisten dieser Projekte zerstören sich meist von selbst und zerstören ein Vereinsbild, wenn es blöd läuft! Ich war immer ein Freund von „pay to play“!

Leider wegen der vielen Wechsel in den letzten Jahren auch das Mannschaftsgefüge und die Leistungen, weil teilweise 10-15 Spieler pro Transferperiode verpflichtet werden?

Mannschaftsgefüge muss entstehen, das braucht Zeit. Natürlich kannst du Glück haben und die "NEUEN" passen sofort ins Team. Der Verein gibt eine Richtung vor, bei uns nennt man das DNA. Umso schneller man die verinnerlicht, desto mehr wird man dem Mannschaftsgefüge guttun. Wenn du allerdings ein Haufen Individualisten holst, die ihren eigenen Plan haben, hast du eventuell gute Fußballer, ein Team ist das leider noch lange nicht.

Wieso hast du trotz dieser verinnerlichten DNA vor drei Jahren dein Glück kurzzeitig beim Wartenberger SV gesucht?

In dem Jahr bin ich leider abgestiegen mit dem TSV und wollte eigentlich eine Pause einlegen. Gleichzeitig bin ich 30 geworden und bekam in der Sommerpause Anfragen von Vereinen, darunter vom Wartenberger SV. Nach dem ersten Training war mir klar, hier werde ich es nochmal probieren. Es war eine rein sportliche Entscheidung, zum WSV zu gehen. Abgesehen davon habe ich dort ein klasse Jahr verbracht und wurde bestens aufgenommen. Marcus Graf, Nico Steffen, Marc Maghuna, sowie alle Funktionäre machen dort einen klasse Job. Ziel war Aufstieg in die Landesliga und dann mein letztes Herrenjahr in dieser zu bestreiten. Hat leider nicht sollen sein und somit bin ich wieder zurück.

Es schien auch persönlich zu laufen, mit 24 Treffern hattest du eine super Quote. Ein Verbleib war aber keine Option?

Wie schon erwähnt, beim Aufstieg wäre ich geblieben. Es hat an nichts gefehlt und die Kommunikation untereinander war im super. Ich bin im Guten dorthin und genau so auch wieder weg. So muss das sein und dafür bin ich dankbar. Sollten wir dieses Jahr nochmal aufeinandertreffen, schalte ich das Nettigkeit-Level aber runter für 90 Minuten.

Die Form aus dieser Saison hast du gleich mit nach Lichtenberg genommen, wo du den TSV zurück in die Bezirksliga schießen konntest. Was war das für eine Saison, was für ein Feeling?

Alleine habe ich das sicherlich nicht gemacht, umso schöner ist es nach einer Rückkehr, sofort da zu sein und helfen zu können. Krönend, aber ein wenig verzögert, ist es dann fantastisch den Wiederaufstieg geschafft zu haben. Wir haben es geschafft, nach vielen kleinen Rückschlägen, im Saisonendspurt uns immer wieder gegenseitig zu pushen und somit die wichtigen Punkte einzusammeln. Das hat sich das Team verdient. Man soll einem nie sagen können, man hätte es nicht bis zum Ende probiert und alles dafür gegeben, das wurde bewiesen in dieser Saison.

Aufrufe: 021.4.2020, 09:01 Uhr
Marcel PetersAutor