2024-04-25T14:35:39.956Z

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Kickte beim VfR Neumünster und Rendsburger TSV in der höchsten Landesspielklasse: Joachim Jeß.
Kickte beim VfR Neumünster und Rendsburger TSV in der höchsten Landesspielklasse: Joachim Jeß.

Joachim Jeß - Eiskugelrekorde und abgelehnte Angebote

Mit Gerhard Delling spielte der 57-Jährige in der Kreisauswahl

Joachim Jeß mit einer stattlichen Größe von 1,93 Meter war zu aktiver Zeit wahrlich nicht zu übersehen. Aber nicht allein wegen seiner Größe zählte der mittlerweile 57-Jährige zu den auffälligsten Spielern in der damaligen Fußball-Verbandsliga, der höchsten Spielklasse in Schleswig-Holstein. Dort schnürte er die Stiefel für den VfR Neumünster und den Rendsburger TSV. Begonnen hat der gelernte Schiffbauer und jetzt als Projektleiter Konstruktion bei der Rendsburger Werft Nobiskrug tätige Jeß seine Laufbahn im Alter von sieben Jahren bei TSV Vineta Audorf. Spielposition? Rechtsaußen – auch in der Kreisauswahl des KFV Rendsburg-Eckernförde unter Trainer Wolfgang Mahnkopf. Damaliger Mitspieler war auf Linksaußen der heutige ARD-Sportmoderator Gerhard Delling.

Mit 17 Jahren wechselte „Joko“ in die Seniorenmannschaft der Audorfer, die damals in der Bezirksliga kickte. Trainer bei Vineta war Rudi Alexander. Jeß schaffte auf Anhieb den Sprung aus der A-Jugend zum Stammspieler der Liga. In der damaligen Bezirksliga wurde er vom Rechtsaußen zum Mittelfeldspieler und zuletzt zum Libero „umfunktioniert“. Eine Position, die ihm auf Grund seiner Größe durchaus entgegen kam. Von Vineta Audorf wechselte er in der Saison 1981/82 zum Rendsburger TSV. Hier spielte auch sein um sieben Jahre jüngerer Bruder Gunnar in der Jugend des RTSV. Ihn hatte der „ältere Jeß“ als E-Jugendspieler bei Vineta Audorf trainiert. Die Jeß-Brüder spielten beim Rendsburger TSV gemeinsam in der damaligen Landesliga unter Trainer Gerhard Schröder.

Später trennten sich die Wege der Brüder. „Joko“ wechselte in der Saison 1988/89 zum damaligen Verbandsligisten VfR Neumünster, Gunnar schloß sich in der gleichen Saison dem seinerzeit starken VfB Kiel an. Beide zählten in ihren Vereinen zu den Leistungsträgern. Duplizität der Ereignisse – beide waren in ihren Teams jeweils Mannschaftsführer. In den Spielen gegeneinander schenkten sie sich nichts. Beide waren absolut erfolgshungrig. Für die „Veilchen“ entschied sich „Joko“ Jeß, dem auch ein Angebot des Büdelsdorfer TSV vorgelegen hatte, um in einer Spitzenmannschaft der Verbandsliga, der höchsten Landesspielklasse, aufzulaufen. Als 17-Jähriger lehnte er ein Angebot von Holstein Kiel ab. „Ich hatte da gerade eine Ausbildung bei der Nobis-Werft begonnen. Holstein bot mir gar einen Fahrdienst an“, erzählt Jeß. „Aber auch die Farbe Lila-Weiß gefiel mir gut“, meinte der in Rade/R. wohnhafte Ex-Libero schmunzelnd.

Beim VfR erlebte er seine beste Zeit. „Bei Spielen gegen den VfB Kiel und den VfB Lübeck waren ständig zwischen 2000 und 3000 Zuschauer auf den Rängen. Das war schon eine tolle Kulisse“, sind ihm die Spiele vor „voller Hütte“ noch immer in bester Erinnerung.

Große Kulissen gab es auch bei Freundschaftsspielen des RTSV gegen den Hamburger SV mit Trainer Ernst Happel. Damalige Gegenspieler waren die Nationalspieler Heinz Gründel und Wolfram Wuttke. Auch mit dem VfR Neumünster spielte Jeß gegen den HSV. Das Resultat seinerzeit – ein bemerkenswertes 3:3. Spiele gegen den FC St. Pauli mit Peter Knäbel und Jürgen Gronau sowie mit dem TSV Kropp gegen Werder Bremen rundeten die erlebnisreichen Spiele gegen Mannschaften aus dem bezahlten Fußball ab. Gegen Werder waren beispielsweise Rune Bratseth und Nationalspieler Marco Bodo seine Gegenspieler. Die Zeit beim VfR Neumünster beschreibt Jeß als „erfolgreich mit viel Spaß“.

Doch auch beim Rendsburger TSV fühlte er sich wohl, insbesondere als Stefan Paetsch, Olaf Lehmann, heute Trainer beim Verbandsligisten Osterrönfelder TSV, und Jan Philippsen sowie Bruder Gunnar 1985 aus der A-Jugend in das Liga-Team nachrückten. Mit den Youngstern schaffte er in der Saison 1986/87 unter Trainer Gerhard Schröder den Aufstieg von der Landesliga in die Verbandsliga. Beim VfR Neumünster, hier wurde er im Fachmagazin Nord Sport in die Mannschaft des Jahres gewählt, gab es auch schon etwas „zu verdienen“ – wie ein kleines Handgeld, Punktprämien und eine Beteiligung an den Zuschauereinnahmen. Dass aber war für Jeß nicht der Reiz am Fußball – er wollte einfach Spaß haben und dabei durchaus leistungsorientiert spielen. Nur „daddeln“ – das war ihm zu wenig. Dabei störte es auch nicht, dass er während seiner VfR-Zeit viel unterwegs war. Er wohnte in Rade/R und arbeitete in Kiel. Von dort ging es dann dreimal pro Woche zum Training nach Neumünster. Es sei zwar beschwerlich gewesen, aber eine Selbstverständlichkeit, so Jeß. Selbstverständlich war es auch, die Fußball-Laufbahn nicht abrupt zu beenden.

Die Laufbahn klang beim TSV Kropp aus. Als Spielertrainer schaffte der B-Lizenz-Inhaber in der Saison 1991/92 den Aufstieg von der Bezirksliga Nord in die Landesliga Nord. Spieler wie die Greve-Brüder, Bernd Relius, Frank Schulz und Thomas Düffert gehörten seinerzeit zu den Leistungsträgern. Co-Trainer war Klaus Hansen. Bei ihm war Jeß auch Trauzeuge. Zu ihm und „Hardy“ Schmidt (BTSV/VfR Neumünster) gibt es heute noch immer Kontakte. Auch mit Torwart Jens-Uwe Schnoor (Rendsburger TSV/Heider SV) hält Jeß noch heute Kontakt. Beide waren bei der Rendsburger Werft Nobiskrug 20 Jahre Kollegen und zeichneten für den Bau der Sailing Yacht A, der größten Segelyacht der Welt, mit verantwortlich.Bemerkenswert in der 17-jährigen Laufbahn des schussgewaltigen Liberos, dass er nur einmal einen Platzverweis hinnehmen musste. Das war bei einem Spiel mit dem RTSV gegen Eintracht Rendsburg. „Da habe ich den Ball einem am Boden liegenden Spieler dezent ins Gesicht gespielt“, erinnert sich Jeß.

In Erinnerung ist ihm auch der „Eiskugel-Rekord“ im Rahmen eines Trainingslagers mit dem VfR Neumünster in der Geltinger Bucht geblieben. „Den halte ich zusammen mit Torwart Wolfgang Bublitz. Wir beide schafften jeweils 15 Kugeln in einem Zeitraum von rund einer Stunde. Aber schlecht ist uns davon nicht geworden“, erzählt „Eis-Joko“. Eine weitere Anekdote ist ihm von mehrfachen Landesauswahlspieler Joachim Voß (RTSV) geblieben. Als Ersatz für ein persönliches Aufwärmprogramm legte er im Winter immer seine Schuhe auf die Heizung. Im Jahre 1994 endete dann die Laufbahn. Einen besseren Zeitpunkt konnte Jeß sich dabei gar nicht aussuchen, schließlich hatte er gleich in seinem ersten Trainerjahr den TSV Kropp in die Landesliga Nord geführt. Doch ohnehin hätte er dem Fußall ade sagen müssen. Beruflich verschlug es ihn ab 1994 bis 1996 nach Norwegen und San Diego (USA).

Fußball heute - das interessiert ihn kaum. Nur hin und wieder besucht er die Spiele von Vineta Audorf. Ausflüge mit Ehefrau Heike, Fahrten mit seiner Harley Davidson und Spaziergänge mit Hund „Hannes“, einem Labrador, beschäftigen ihn mehr. Mit der Gesundheit ist es nicht zum Besten gestellt. Seit 2009 leidet er an schweren Herzrhythmusstörungen. Da steht im Juni die vierte Operation an. Eine Spätfolge des Leistungssports haben ihm die Ärzte attestiert. Er hofft nun, dass die Ärzte die Beschwerden in den Griff bekommen.
Aufrufe: 022.6.2017, 10:30 Uhr
SHZ / Rüdiger MüllerAutor