2024-05-02T16:12:49.858Z

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0:2 zeigt die Anzeigetafel an, noch ehe die Partie beginnt. Später stimmt das Ergebnis für ein paar Minuten.F: Weigert
0:2 zeigt die Anzeigetafel an, noch ehe die Partie beginnt. Später stimmt das Ergebnis für ein paar Minuten.F: Weigert

0:2 schon vor dem Anpfiff

Alltag in der A-Klasse 7 - Teil 3: Der VfL Nürnberg hat eine erste und eine zweite Fußballmannschaft, beide spielen in der A-Klasse. Eine spielt vorne mit, die andere läuft meist hinterher. Wie konnte es nur so weit kommen?

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Gut, sie war ja nie weg, die A-Klasse. Wir haben sie hier nur versteckt, eine Saison lang. Jetzt sind wir wieder dort, auf holprigen Wiesen, bei den Jungs mit den schweren Knochen, bei denen, die lieber nächtelang feiern gingen als ins Fußballinternat. Eine wöchentliche Liebeserklärung an die ehrlichste Fußball-Liga Nürnbergs.

Der erste Eindruck ist trist. A-Klassen-Spieler, die auf A-Klassen-Spieler starren, Nieselregen und eine Anzeigetafel, die schon beim Anpfiff ein 2:0 für den Gegner verkündet. "Hat sich keiner drum gekümmert", sagt die Frau, die an der Sportanlage des VfL Nürnberg das Kassenhäuschen bewacht. Eine schöne Anlage haben sie da an der Salzbrunner Straße, der Rasen auf dem A-Platz ist ein Teppich, drei Beachvolleyballfelder, weiter hinten noch ein Kunstrasenplatz. Es ist das die Umgebung für einen Verein, wo sie den Alltag in der A-Klasse leben - in all seinen Konsequenzen.

Zwei Mannschaften haben sie in dieser Spielklasse ganz unten: Die erste Mannschaft in der A-Klasse 8, die zweite Mannschaft in der A-Klasse 7. An Heimspieltagen wie diesem spielt erst die zweite um 13 Uhr. Die erste Mannschaft steht dann am Rand und wartet auf ihr Spiel, das um 15 Uhr beginnt. Willi Windirsch wird beide Partien sehen. Windirsch ist der Abteilungsleiter beim VfL, glücklich ist er nicht mit diesem doppelten Leben in der A-Klasse. Dass das nicht lange so bleibt, sagt Windirsch, darum will er sich jetzt kümmern - in etwa zur selben Zeit hat ein anderer die gleiche Idee mit Blick auf die Anzeigetafel. Da steht es jetzt gegen den TSV Zirndorf wieder 0:0, es wird nicht lange dabei bleiben, ein paar Minuten später fällt das 0:1, kurz darauf das 0:2 und einer der Spieler aus der zweiten Mannschaft gibt auf dem Platz die neue Marschroute vor: "Grätscht sie um, haut sie um, scheißegal." Irgendetwas tun, so ähnlich hört sich das auch bei Windirsch an. Er leitet ja eine funktionierende Abteilung, alle Jugendmannschaften sind besetzt, für die erste und zweite Mannschaft finden sich auch genügend Spieler - aber erfolgreich sind sie nicht.

Die Sache mit den Pässen

Dabei waren sie vor ein paar Jahren sogar in der Kreisliga angekommen. In der Folge haben sie ein paar Fehler gemacht, hatten Pech, es fehlte ein A-Jugend-Jahrgang, weshalb niemand als Verstärkung nachkam. Bald waren sie wieder in der Kreisklasse. Aus der sind sie in diesem Sommer abgestiegen. Es gab einigen Ärger, weil Windirsch Flüchtlinge hat mitspielen lassen. Der Verband begrüßt solche Initiativen eigentlich, man mag es beim Verband aber nicht, wenn man sich dabei nicht an gewisse Regeln hält: Spielerpässe müssen natürlich auch dann vorliegen, wenn Flüchtlingen in einem Freundschaftsspiel eine kleine Freude bereitet werden soll. Windirsch aber hatte die Pässe nur beantragt, da waren sie noch nicht.

Windirsch findet, dass man die Bürokratie auch übertreiben kann. Der Verband denkt anders - und hat ihnen drei Punkte abgezogen. "Das ist ein Grund für den Abstieg aus der Kreisklasse", sagt Windirsch. Am Ende waren es zwar ein paar Punkte mehr, die ihnen gefehlt haben, aber dieser Punktabzug, sagt Windirsch, hat sich in die Köpfe geschlichen: Plötzlich ging nichts mehr.

Jetzt wollen sie wieder hoch. "Der Aufstieg ist eigentlich ein Muss", sagt Windirsch. Er meint die erste Mannschaft. Klar kommuniziert habe man, sagt Windirsch, wer erste Mannschaft ist und wer zweite. Ganz egal, dass sie beide nur in der A-Klasse spielen. Am Ende wäre es ihm zwar egal, welche Mannschaft aufsteigt, aber wenn man sich diese zweite Mannschaft so ansieht, dann ahnt man, dass es besser ist, wenn sie all ihre Hoffnungen auf die erste projizieren. Umgrätschen, umhauen - nichts funktioniert an diesem Sonntagmittag. Ob es nicht auch ein paar gibt, die unzufrieden sind, weil sie nur in der zweiten spielen dürfen? "Natürlich gibt es ein paar, die höhere Ambitionen haben, aber am Ende entscheidet die Leistung", sagt Windirsch.

Immerhin: Die Erste gewinnt 3:2

Unter diesem Gesichtspunkt fehlen ihnen in der Zweiten schlicht die Argumente: Zwei Spiele, zwei Niederlagen - das war ihre Bilanz vor diesem Heimspiel, die Erste gewinnt immerhin ab und an ein Spiel. Dass nun die dritte Niederlage hinzukommt, ist nach einer halben Stunde klar. Engagiert sind sie, aber umhauen klappt nur untereinander: Torwart und Innenverteidiger rennen sich nach einem Abstoß beinahe gegenseitig über den Haufen. Immerhin: Einen Spielerpass haben sie jetzt alle. Windirsch lächelt, dann schaut er noch die erste Hälfte seiner 180 Minuten A-Klassen-Fußball an diesem Nachmittag zu Ende. Beim Schlusspfiff steht es 1:10.

Aufrufe: 07.9.2016, 13:39 Uhr
Fadi Keblawi (NN)Autor