2024-05-08T14:46:11.570Z

Allgemeines
– Foto: Peter Gürtler

BVB-Stadiondeckel statt Gelber Karte

Unsere Schiedsrichter, Teil 23: Steffen Nerlich vom VfL Kloster Oesede

Steffen Nerlich dürfte nach nun 23 Folgen unserer Schiedsrichter-Serie als kreativster Unparteiischer gelten. Der 35-Jährige erzählt im Interview, wie sich seine Frau beschäftigt, wenn sie ihn zum Spiel begleitet und warum einem als Schiedsrichter neben einer Pfeife am Schlüsselbund auch der BVB-Stadiondeckel und die Media-Markt-Clubkarte weiterhelfen können.

Wie bist Du Schiedsrichter geworden?

Als Schüler habe ich mir nahezu wöchentlich Amateur-Fußballspiele auf verschiedenen Sportplätzen angeschaut. Die jeweils zu zahlenden 2 Euro Eintritt taten meinem Taschengeldkonto alles andere als gut. Jemand aus meinem damaligen Verein sagte mir, dass ich als Schiedsrichter freien Eintritt bei Fußballspielen erhalte. Sparfuchs wie ich war, habe ich mich daraufhin für einen Zwei-Tages-Lehrgang angemeldet.

Was war das beste und größte Spiel, das Du bisher gepfiffen hast?

Vor über 10 Jahren hat mich meine damalige Freundin ( heute Frau ) in der kalten Jahreszeit zu einer meiner Ansetzungen begleitet. Sie war von meiner Art der Spielleitung offensichtlich so fasziniert, dass sie sich wenige Minuten nach Anpfiff ins Auto setzte, den Motor startete, die Heizung einschaltete und die restliche Zeit des Spiels in ihrem vorsorglich mitgebrachten Buch las.

Wie sieht für dich als Schiedsrichter das perfekte Spiel aus?

Bei nahezu 200 Entscheidungen, die während eines 90-minütigen Spieles durch einen Schiedsrichter zu treffen sind, kann es meiner Meinung nach ein perfektes Spiel für Schiedsrichter in keiner Spielklasse geben.

Da ich in 17 Jahren als Schiedsrichter leider auch wiederholt Opfer von körperlicher als auch verbaler Gewalt wurde, sind „perfekte“ Spiele für mich mittlerweile diejenigen, bei denen respektvoll miteinander umgegangen wird und ausreichend positive Emotionen auf und neben dem Feld verbreitet werden.

Was war das lustigste/kurioseste Ereignis, das Dir als Schiedsrichter passiert ist?

Bei einem Kreisliga-Spiel in Melle habe ich die Fahnen für meine zwei Assistenten zu Hause vergessen, sodass ich den beiden jeweils ein Trainingsleibchen in die Hand gedrückt habe, mit denen sie dann „Fahnenzeichen“ geben konnten.

Bei einem Kreisklasse-Spiel in Hagen stand ich als Zuschauer bereits einige Minuten vor Anpfiff am Spielfeldrand. Da der angesetzte Schiedsrichter nicht erschien, wurde ich gefragt, ob ich das Spiel übernehmen könnte. Da eine Pfeife am Schlüsselbund zur Grundausstattung eines Schiedsrichters gehört, stattete mich der Gastverein noch mit einem Zettel und einem Stift aus und ich konnte umgehend anpfeifen.

Während des Spiels zückte ich dann einige Male verwarnend den BVB-Stadiondeckel aus meiner Jackentasche. Die Media-Markt-Club-Card, welche ich ebenfalls aus meinem Portemonnaie kramte und als Rote Karte vorgesehen hatte, musste an diesem Abend nicht zum Einsatz kommen.

Was sind die drei besten Gründe für Dich, Schiedsrichter zu sein/zu werden?

  • Aus Schülersicht : eine lukrative Ergänzung zum Taschengeld
  • Ein sportliches Hobby an der frischen Luft, welches Selbstbewusstsein und Konfliktfähigkeit stärkt
  • Der Kontakt mit vielen verschiedenen Persönlichkeiten, denen allen der Fußballsport am Herzen liegt

Worauf freust Du dich am meisten, wenn es endlich wieder losgeht?

Auf hauptsächlich freundschaftliche Begegnungen.

Einmal Meckern ist ok: Was nervt dich als Schiedsrichter auf oder neben dem Platz?

Leider genau diese Annahme. Denn ähnlich wie erstmalig verübte Fouls, entscheidet die Qualität des Meckern. Meiner Meinung nach müssen Schiedsrichter in allen Sportarten gleichsam respektiert und geschützt werden. Dazu gehört kein körperlicher Kontakt und kein Reklamieren.

Viele Sportarten bieten hier seit Jahren positive Vorbilder und sollten auch für den Fußball gelten. Es sind oft die Summe an vermeintlich kleinen „Gefühlsausbrüche“, denen es auch zu verdanken ist, dass vor allem viele Jung-Schiedsrichter ihr Hobby aufgeben.

Auch ohne den Umstand, dass Spieler oder Team-Offizielle ihren angestauten Frust am Schiedsrichter auslassen, würde ein Fußballspiel noch mehr als genug Emotionen bieten.

Wer ist dein persönliches Vorbild als Schiedsrichter?

Ein Vorbild hatte ich nie und habe ich auch heute nicht.
Aufrufe: 018.2.2021, 09:18 Uhr
Lennart AlbersAutor