2024-05-02T16:12:49.858Z

Im Nachfassen
Gemeinsam mit oder gegen einen ehemaligen Fußball-Nationalspieler kicken, das kann man in der Bezirksliga Nahe, wo der 39-jährige Marco Reich noch immer seiner großen Leidenschaft nachgeht - bei der SG Schmittweiler. F: Wurdel
Gemeinsam mit oder gegen einen ehemaligen Fußball-Nationalspieler kicken, das kann man in der Bezirksliga Nahe, wo der 39-jährige Marco Reich noch immer seiner großen Leidenschaft nachgeht - bei der SG Schmittweiler. F: Wurdel

Zurück zu den Wurzeln

Wie die ehemaligen Fußball-Nationalspieler Marco Reich und Markus Kreuz ihr Leben nach dem Profi-Fußball gestalten +++ Mittlerweile kicken die Stars von einst wieder bei ihren Heimatvereinen

Markus Kreuz erinnert sich noch gut. Damals, Anfang der Achtzigerjahre, musste er nur schnell über die Straße. Gegenüber vom Haus seiner Eltern lag der Sportplatz in Frei-Weinheim. Damals, als eine Kugel Eis 30 Pfennige kostete und der Hamburger SV die Deutsche Meisterschaft anpeilte. „Damals bekam man im Sommer wegen des Staubes kaum Luft auf dem Platz, und im Winter kam man total verdreckt nach Hause“, hat der heute 40-Jährige Bilder im Kopf aus einer Zeit, in der Fußballschuhe ausschließlich schwarz-weiß waren.

Während sein Vater damals, Anfang der Achtziger, bei Wind und Wetter am Spielfeldrand in Frei-Weinheim stand, sitzt Markus Kreuz heute im schmucken Klubheim neben dem satten Grün des modernen VfL-Platzes. Zwischen Hartplatz-Erinnerungen und Kunstrasen-Gegenwart liegen mehr als drei Jahrzehnte. Der HSV spielt gegen den Abstieg, eine Kugel Eis kostet einen Euro. Markus Kreuz ist um viele Bundesliga-Spiele, Auftritte im Nationaltrikot und Jahre im Ausland reicher. Doch zurück ist er, wo alles begann. Im Herbst ihrer Karriere zieht es die Profis von einst eben gerne zurück in die Provinz.


Markus Kreuz im Trikot von Rot-Weiß Erfurt (rechts, im DFB-Pokal gegen Eintracht Frankfurt).

Viele Freunde und Trainer mit Werten

Ortswechsel. Rund 50 Kilometer entfernt von Frei-Weinheim liegt der Sportplatz in Schmittweiler. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dort Marco Reich zu treffen. Der Ex-Nationalspieler ist am Glan großgeworden und kann ebenfalls ein Liedchen singen zum Thema Hartplatz. „Als Bub haben wir mit unserer Spielgemeinschaft in Odenbach gekickt. Der Spielfeldrand war grün vor Unkraut, die Mitte könnte man als Hartplatz bezeichnen.“ Auch wenn die Verhältnisse heute andere, komfortablere, sind: „Ich war mit vielen Freunden unterwegs, hatte Trainer, die Werte vermittelt haben. Es war eine tolle Zeit“, sagt der 39-Jährige ein bisschen wehmütig.

»Überall habe ich tolle Erfahrungen gesammelt, Freunde gewonnen.« Marco Reich über seine Jahre in der Bundesliga, in Österreich und in der Nationalmannschaft

Der tollen Zeit im Jugendbereich folgten fast zwei Jahrzehnte als Profi. „Ich war in den ersten Auswahlmannschaften einer der Wenigen, die nicht lange schon in einem großen Verein gespielt haben“, erinnert sich Reich. Die großen Vereinsnamen sollten noch kommen. Allen voran der FCK, Reichs Herzensangelegenheit. Aber auch Werder Bremen, 1. FC Köln sowie Stationen in England, Polen, Österreich. Und natürlich Auftritte im Nationaltrikot. „Überall habe ich tolle Erfahrungen gesammelt, Freunde gewonnen.“ Auch deshalb möchte Reich diese Zeit nicht missen. Fußball war, ist und bleibt Hauptbestandteil seines Lebens. Deshalb trifft man Reich auch heute nahezu täglich auf dem Sportplatz ­– als Trainer von B- oder E-Junioren der JSG Meisenheim, als Spieler der SG Schmittweiler in der Bezirksliga Nahe oder auf Torejagd in einer der zahlreichen Traditionsmannschaften.

Gemeinsame Jahre in der Alpenrepublik

Markus Kreuz hat mit der Zeit registriert: Auch Fußballer werden älter. „So mit 35 fiel mir das Training immer schwerer.“ Er schmunzelt: „Ich habe gemerkt, es geht langsam zu Ende.“ Der frühere Profi von Mainz 05 war bei seiner letzten großen Station in Österreich aktiv, bekam in seinem damaligen Verein keinen neuen Vertrag mehr, „und das war ein Signal, dass die Profizeit vorbei ist“. Zwar gab es Anfragen aus der Zweiten Liga, doch Kreuz wollte nicht „durch die Lande tingeln“, jede Saison in einem anderen Trikot. Also, zurück nach Deutschland.

Wie Kreuz trug auch Marco Reich in seiner besten Zeit das Nationaltrikot (oben, 1999 zwischen Teamchef Erich Ribbeck und Lothar Matthäus).
Wie Kreuz trug auch Marco Reich in seiner besten Zeit das Nationaltrikot (oben, 1999 zwischen Teamchef Erich Ribbeck und Lothar Matthäus).
Wie Kreuz trug auch Marco Reich in seiner besten Zeit das Nationaltrikot (oben, 1999 zwischen Teamchef Erich Ribbeck und Lothar Matthäus).

Auch seinen Kollegen Marco Reich hatte Kreuz damals in die Alpenrepublik gelotst. Die beiden Deutschen stiegen mit WC Andrä aus der Regionalliga in die Zweite Liga auf, hatten zwei gemeinsame, erfolgreiche Jahre. Das Angebot, Kärntens Jugendzentrum zu übernehmen, schlug Reich nach seiner Aktivenzeit aus. „Auch auf internationaler Bühne nimmt man viel mit“, sagt der schnelle Außenbahnspieler, der im Februar 1999 vom damaligen Bundestrainer Erich Ribbeck in die Nationalmannschaft berufen worden war. Apropos international, da war doch noch was auf der Insel? Reichs Pokalauftritt mit Crystal Palace gegen den damaligen Champions-League-Sieger FC Liverpool. „Da habe ich das Siegtor geschossen, das bleibt unvergessen.“

Fußball ist für Reich heute nicht mehr Beruf, sondern Hobby. „Meine Ausbildung und der elterliche Betrieb sind inzwischen wichtiger, auch wenn ich mich körperlich immer noch fit fühle.“ Auch deshalb ist er regelmäßig mit Weggefährten von einst auf und neben den Plätzen unterwegs. Ein Leben ohne Fußball? Für Marco Reich undenkbar.

Der Schritt zurück als logische Konsequenz

Dem Frei-Weinheimer Markus Kreuz stellte sich nach der internationalen Laufbahn die Frage: Noch etwas vor der Haustür kicken, verbunden mit einer beruflichen Perspektive? „Ich rief meinen früheren Jugendtrainer Bert Balte an, und so landete ich bei Schott Mainz.“ Es folgten zwei Jahre Verbandsliga, ein halbes Jahr Oberliga. „Dann war ich 38“, sagt Kreuz. Dreimal die Woche Training jeden Samstag in Elversberg oder Saarbrücken unterwegs. „Selbst das wurde mir zuviel.“

Also war der nächste Schritt zurück logische Konsequenz, auch im Hinblick auf die Familie. Nach einem Gespräch mit Frei-Weinheims Trainer David Klose im Winter 2014 war klar: Markus Kreuz ist zurück zu den Wurzeln. Nicht als Trainer – Kreuz hat immerhin den A-Schein –, sondern immer noch als Spieler.

Eine Trainer-Laufbahn im höheren Amateurbereich hält er für unrealistisch: „Dafür bin ich schon sehr spät dran.“ Für Trainer gilt wie für Spieler: „In einer richtig großen Laufbahn musst du ganz früh anfangen. Aber so ein Bezirksligist würde mich schon mal reizen.“

Als Spieler ist für Kreuz definitiv nach dieser Runde Schluss. Das Thema Profifußball hat er abgehakt. Kontakte zu alten Weggefährten bestehen fast nicht mehr. Nur bei Trainerkongressen trifft man sich. Etwa mit Dieter Hecking, mit dem Kreuz in Hannover zusammen gespielt hat, oder Otto Addo. Das war’s schon.

Gerede über Fußball interessiert nicht jeden

Marco Reich dagegen sagt: „Fußball macht mir Riesenfreude, gibt mir gerade in der Jugendarbeit sehr viel. Warum soll ich das lassen? Auch die FCK-Spiele sind im Fernsehen Pflichtprogramm.“

Markus Kreuz dagegen hat Abstand gewonnen. „Den Profi-Fußball verfolge ich schon lange nicht mehr“, sagt er. „Ich schaue mir ganz wenig Spiele an. Es interessiert mich nicht mehr.“ Sky-Abo? Fehlanzeige! Der ehemalige Berufsspieler mag dieses ganze Gerede über Fußball nicht. „Ich bin völlig raus.“ Wer Familie hat und mit 35 Jahren noch einmal Vater wird, hat auch besseres zu tun. Zudem eröffnen seine Frau und er bald einen gastronomischen Betrieb im Ingelheimer Zentrum. Indes: Manchmal fehlt ihm die Kameradschaft, das Lachen in der Kabine. Es gibt sie doch, die Fußball-Romantik. Kreuz sagt: „Heute ist das Geschäft härter als zu meiner Zeit.“ Damals, in den Achtzigern.

Aufrufe: 024.10.2017, 18:00 Uhr
Mario LugeAutor