2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Fabian Kreissl, Kapitän des SC Baldham-Vaterstetten, wünscht sich den Start der Saison 2020/21 im September. SRO Ebersberg
Fabian Kreissl, Kapitän des SC Baldham-Vaterstetten, wünscht sich den Start der Saison 2020/21 im September. SRO Ebersberg

Fabian Kreissl: "Söldnertum im Amateurbereich hat zugenommen"

Bezirksliga Ost: Fabian Kreissl (SC Baldham-Vaterstetten), Michael Steppan (TSV Ebersberg) und Mathias Hirt (VfB Forstinning) im Interview

Die Kapitäne der Bezirksliga Ost-Teams aus dem Landkreis sprechen über Transfers im Amateurbereich, den geplanten Ligapokal und die Konsequenzen aus der Coronapause.

Landkreis – Im zweiten Teil unseres „Kapitänsgipfels“ in der Bezirksliga Ost beziehen Fabian Kreissl (25, seit Kindheitstagen beim SC Baldham-Vaterstetten), Michael Steppan (28, seit 2016 beim TSV Ebersberg) und Mathias Hirt (29, seit der B-Jugend beim VfB Forstinning) Stellung zu Sommertransfers, „Söldnertum“, Ligapokal und potenzielle Corona-Folgen für den Amateurfußball.

Bei den Modalitäten der anstehenden Wechselperiode im Sommer ging es vorrangig um den „Schutz der Vereine“ vor nicht einvernehmlichen Spielerabgängen. Hat sich das Image der Amateure aus Ihrer Sicht verschlechtert, oder hat das Söldnertum zugenommen?

Kreissl: Ich kann die Situation nur über die letzten Jahre beurteilen, die ich selbst im Herrenbereich mitbekommen habe. Und ich bin der Meinung, dass leider schon im Amateurbereich oft das Geld die wichtigste Rolle spielt und somit das „Söldnertum“ verstärkt. Gerade die hohen Fixbeträge, die teilweise bezahlt werden, tragen in hohem Maße dazu bei. Ich selbst und auch andere Teamkollegen hatten schon Angebote, über die ich teilweise, ich sag’s mal freundlich, überrascht war. Dies schadet dem Teamgedanken und haben auch wir bei uns in der Mannschaft schon zu spüren bekommen. Denn ein hohes Fixum verleitet schnell dazu, die falsche Einstellung an den Tag zu legen, nach dem Motto: „Ich kriege meine Kohle ja sowieso und wenn’s woanders mehr gibt, geh‘ ich halt da hin“. Klar sollte der Aufwand, der betrieben wird, auch entsprechend entlohnt werden, und ich habe vor allem für Spieler im Ausbildungs- oder Studienalter Verständnis, dass ein besser zahlender Verein möglicherweise interessanter ist. Jedoch zerstört dies in gewisser Weise den Anreiz des Amateursports. Mir imponieren deshalb Vereine wie SG Reichertsheim. Da hat man das Gefühl, die spielen einfach, weil sie Bock darauf haben.

Steppan: Ich habe im Laufe meiner Karriere solche und solche Spieler kennengelernt. Trotzdem spüre ich gerade auch hier in Ebersberg (aber auch bei meinen Stationen in Heimstetten oder Markt Schwaben) überwiegend eine große Verbundenheit zwischen Spielern und Verein, was ich großartig finde. Sicher hat das „Söldnertum“ zugenommen, allerdings hat es den Amateurfußball in der Breite noch nicht im Griff. Beim TSV Ebersberg weiß ich, dass die Jungs sich mit dem Verein identifizieren und wir ein TEAM sind. Daher bin ich überzeugt, dass wir bis auf wenige Ausnahmen keine Abgänge im Sommer verkraften müssen.

Hirt: Das finde ich an sich eine gute Regelung, aber wenn ein Spieler offensichtlich demotiviert ist und nicht hinter dem Verein steht, kann er den Verein gerne verlassen. Am Ende kann ein Spieler nicht aufgehalten werden. Ich kann das mit dem „Söldnertum“ schlecht beurteilen, weil ich das bei uns nicht mitbekomme. Ich sehe bei uns im Team keinen „Söldner“ und wenn, dann würde sich das bestimmt von allein regeln.

Wäre der in den Bezirksligen geplante Ligapokal mit Vor-, Zwischen- und Finalrunde sowie der zusätzlichen Möglichkeit für Aufstieg und Klassenerhalt für Sie ein adäquater Alternativwettkampf bis zum Beginn der Saison 2021/22?

Kreissl: Dieses neue Format wäre sicherlich eine interessantere Lösung, als das erste Halbjahr 2021 möglicherweise mit Freundschaftsspielen zu verbringen. Allerdings wäre mir ein Start der Saison 20/21 im September lieber.

Steppan: Natürlich ist das keineswegs vergleichbar mit einer regulären Saison. Zudem hat das Pokalprinzip zur Folge, dass ein, zwei schwache Spiele das frühzeitige Aus und somit den Verlust des „Punktspielcharakters“ bedeuten. Nach der jetzigen langen Pause ist genau das nicht wünschenswert. Für bereits feststehende Aufsteiger, die durch einen Sieg des Ligapokals keine weiteren Vorteile hätten, würde dies sogar ein halbes Jahr an bedeutungslosen Spielen bedeuten, ehe die Saison 2021/22 startet. So ganz kann ich nicht nachvollziehen, warum man nicht eine verkürzte Saison 2020/21 anbietet, wenn man schon die aktuelle Saison unbedingt regulär beenden möchte. Zeitlich könnte dies meiner Meinung nach umgesetzt werden. Besser als erneut auf ein halbes Jahr an Spielen unter Wettkampfbedingungen zu verzichten, ist es dennoch. Trotzdem werden wir eifersüchtig auf die übrigen Landesverbände Deutschlands blicken, die einen anderen Weg gehen – gerade die Teams, für die der Ligapokal schnell erledigt ist oder keinen Anreiz bietet.

Hirt: Besser als Nichts ist es zumindest, ja.

"Nicht, dass es am Ende heißt, der Amateurfußball hat uns Corona zurückgebracht."

Welche Voraussetzungen müssten gegeben sein, dass Sie als Spieler wieder bedenkenlos in den „normalen“ Trainings- und Spielbetrieb einsteigen?

Kreissl: Es sollte gewährleistet sein, dass die Ansteckungsgefahr nicht höher ist als in anderen Lebenslagen. Nicht, dass es am Ende heißt, der Amateurfußball hat uns Corona zurückgebracht. Ich glaube, auch die Arbeitgeber fänden das nicht so lustig, wenn möglicherweise ganze Mannschaften aufgrund von Coronafällen in Quarantäne müssten.

Steppan: Eine schwierige Frage. Ich persönlich würde den normalen Trainingsbetrieb fortsetzen wollen, sobald das gesetzlich wieder erlaubt ist. Dennoch hätte ich für jeden Verständnis, der sich keinem Risiko aussetzen möchte – aus welchen Gründen auch immer.

Hirt: Mir geht es persönlich nicht um die Voraussetzungen, sondern um die Vorschriften. Wenn wieder ein normales Training mit Körperkontakt und Spiel zugelassen ist, dann würde ich einsteigen bzw. das Training als sinnvoll ansehen.

Worüber haben Sie sich in puncto Amateurfußball seit der Zwangspause am meisten geärgert und gefreut?

Kreissl: Ich habe mich vor allem anfangs kaum mit Fußball beschäftigt. Es war alles so ungewiss, niemand konnte sagen, wie es im Alltag weitergeht, und da kam Fußball für mich nicht an erster Stelle. Ich habe es sogar teilweise genossen, dass Corona die Hektik des Alltags etwas entschleunigt hat und nicht dreimal die Woche Trainings anstanden. Die Zeit ist jetzt aber vorbei und ich glaube, alle brennen darauf, wieder kicken zu können.

Steppan: Am meisten ärgert mich einfach die Tatsache, dass wir auf das verzichten müssen, was wir am liebsten tun. Mir fehlt der sportliche Wettkampf sehr, sowohl als Ausgleich zum beruflichen Alltag als auch zum Spaß an der Freude und dem Zusammenkommen mit den Jungs und den Fans. Gefreut habe ich mich in puncto Amateurfußball leider an gar nichts. Aber das ändert sich hoffentlich bald wieder!

Hirt: Der Fußball ist immer noch mein Hobby und somit gibt es nicht viel, worüber ich mich ärgern muss. Was natürlich schon ärgerlich war: dass die Gastronomie in dieser Zwangspause geschlossen hatte – Scherz. Erfreulich war/ist, dass ich ganz viel Zeit für andere Dinge hatte/habe.

Welche Konsequenzen für den Amateurfußball erwarten Sie nach Corona?

Kreissl: Das hängt sicherlich noch ein wenig von den finalen Vorgaben des Verbandes beim Re-Start ab. Ich glaube jedoch, dass für uns Spieler die Konsequenzen erst mal nicht so groß sind. Spiele mit wenigen Zuschauern sind wir in Baldham-Vaterstetten ja eh gewohnt. Aber es wird sicher das eine oder andere geben, was auch für uns neu ist. Wünschen würde ich mir, unabhängig von Corona, dass dem Geld weniger Wert beigemessen wird und die hohen Fixzahlungen möglicherweise überdacht werden. Höhere erfolgs- und aufwandsabhängige Zahlungen könnten dies ausgleichen und würden den Teamgedanken fördern, die Einstellung verbessern und den Anreiz des Amateurfußballs wieder erhöhen.

Steppan: Ich hoffe, dass nach dem Re-Start die Vorfreude nicht nur bei den Spielern, sondern auch bei den Fans so groß ist, dass sie zahlreich erscheinen – natürlich unter Einhaltung entsprechender Abstandsregeln, was in den weitläufigen Amateurstadien selten ein großes Problem darstellen dürfte. Auch erhoffe ich mir, dass keine Vereine aufgrund finanzieller Schwierigkeiten zusammenbrechen. Hier erhoffe ich mir, wenn nötig auch Unterstützung seitens des BFV und der Politik sowie der entsprechenden Gemeinden. Ich befürchte allerdings, dass sich einige der „Stammgäste an der Seitenlinie“ mit Alternativprogrammen an den Wochenenden angefreundet haben. Gerade bei Teams, die in der aktuellen Saison nichts mehr zu verlieren oder gewinnen haben. Mit dem Ausfall der Folgesaison wird sich dies negativ auf die Zuschauerzahlen und die Begeisterung für den Amateurfußball auswirken. Ich glaube, dem Amateurfußball steht keine leichte Zeit bevor, bin aber überzeugt, dass diese Krise überstanden wird und wir bald zur Normalität zurückkehren.

Hirt: Ich hoffe, dass alle Spieler beim Wiederbeginn ihr Hobby und den sozialen Kontakt noch mehr schätzen und glücklich darüber sind, mit anderen zusammen den Sport ausleben zu können. Ich befürchte, dass der eine oder andere durch die Regelungen seine Schuhe an den Nagel hängen wird. Demzufolge erwarte ich eine baldige und vernünftige Entscheidung über den weiteren Verlauf.

Text. Julian Betzl

Aufrufe: 023.6.2020, 11:08 Uhr
Ebersberger Zeitung / Julian BetzlAutor