2024-05-10T08:19:16.237Z

FuPa Portrait
Stabilisation ist wichtig: Vidoje Matic wird von Physiotherapeutin Vera Munko bei seinen Reha-Maßnahmen begleitet. Mindestens fünf Mal pro Woche ist er im ZAR Bethel und arbeitet am Comeback.
Stabilisation ist wichtig: Vidoje Matic wird von Physiotherapeutin Vera Munko bei seinen Reha-Maßnahmen begleitet. Mindestens fünf Mal pro Woche ist er im ZAR Bethel und arbeitet am Comeback. – Foto: Andreas Zobe

Vidoje Matic: Der Kampf zurück ins Leben

Der 24-Jährige hatte bei einem schweren Unfall großes Glück. Lähmungen waren möglich. Jetzt arbeitet der leidenschaftliche Futsaler an seinem Comeback. Dabei hat er feste Ziele.

Die Tür des Bistros fliegt auf, der junge Mann, stylisch gekleidet, das Smartphone in der Hand, eilt herein. „Sorry, dass ich zu spät bin, aber hast du das Spiel gesehen? Es steht 1:1“, ruft Vidoje Matic. Er meint das Halbzeitergebnis der deutschen Futsal-Nationalmannschaft im Spiel gegen Georgien. Dass der 24-Jährige so fröhlich und agil sein kann, grenzt an ein Wunder.

Denn seit dem 24. September 2019 ist das Leben von Matic komplett auf den Kopf gestellt. Neben dem 27. Januar hat er nun „einen zweiten Geburtstag“, wie er selbst sagt. Im September hing sein Leben an einem seidenen Faden.

An jenem Dienstag kam es zu einem schweren Unfall zweier LKW auf der Autobahn 2 bei Gütersloh. Wie die Ermittlungen bislang ergaben, stand ein LKW gegen 8.20 Uhr mit einer Panne auf dem Seitenstreifen, ein anderer fuhr auf ihn auf. Am Steuer: Vidoje Matic – bekannt als Futsalspieler des MCH FC Bielefeld-Sennestadt und als Fußballer des Westfalenligisten VfB Fichte. Wie es zu dem Unfall kommen konnte, ist bislang noch immer unklar. „Das einzige, woran ich mich erinnern kann, sind flimmernde Lichter“, berichtet Matic. Den Rest musste auch er sich erzählen lassen oder in der Zeitung nachlesen.

Sechs Wochen lang lag Matic im Krankenhaus. Es war so ziemlich alles gebrochen, was man sich brechen kann. Die dramatischste Diagnose: Brüche des dritten und vierten Halswirbels. Dazu mehrere Schnittwunden, eine Schädel-Basis-Fraktur, Frakturen des Brustwirbels, einiger Rippen, des Schlüsselbeins, des Kiefers und des Jochbeins. „Es wäre fast einfacher aufzuzählen, was nicht gebrochen war“, sagt Matic. Operiert wurde er ausschließlich an der Halswirbelsäule. Da wurde ihm eine Platte zur Stabilisierung eingesetzt. Da Matic sich in der ganzen Zeit nicht bewegen konnte, heilten die anderen Brüche ohne Operation.


24. September 2019: Zwei LKW sind auf der A2 ineinandergekracht. Den hinteren steuerte Fußballer Vidoje Matic.
24. September 2019: Zwei LKW sind auf der A2 ineinandergekracht. Den hinteren steuerte Fußballer Vidoje Matic. – Foto: Andreas Eickhoff


Vidoje Matic verbrachte seine fußballerische Jugend bei Arminia Bielefeld, war in der Oberliga für den FC Gütersloh aktiv und hat sich mittlerweile dem Futsal verschrieben. Dabei war er immer ein Kämpfer. „Als ich nach etlichen Stunden im Krankenhaus das Bewusstsein wiedererlangt habe, stand meine Familie an meinem Bett“, beschreibt er die ersten Minuten, an die er sich erinnern kann. Er versucht es wegzulächeln, doch den Kloß, den er in diesem Moment im Hals hat, merkt man ihm an. „Vico“, wie er von allen genannt wird, war vor diesem Unfall ein Schlitzohr, immer einen flotten Spruch auf den Lippen, ein spontaner Typ. Das ist mittlerweile anders. „Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken im Krankenhaus. Das ist jetzt ein Neuanfang für mich. Alles steht auf null.“

Die für viele Menschen normalsten Dinge der Welt sind für Matic heute keine Selbstverständlichkeit mehr: „Wenn ich jetzt mit meiner Familie essen gehe, dann ist das ein Geschenk.“ Er überlege nun immer, ob das, was er tue, auch einen Sinn habe. „Ich setze mir jetzt für alles Ziele.“ Wie viel Glück er hatte, kann er bis heute kaum in Worte fassen. Denn: „Normalerweise haben Brüche der Halswirbel immer auch Lähmungen zur Folge. Das ist bei mir nicht so.“ Nach seinem Krankenhausaufenthalt und weiteren zwei Wochen Liegephase zu Hause hat Matic sich seinen LKW noch einmal angeschaut. „Wenn man den sieht, denkt man, dass da keine Maus lebend rauskommt“, beschreibt er das Wrack.



Aktuell arbeitet Matic im Zentrum für ambulante Rehabilitation in Bethel täglich an seinem Comeback. „Mein Traum ist es, in diesem Jahr noch ein Länderspiel für die Futsal-Nationalmannschaft zu machen. Und ein Tor für Fichte zu schießen“, verrät er einen Teil seines Plans. Natürlich möchte er auch für den MCH wieder auf Torejagd gehen. Doch statt Schusstrainings stehen auf seinem Reha-Plan Dinge wie Trainingstherapie, Ultraschalltherapie, Wärmetherapie, Physiotherapie und Bewegungsbäder. „Ich bin ganz gut beschäftigt“, sagt er grinsend. Leichte Übungen mit dem Ball gingen auch schon.

„Aber die Angst ist schon noch da, dass ich vielleicht eine falsche Bewegung machen könnte.“ Die Zeit, die er braucht, will er sich nehmen. Dankbar ist Matic vor allem seiner Familie, die in dieser schweren Zeit stets bei ihm war. Aber auch seine Sportkameraden kümmerten sich. „Sowohl die Verantwortlichen und die Jungs vom MCH waren mehrfach im Krankenhaus, als auch Mario Ermisch und Murat Karanfil vom VfB Fichte“, erzählt Vico. Daneben habe sich auch Futsal-Nationaltrainer Marcel Loosveld regelmäßig nach seinem Wohlbefinden erkundigt. „Es ist ein gutes Gefühl, dass man in solch schweren Zeiten nicht vergessen wird.“

Aufrufe: 09.2.2020, 11:00 Uhr
Nicole Bentrup / FuPaAutor