2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Stefan Hassler Foto:
Stefan Hassler Foto:

Zeichen setzen gegen unpassende Chemie

Jörg Dechert und Co. wollen zeigen, dass "Aufstieg noch nicht aufgegeben ist"

GIESSEN Jörg Dechert, Sportlicher Leiter des VfB 1900 Gießen, ist sich sicher: „Wenn du noch was reißen willst, dann ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, darüber waren wir uns im Förderverein und im Vorstand einig.“ Deshalb habe man sich entschieden, mit der Verpflichtung von Niko Semlitsch vor dem Spiel beim Tabellenführer Watzenborn „ein Zeichen zu setzen.“

Ein Zeichen, das nach den Worten Decherts auch bedeuten soll: „Wir haben noch nicht aufgegeben.“ Und zwar den Aufstieg, wenn auch möglicherweise über den Relegations-Umweg. Semlitsch, so schätzen das die VfB-Macher ein, könne da mit seiner „enormen Erfahrung und seiner Fähigkeit als Motivator noch einmal etwas rauskitzeln.“ Zudem erhoffe man sich von ihm mehr Kommunikation mit der Mannschaft. Was im Umkehrschluss eben auch heißt, dass man das bei Stefan Hassler zuletzt zu wenig gesehen hat.

Es ist ein Kreuz. Vor der Saison galt der VfB 1900 dank seiner Verstärkungen als Favorit, der die noch stärker aufrüstenden Teutonen aus Watzenborn gegebenenfalls bedrängen könnte. Doch nach zwei souveränen Siegen beim FSV Schröck und gegen den FV Biebrich kam ausgerechnet mit der 3:4-Niederlage gegen Watzenborn der erste Knackpunkt denn die Art und Weise der Niederlage durch vermeidbare Standards und nach Führung sorgte für mehr Zweifel, als nur der Verlust der drei Punkte.

Wer genau hingeschaut hatte, der wusste allerdings sogar schon nach dem 3:0-Auftaktsieg in Schröck, wo sich Baustellen auftun würden, in dessen Gruben der Trainer möglicherweise fallen könnte. Die Reservebank war gespickt mit Spielern, die im Jahr zuvor als Stammkräfte in einer augenscheinlich intakten Mannschaft mit weniger Potenzial einen unerwarteten Platz in der Spitzengruppe erspielten. Die Bankdrücker mit Einsätzen in der A-Liga ruhig zu halten, war ebenso schwierig wie der harsche Wechsel, als Stefan Hassler nach der 2:3-Niederlage in Breidenbach die „eingekauften“ Hochkaräter auf die Bank verbannte. Und mit den Jungs der vorigen Saison gelang dann ein 3:2-Erfolg gegen den SC Waldgirmes. Jetzt waren die nächsten Bankdrücker beleidigt. Und nach den Toren fiel jedem im Stadion auf, dass nur Gino Parson seinen Trainer abklatschte, Hassler blieb sitzen, die Mannschaft jubelte unter sich. Außer: Ahmet Marankoz. Der als schwierig geltende Stürmer hatte schon nach dem Sieg in Schröck so gewirkt, als hadere er mehr damit kein Tor geschossen zu haben, als sich über den klaren Sieg seiner Elf zu freuen. Die Dauerverletzung Marankoz' und andere Ausfälle von Spielern sind wohl auch unter diesem, dem Mannschaftsgeist wenig dienlichen Aspekt einzuordnen. In der Fußballersprache: Ego-Zocker.

Vielleicht hat ja am Ende Gino Parson recht: Der Co-Trainer, Spielführer und über die Saison stabilste und beste Akteur sagte gestern: „Wir haben sicher nicht so eingeschlagen, wie wir uns das alle gewünscht haben, allerdings spielen da viele Dinge eine Rolle. Zu sagen, das liegt nur am Trainer, ist mir zu wenig. Da muss sich jeder Spieler, und auch die Leute im Umfeld an die Nase fassen.“ Und, so mag man als Beobachter hinzufügen, sich Gedanken darüber machen, dass viele gute Individualisten noch keine Mannschaft machen. Floskel des Tages: Die Chemie muss stimmen. Zum Schluss hat es, so kann man die Zeichen deuten, auch Stefan Hassler, der seine Linie für manchen wohl zu taff durchzieht, wohl nicht mehr viel Spaß mit der Mannschaft gemacht. Und der Mannschaft auch nicht mit ihm. Jetzt kommt ein Zeichen - namens Semlitsch.

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PS: Der VfB 1900 hat gegen den anhängigen Punktabzug Widerspruch eingelegt.

Aufrufe: 025.11.2014, 09:53 Uhr
Rüdiger DittrichAutor