2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: Commons Wikimedia / BruceW

Der Mittelläufer kickte im Estadio Bernabéu

Günter Jäger spielte in der Jugend beim VfB 03 Hilden, schaffte als Fortune den Sprung ins Olympiateam – und wird 85.

Als Elfjähriger machte Günter Jäger auf dem Sportplatz an der Hoffeldstraße seine ersten Schritte in Fußballschuhen. Am Montag vollendet das langjährige Mitglied des VfB 03 Hilden sein 85. Lebensjahr und blickt auf über 140 Begegnungen in der früheren Oberliga West zurück – seinerzeit die höchste Spielklasse in Deutschland.

In der Saison 1962/63 lief er letztmalig für Fortuna Düsseldorf auf, wechselte danach aus beruflichen Gründen in die neu geschaffene Regionalliga West zum Wuppertaler SV. Die Spielzeit 1963/64 war zugleich die erste Saison der Bundesliga der Männer. Deutscher Meister wurde damals der 1. FC Köln, bester Torschütze war Uwe Seeler vom Hamburger SV mit 30 Treffern.

Der gebürtige Haaner – „Damals gab es im Hildener Krankenhaus noch keine Entbindungsstation“ – erinnert sich noch gut an die Anfänge seiner Fußballer-Laufbahn. Die war ihm praktisch in die Wiege gelegt, denn „der Bruder meiner Oma war Mitbegründer des VfB“, berichtet er. Kurt Kappel, Walter und Otto Wiederhold gehörten zu jenen 13 Fußballbegeisterten, die 1903 den Hildener Fußball-Club gründeten. Mit von der Partie war aber auch Heinrich Lambertz – Jägers Großonkel.

Der 2. Weltkrieg war gerade erst zu Ende gegangen, als Günter Jäger begann, dem runden Leder hinterherzujagen. Er spielte „in der jüngsten D-Jugend, die es damals gab“, berichtet er. Bis zum Ende der B-Jugend hielt er dem VfB 03 die Treue. „Ich wäre auch länger geblieben, doch es gab Umstände, die nicht nötig waren“, stellt er im Rückblick fest. Der Jugendliche zog sich in einem Spiel eine schwere Gehirnerschütterung zu und erinnert sich: „Ich musste eine Woche lang in einem dunklen Zimmer liegen. In dieser Zeit hat sich keiner der Betreuer der Mannschaft um mich gekümmert.“ Für seine besorgte Mutter stand fest: In diesem Verein ist Günter nicht gut aufgehoben. Heute ist das eher Schnee von gestern.

Zwangsläufig folgte also der Wechsel zum VfL Benrath – der Torwart der VfB 03-Herrenmannschft trainierte die A-Jugend des Nachbarvereins. Günter Jäger schaffte es bis in die Deutsche Jugendnationalmannschaft. Der Hildener kam 1954 mit Größen wie Uwe Seeler, Kalli Hoffmann und Günter Habig beim Fifa-Turnier durch einen 2:1-Halbfinalsieg über die Türkei bis ins Finale. Am 19. April erreichten die Deutschen im Kölner Stadion vor über 60.000 Zuschauern im Endspiel gegen Spanien nach Verlängerung ein 2:2. Mit zwei Toren baute Uwe Seeler seinTurnierkonto auf zwölf Treffer aus. Weil Spanien im Halbfinale einen 1:0-Sieg über Argentinien erreichte und damit das bessere Torverhältnis aufwies, setzten sich letztlich die Spanier die Krone auf. Keine drei Monate später folgte am 4. Juli 1954 das „Wunder von Bern“ mit dem 3:2-Sieg der Deutschen im WM-Finale über die favorisierten Ungarn.

1955 zog es Günter Jäger vom Düsseldorfer Süden an den Flinger Broich. Acht Jahre lang lief er in der Oberliga West für Fortuna Düsseldorf auf, lebte in jener Zeit auch in der Landeshauptstadt. Mit der Fortuna schaffte der Mittelläufer 1957 und 1958 den Einzug ins DFB-Pokalfinale. Mehr noch bleibt ihm jedoch die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne in Erinnerung. „Davor haben wir einen Brief vom Verband bekommen, keinen Vertrag zu unterschreiben“, erinnert er sich. Der Grund: Nur Amateure durften bei Olympia starten. Im Nationalteam standen unter anderem Matthes Mauritz (Fortuna) und Albert Görtz (DSC 99). Günter Jäger kam nicht zum Einsatz – auch, weil die Deutschen bereits im ersten Spiel durch eine 1:2-Niederlage gegen die Sowjetunion, dem späteren Olympiasieger, ausschieden.

Günter Jäger nimmt es sportlich. „Auf der anderen Seite war das frühe Aus schade, aber auf der anderen Seite konnte wir uns in den vier bis fünf Wochen danach alles ansehen. Alle Sportler haben zusammen im olympischen Dorf gewohnt. Damals war es noch nicht so streng wie heute, deshalb konnte man in alle Häuser reingehen.“ So konnte Jäger unter anderem den legendären tschechischen Leichtathleten Emil Zatopek beimTraining beobachten.

Abenteuerlich war allein schon die Anreise nach Australien: Von Hamburg aus flog die Propellermaschine über den Nordpol nach Honolulu (Hawaii-Inseln). Ein dreitägiges Trainingslager am Strand von Waikiki sollte die deutsche Auswahl in Form bringen. Nach einem kurzen Tank-Stopp auf den Fidschi-Inseln traf die Maschine erst nach 21 Stunden reiner Flugzeit in Melbourne ein. Der damals 20-Jährige Fußballer war begeistert. „Wer konnte denn schon 1956 eine Weltreise machen“, betont er heute.

Sein erstes Länderspiel bestritt Günter Jäger 1958. In der Partie gegen Dänemark stand der Debütant gleich in der Startelf. Das 1:1 in Kopenhagen war jedoch zugleich sein letzter Auftritt im Nationaldress. Als Sepp Herberger das nächste Mal rief, musste Jäger absagen, weil er eine Schulung hatte. „Mir war der Beruf lieber, da lebe ich heute noch von“, erklärt der Hildener. Der Bundestrainer sah es anders, wollte nur Spieler in seinem Team haben, die immer zur Verfügung standen. Damit war die Karriere im Nationalteam schneller beendet als geplant.

Einen internationalen Höhepunkt durfte Günter Jäger gleichwohl noch genießen. Denn mit Fortuna Düsseldorf trat er zu einem Benefizspiel gegen Real Madrid an – vor 80.000 Zuschauern im legendären „Estadio Santiago Bernabéu“. An der Seite des späteren Nationaltrainers Jupp Derwall traf Jäger auf Fußball-Legenden wie Stefan Puskás und Alfredo di Stefano.

Seine höherklassige Karriere beendete Günter Jäger beim Wuppertaler SV, für den er von 1963 bis 1966 die Stiefel schnürte und nur knapp den Aufstieg in die Bundesliga verpasste. Der WSV belegte in der Saison 1963/64 hinter Alemannia Aachen den zweiten Platz. In der Aufstiegsrunde zogen die Wuppertaler jedoch am 30. Mai 1964 gegen den FK Pirmasens mit 0:2 den Kürzeren.

Eine große Geburtstagsfeier wird es für Günter Jäger am heutigen Montag nicht geben – corona-bedingt. „Schade eigentlich, aber das holen wir nach“, sagt der Ruheständler und gesteht frank und frei: „Im Moment fällt mir die Decke auf den Kopf.“ Denn wegen der Corona-Pandemie fällt das geliebte Golfspiel an der Düsseldorfer Lausward ebenso flach wie die täglichen Besuche in seinem Unternehmen „Jäger Drucklufttechnik“, das inzwischen sein Sohn Ralf als Geschäftsführer leitet.

Aufrufe: 022.12.2020, 22:00 Uhr
RP / Birgit SickerAutor